das gute Mädchen alsogleich sehen. Plötzlich riß ich mich los und eilte nach Hause, von wo mir der schrille Ton einer Dorfgeige entgegenklang. Sämmtliche Jugend war in dem geräumigen Saale versammelt und benutzte den kühlen, mü¬ ßigen Abend, nach den Klängen des herbeigerufe¬ nen Geigers sich gegenseitig im Tanze zu unter¬ richten und zu üben; denn die älteren Mitglieder der Sippschaft befanden für gut, auf die Feste des nahenden Herbstes den jüngeren Nachwuchs vor¬ zubereiten und dadurch sich selbst ein vorläufiges Tanzvergnügen zu verschaffen. Als ich in den Saal trat, wurde ich aufgefordert, sogleich Theil zu nehmen, und indem ich mich fügte und unter die lachenden Reihen mischte, ersah ich plötzlich die erröthende Anna, welche sich hinter denselben versteckt hatte. Sogleich war ich zufrieden und innerlich hoch vergnügt; aber obgleich schon zwei Wochen vergangen, seit ich sie zum ersten Male gesehen, ließ ich meine Zufriedenheit nicht merken und entfernte mich, nachdem ich sie kurz begrüßt, wieder von ihr, und als meine Basen mich auf¬ forderten, mit ihr, die gleichfalls anfing, einen
7 *
das gute Maͤdchen alſogleich ſehen. Ploͤtzlich riß ich mich los und eilte nach Hauſe, von wo mir der ſchrille Ton einer Dorfgeige entgegenklang. Saͤmmtliche Jugend war in dem geraͤumigen Saale verſammelt und benutzte den kuͤhlen, muͤ¬ ßigen Abend, nach den Klaͤngen des herbeigerufe¬ nen Geigers ſich gegenſeitig im Tanze zu unter¬ richten und zu uͤben; denn die aͤlteren Mitglieder der Sippſchaft befanden fuͤr gut, auf die Feſte des nahenden Herbſtes den juͤngeren Nachwuchs vor¬ zubereiten und dadurch ſich ſelbſt ein vorlaͤufiges Tanzvergnuͤgen zu verſchaffen. Als ich in den Saal trat, wurde ich aufgefordert, ſogleich Theil zu nehmen, und indem ich mich fuͤgte und unter die lachenden Reihen miſchte, erſah ich ploͤtzlich die erroͤthende Anna, welche ſich hinter denſelben verſteckt hatte. Sogleich war ich zufrieden und innerlich hoch vergnuͤgt; aber obgleich ſchon zwei Wochen vergangen, ſeit ich ſie zum erſten Male geſehen, ließ ich meine Zufriedenheit nicht merken und entfernte mich, nachdem ich ſie kurz begruͤßt, wieder von ihr, und als meine Baſen mich auf¬ forderten, mit ihr, die gleichfalls anfing, einen
7 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0109"n="99"/>
das gute Maͤdchen alſogleich ſehen. Ploͤtzlich riß<lb/>
ich mich los und eilte nach Hauſe, von wo mir<lb/>
der ſchrille Ton einer Dorfgeige entgegenklang.<lb/>
Saͤmmtliche Jugend war in dem geraͤumigen<lb/>
Saale verſammelt und benutzte den kuͤhlen, muͤ¬<lb/>
ßigen Abend, nach den Klaͤngen des herbeigerufe¬<lb/>
nen Geigers ſich gegenſeitig im Tanze zu unter¬<lb/>
richten und zu uͤben; denn die aͤlteren Mitglieder<lb/>
der Sippſchaft befanden fuͤr gut, auf die Feſte des<lb/>
nahenden Herbſtes den juͤngeren Nachwuchs vor¬<lb/>
zubereiten und dadurch ſich ſelbſt ein vorlaͤufiges<lb/>
Tanzvergnuͤgen zu verſchaffen. Als ich in den<lb/>
Saal trat, wurde ich aufgefordert, ſogleich Theil<lb/>
zu nehmen, und indem ich mich fuͤgte und unter<lb/>
die lachenden Reihen miſchte, erſah ich ploͤtzlich<lb/>
die erroͤthende Anna, welche ſich hinter denſelben<lb/>
verſteckt hatte. Sogleich war ich zufrieden und<lb/>
innerlich hoch vergnuͤgt; aber obgleich ſchon zwei<lb/>
Wochen vergangen, ſeit ich ſie zum erſten Male<lb/>
geſehen, ließ ich meine Zufriedenheit nicht merken<lb/>
und entfernte mich, nachdem ich ſie kurz begruͤßt,<lb/>
wieder von ihr, und als meine Baſen mich auf¬<lb/>
forderten, mit ihr, die gleichfalls anfing, einen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">7 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[99/0109]
das gute Maͤdchen alſogleich ſehen. Ploͤtzlich riß
ich mich los und eilte nach Hauſe, von wo mir
der ſchrille Ton einer Dorfgeige entgegenklang.
Saͤmmtliche Jugend war in dem geraͤumigen
Saale verſammelt und benutzte den kuͤhlen, muͤ¬
ßigen Abend, nach den Klaͤngen des herbeigerufe¬
nen Geigers ſich gegenſeitig im Tanze zu unter¬
richten und zu uͤben; denn die aͤlteren Mitglieder
der Sippſchaft befanden fuͤr gut, auf die Feſte des
nahenden Herbſtes den juͤngeren Nachwuchs vor¬
zubereiten und dadurch ſich ſelbſt ein vorlaͤufiges
Tanzvergnuͤgen zu verſchaffen. Als ich in den
Saal trat, wurde ich aufgefordert, ſogleich Theil
zu nehmen, und indem ich mich fuͤgte und unter
die lachenden Reihen miſchte, erſah ich ploͤtzlich
die erroͤthende Anna, welche ſich hinter denſelben
verſteckt hatte. Sogleich war ich zufrieden und
innerlich hoch vergnuͤgt; aber obgleich ſchon zwei
Wochen vergangen, ſeit ich ſie zum erſten Male
geſehen, ließ ich meine Zufriedenheit nicht merken
und entfernte mich, nachdem ich ſie kurz begruͤßt,
wieder von ihr, und als meine Baſen mich auf¬
forderten, mit ihr, die gleichfalls anfing, einen
7 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/109>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.