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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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tigen Krügen und genossen den lauen Frühlings¬
abend; glänzende Wagen mit Mohren und Jägern
fuhren vorbei und wurden aufgehalten durch einen
ungeheueren Knäuel von Soldaten und Hand¬
werksburschen, welche sich die Köpfe zerbläueten.
Es war ein unendliches Gesumme überall und
ein seltsamer Uebergang der katholischen Festan¬
dacht und der kirchlichen Glockentöne in die laute
Lustbarkeit des zweiten Osterabends.

Heinrich hatte sich aus dem Lärm verloren in
eine lange und weite Straße, welche ganz von
mächtigen neuen Gebäuden besetzt war. Steinerne
Bildsäulen standen vor ernsten byzantinischen
Fronten, die still und hoch in den dunkelnden
Himmel hinauf stiegen, bald dunkelroth gefärbt,
bald blendend weiß, Alles wie erst heute und zur
Mustersammlung für lernbegierige Schüler auf¬
gestellt. Da und dort verschmelzten sich die alten
Zierarten und Formen zu neuen Erfindungen, die
verschiedensten Gliederungen und Verhältnisse
stritten sich und verschwammen in einander und
lösten sich wieder auf zu neuen Versuchen; es
schien, als ob die tausendjährige Steinwelt auf

tigen Kruͤgen und genoſſen den lauen Fruͤhlings¬
abend; glaͤnzende Wagen mit Mohren und Jaͤgern
fuhren vorbei und wurden aufgehalten durch einen
ungeheueren Knaͤuel von Soldaten und Hand¬
werksburſchen, welche ſich die Koͤpfe zerblaͤueten.
Es war ein unendliches Geſumme uͤberall und
ein ſeltſamer Uebergang der katholiſchen Feſtan¬
dacht und der kirchlichen Glockentoͤne in die laute
Luſtbarkeit des zweiten Oſterabends.

Heinrich hatte ſich aus dem Laͤrm verloren in
eine lange und weite Straße, welche ganz von
maͤchtigen neuen Gebaͤuden beſetzt war. Steinerne
Bildſaͤulen ſtanden vor ernſten byzantiniſchen
Fronten, die ſtill und hoch in den dunkelnden
Himmel hinauf ſtiegen, bald dunkelroth gefaͤrbt,
bald blendend weiß, Alles wie erſt heute und zur
Muſterſammlung fuͤr lernbegierige Schuͤler auf¬
geſtellt. Da und dort verſchmelzten ſich die alten
Zierarten und Formen zu neuen Erfindungen, die
verſchiedenſten Gliederungen und Verhaͤltniſſe
ſtritten ſich und verſchwammen in einander und
loͤſten ſich wieder auf zu neuen Verſuchen; es
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[84/0098] tigen Kruͤgen und genoſſen den lauen Fruͤhlings¬ abend; glaͤnzende Wagen mit Mohren und Jaͤgern fuhren vorbei und wurden aufgehalten durch einen ungeheueren Knaͤuel von Soldaten und Hand¬ werksburſchen, welche ſich die Koͤpfe zerblaͤueten. Es war ein unendliches Geſumme uͤberall und ein ſeltſamer Uebergang der katholiſchen Feſtan¬ dacht und der kirchlichen Glockentoͤne in die laute Luſtbarkeit des zweiten Oſterabends. Heinrich hatte ſich aus dem Laͤrm verloren in eine lange und weite Straße, welche ganz von maͤchtigen neuen Gebaͤuden beſetzt war. Steinerne Bildſaͤulen ſtanden vor ernſten byzantiniſchen Fronten, die ſtill und hoch in den dunkelnden Himmel hinauf ſtiegen, bald dunkelroth gefaͤrbt, bald blendend weiß, Alles wie erſt heute und zur Muſterſammlung fuͤr lernbegierige Schuͤler auf¬ geſtellt. Da und dort verſchmelzten ſich die alten Zierarten und Formen zu neuen Erfindungen, die verſchiedenſten Gliederungen und Verhaͤltniſſe ſtritten ſich und verſchwammen in einander und loͤſten ſich wieder auf zu neuen Verſuchen; es ſchien, als ob die tauſendjaͤhrige Steinwelt auf

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/98>, abgerufen am 25.11.2024.