unsterblichen Liedern verherrlicht erst wieder zu¬ rückgewandert; fast an jedem Herde und bei je¬ dem Feste, wo der rüstige Schatten mit Armbrust und Pfeil herauf beschworen wurde, trug er das Gewand und sprach die Worte, welche ihm der deutsche Sänger gegeben hat. Er schwärmte nur für die deutsche Kunst, von welcher er allerlei Wundersames erzählen hörte und verachtete alles Andere. Frankreich liebte er, wie man ein schö¬ nes liebenswürdiges Mädchen mitliebt, dem alle Welt den Hof macht, und wenn etwas Gutes in Paris geschah, so freute er sich höchlich, kam etwas Widerwärtiges vor, so wußte er allerlei galante Entschuldigungen aufzubringen. Erblickte hingegen in Deutschland etwas Gutes das Licht, so machte er nicht viel Wesens daraus, als ob sich das von selbst verstände, und des Schlechten schämte er sich und es machte ihn zornig. Alles aber, was er sich unter Deutschland dachte, war von einem romantischen Dufte umwoben. In seiner Vorstellung lebte das poetische und ideale Deutschland, wie sich letzteres selbst dafür hielt und träumte. Er hatte nur mit Vorliebe und
unſterblichen Liedern verherrlicht erſt wieder zu¬ ruͤckgewandert; faſt an jedem Herde und bei je¬ dem Feſte, wo der ruͤſtige Schatten mit Armbruſt und Pfeil herauf beſchworen wurde, trug er das Gewand und ſprach die Worte, welche ihm der deutſche Saͤnger gegeben hat. Er ſchwaͤrmte nur fuͤr die deutſche Kunſt, von welcher er allerlei Wunderſames erzaͤhlen hoͤrte und verachtete alles Andere. Frankreich liebte er, wie man ein ſchoͤ¬ nes liebenswuͤrdiges Maͤdchen mitliebt, dem alle Welt den Hof macht, und wenn etwas Gutes in Paris geſchah, ſo freute er ſich hoͤchlich, kam etwas Widerwaͤrtiges vor, ſo wußte er allerlei galante Entſchuldigungen aufzubringen. Erblickte hingegen in Deutſchland etwas Gutes das Licht, ſo machte er nicht viel Weſens daraus, als ob ſich das von ſelbſt verſtaͤnde, und des Schlechten ſchaͤmte er ſich und es machte ihn zornig. Alles aber, was er ſich unter Deutſchland dachte, war von einem romantiſchen Dufte umwoben. In ſeiner Vorſtellung lebte das poetiſche und ideale Deutſchland, wie ſich letzteres ſelbſt dafuͤr hielt und traͤumte. Er hatte nur mit Vorliebe und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0068"n="54"/>
unſterblichen Liedern verherrlicht erſt wieder zu¬<lb/>
ruͤckgewandert; faſt an jedem Herde und bei je¬<lb/>
dem Feſte, wo der ruͤſtige Schatten mit Armbruſt<lb/>
und Pfeil herauf beſchworen wurde, trug er <hirendition="#g">das</hi><lb/>
Gewand und ſprach <hirendition="#g">die</hi> Worte, welche ihm der<lb/>
deutſche Saͤnger gegeben hat. Er ſchwaͤrmte nur<lb/>
fuͤr die deutſche Kunſt, von welcher er allerlei<lb/>
Wunderſames erzaͤhlen hoͤrte und verachtete alles<lb/>
Andere. Frankreich liebte er, wie man ein ſchoͤ¬<lb/>
nes liebenswuͤrdiges Maͤdchen mitliebt, dem alle<lb/>
Welt den Hof macht, und wenn etwas Gutes<lb/>
in Paris geſchah, ſo freute er ſich hoͤchlich, kam<lb/>
etwas Widerwaͤrtiges vor, ſo wußte er allerlei<lb/>
galante Entſchuldigungen aufzubringen. Erblickte<lb/>
hingegen in Deutſchland etwas Gutes das Licht,<lb/>ſo machte er nicht viel Weſens daraus, als ob<lb/>ſich das von ſelbſt verſtaͤnde, und des Schlechten<lb/>ſchaͤmte er ſich und es machte ihn zornig. Alles<lb/>
aber, was er ſich unter Deutſchland dachte, war<lb/>
von einem romantiſchen Dufte umwoben. In<lb/>ſeiner Vorſtellung lebte das poetiſche und ideale<lb/>
Deutſchland, wie ſich letzteres ſelbſt dafuͤr hielt<lb/>
und traͤumte. Er hatte nur mit Vorliebe und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[54/0068]
unſterblichen Liedern verherrlicht erſt wieder zu¬
ruͤckgewandert; faſt an jedem Herde und bei je¬
dem Feſte, wo der ruͤſtige Schatten mit Armbruſt
und Pfeil herauf beſchworen wurde, trug er das
Gewand und ſprach die Worte, welche ihm der
deutſche Saͤnger gegeben hat. Er ſchwaͤrmte nur
fuͤr die deutſche Kunſt, von welcher er allerlei
Wunderſames erzaͤhlen hoͤrte und verachtete alles
Andere. Frankreich liebte er, wie man ein ſchoͤ¬
nes liebenswuͤrdiges Maͤdchen mitliebt, dem alle
Welt den Hof macht, und wenn etwas Gutes
in Paris geſchah, ſo freute er ſich hoͤchlich, kam
etwas Widerwaͤrtiges vor, ſo wußte er allerlei
galante Entſchuldigungen aufzubringen. Erblickte
hingegen in Deutſchland etwas Gutes das Licht,
ſo machte er nicht viel Weſens daraus, als ob
ſich das von ſelbſt verſtaͤnde, und des Schlechten
ſchaͤmte er ſich und es machte ihn zornig. Alles
aber, was er ſich unter Deutſchland dachte, war
von einem romantiſchen Dufte umwoben. In
ſeiner Vorſtellung lebte das poetiſche und ideale
Deutſchland, wie ſich letzteres ſelbſt dafuͤr hielt
und traͤumte. Er hatte nur mit Vorliebe und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/68>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.