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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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er seit langen Jahren gewohnt ist, seinen Hut
darauf zu stellen, wenn er nach Hause kehrt,
oder, wenn man ein wenig artiger sein will,
weil sein Firniß auf eine ihm angenehme Weise
den Sonnenblick auffängt und auf den Stuben¬
boden wirft.

Aus diesem herzlos unschönen Gebäude nun
bewegte sich ein langer Zug sechszehnzähriger
Confirmandinnen quer über die Straße, von
einem dicken jovialen Pfarrherrn angeführt, so
daß der Postwagen anhalten mußte bis alle vor¬
bei waren. Schwarz gekleidet, mit gebeugten
Häuptern, die thränenden Augen in weiße Ta¬
schentücher gedrückt, wallten die zarten Gestalten
paarweise langsam vorüber, die keuschen Lippen
noch feucht von dem Weine, welchen man ihnen
als Blut zu trinken, in der Kehle noch das
Brot, welches man ihnen als Menschenfleisch zu
essen gegeben hatte. Diese dunkle Mädchenschaar
mit dem rothnasigen Pfarrer an der Spitze, kam
Heinrich vor, wie ein Flug gefangener Nachti¬
gallen aus dem Morgenlande, welche ein betrun¬
kener Vogelhändler zum Verkauf umher führt.

er ſeit langen Jahren gewohnt iſt, ſeinen Hut
darauf zu ſtellen, wenn er nach Hauſe kehrt,
oder, wenn man ein wenig artiger ſein will,
weil ſein Firniß auf eine ihm angenehme Weiſe
den Sonnenblick auffaͤngt und auf den Stuben¬
boden wirft.

Aus dieſem herzlos unſchoͤnen Gebaͤude nun
bewegte ſich ein langer Zug ſechszehnzaͤhriger
Confirmandinnen quer uͤber die Straße, von
einem dicken jovialen Pfarrherrn angefuͤhrt, ſo
daß der Poſtwagen anhalten mußte bis alle vor¬
bei waren. Schwarz gekleidet, mit gebeugten
Haͤuptern, die thraͤnenden Augen in weiße Ta¬
ſchentuͤcher gedruͤckt, wallten die zarten Geſtalten
paarweiſe langſam voruͤber, die keuſchen Lippen
noch feucht von dem Weine, welchen man ihnen
als Blut zu trinken, in der Kehle noch das
Brot, welches man ihnen als Menſchenfleiſch zu
eſſen gegeben hatte. Dieſe dunkle Maͤdchenſchaar
mit dem rothnaſigen Pfarrer an der Spitze, kam
Heinrich vor, wie ein Flug gefangener Nachti¬
gallen aus dem Morgenlande, welche ein betrun¬
kener Vogelhaͤndler zum Verkauf umher fuͤhrt.

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[41/0055] er ſeit langen Jahren gewohnt iſt, ſeinen Hut darauf zu ſtellen, wenn er nach Hauſe kehrt, oder, wenn man ein wenig artiger ſein will, weil ſein Firniß auf eine ihm angenehme Weiſe den Sonnenblick auffaͤngt und auf den Stuben¬ boden wirft. Aus dieſem herzlos unſchoͤnen Gebaͤude nun bewegte ſich ein langer Zug ſechszehnzaͤhriger Confirmandinnen quer uͤber die Straße, von einem dicken jovialen Pfarrherrn angefuͤhrt, ſo daß der Poſtwagen anhalten mußte bis alle vor¬ bei waren. Schwarz gekleidet, mit gebeugten Haͤuptern, die thraͤnenden Augen in weiße Ta¬ ſchentuͤcher gedruͤckt, wallten die zarten Geſtalten paarweiſe langſam voruͤber, die keuſchen Lippen noch feucht von dem Weine, welchen man ihnen als Blut zu trinken, in der Kehle noch das Brot, welches man ihnen als Menſchenfleiſch zu eſſen gegeben hatte. Dieſe dunkle Maͤdchenſchaar mit dem rothnaſigen Pfarrer an der Spitze, kam Heinrich vor, wie ein Flug gefangener Nachti¬ gallen aus dem Morgenlande, welche ein betrun¬ kener Vogelhaͤndler zum Verkauf umher fuͤhrt.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/55>, abgerufen am 22.11.2024.