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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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heit, welche durch jede weitere Stunde Wegs ge¬
bracht wurde, das Nächste und Wichtigste. Eine
neue Art von bemalten Fensterladen oder Wirths¬
hausschildern, eine eigenthümliche Gattung von
Brunnensäulen oder Dachgiebeln in diesem oder
jenem Dorfe, besonders aber die bald vor- bald
seitwärts, bald fern bald nah, immer frisch auf¬
tauchenden Bergzüge und Erdwellen machten ihm
die größte Freude. Es war ein windstiller, lieb¬
licher Frühlingstag. Lange Zeit sah er eine milde
weiße Wolke über dem Horizonte stehen, zu sei¬
ner Rechten, oder auch zur Linken, wie der Wa¬
gen eben fuhr; die sanften, bald fern blauen,
bald nah grünen oder braunen Wogen der Erde
flossen still darunter hin, sie aber blieb immer
dieselbe, bis sie endlich, als er sie eine Weile ver¬
gessen hatte und wieder suchte, auch verschwunden
war. Am Meisten freute ihn jedoch, wenn er,
immer mehr sich von der Geburtsstadt entfernend,
stets noch an einem ihm unbekannten Orte ein
bekanntes Gesicht vorübergleiten sah, das er sonst
an Wochenmärkten oder Festtagen in der be¬
schränkten Stadt bemerkt hatte; wohl zehn Stun¬

heit, welche durch jede weitere Stunde Wegs ge¬
bracht wurde, das Naͤchſte und Wichtigſte. Eine
neue Art von bemalten Fenſterladen oder Wirths¬
hausſchildern, eine eigenthuͤmliche Gattung von
Brunnenſaͤulen oder Dachgiebeln in dieſem oder
jenem Dorfe, beſonders aber die bald vor- bald
ſeitwaͤrts, bald fern bald nah, immer friſch auf¬
tauchenden Bergzuͤge und Erdwellen machten ihm
die groͤßte Freude. Es war ein windſtiller, lieb¬
licher Fruͤhlingstag. Lange Zeit ſah er eine milde
weiße Wolke uͤber dem Horizonte ſtehen, zu ſei¬
ner Rechten, oder auch zur Linken, wie der Wa¬
gen eben fuhr; die ſanften, bald fern blauen,
bald nah gruͤnen oder braunen Wogen der Erde
floſſen ſtill darunter hin, ſie aber blieb immer
dieſelbe, bis ſie endlich, als er ſie eine Weile ver¬
geſſen hatte und wieder ſuchte, auch verſchwunden
war. Am Meiſten freute ihn jedoch, wenn er,
immer mehr ſich von der Geburtsſtadt entfernend,
ſtets noch an einem ihm unbekannten Orte ein
bekanntes Geſicht voruͤbergleiten ſah, das er ſonſt
an Wochenmaͤrkten oder Feſttagen in der be¬
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[30/0044] heit, welche durch jede weitere Stunde Wegs ge¬ bracht wurde, das Naͤchſte und Wichtigſte. Eine neue Art von bemalten Fenſterladen oder Wirths¬ hausſchildern, eine eigenthuͤmliche Gattung von Brunnenſaͤulen oder Dachgiebeln in dieſem oder jenem Dorfe, beſonders aber die bald vor- bald ſeitwaͤrts, bald fern bald nah, immer friſch auf¬ tauchenden Bergzuͤge und Erdwellen machten ihm die groͤßte Freude. Es war ein windſtiller, lieb¬ licher Fruͤhlingstag. Lange Zeit ſah er eine milde weiße Wolke uͤber dem Horizonte ſtehen, zu ſei¬ ner Rechten, oder auch zur Linken, wie der Wa¬ gen eben fuhr; die ſanften, bald fern blauen, bald nah gruͤnen oder braunen Wogen der Erde floſſen ſtill darunter hin, ſie aber blieb immer dieſelbe, bis ſie endlich, als er ſie eine Weile ver¬ geſſen hatte und wieder ſuchte, auch verſchwunden war. Am Meiſten freute ihn jedoch, wenn er, immer mehr ſich von der Geburtsſtadt entfernend, ſtets noch an einem ihm unbekannten Orte ein bekanntes Geſicht voruͤbergleiten ſah, das er ſonſt an Wochenmaͤrkten oder Feſttagen in der be¬ ſchraͤnkten Stadt bemerkt hatte; wohl zehn Stun¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/44>, abgerufen am 21.11.2024.