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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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Zweites Kapitel.

Indem eine Grundlinie der Landschaft nach
der anderen sich verschob und veränderte, und aus
dem heiteren Ziehen und Weben ein ganz neuer
Gesichtskreis hervorging, welcher allmälig wieder
in einen neuen sich auflöste, war Heinrich, mit
hellen Jugendaugen aufmerkend, seinem eigenen
Wesen zurückgegeben. Die verlassene Mutter und
Heimath bildeten wohl eine zarte und weiche
Grundlage in seinem Gemüthe; doch auf ihr
spielten mit ungebrochenen Farben alle Bilder
der neuen Welt, welche ihm aufging. Denn ob¬
gleich schon ziemlich die weite Welt in leicht er¬
faßten Bildern seinem innern Sinne vorbeigezo¬
gen war und besonders sein Künstlergedächtniß
die Formen und Gestalten der fernsten Zonen be¬
wahrte, so war ihm doch jetzt die kleinste Neu¬

Zweites Kapitel.

Indem eine Grundlinie der Landſchaft nach
der anderen ſich verſchob und veraͤnderte, und aus
dem heiteren Ziehen und Weben ein ganz neuer
Geſichtskreis hervorging, welcher allmaͤlig wieder
in einen neuen ſich aufloͤſte, war Heinrich, mit
hellen Jugendaugen aufmerkend, ſeinem eigenen
Weſen zuruͤckgegeben. Die verlaſſene Mutter und
Heimath bildeten wohl eine zarte und weiche
Grundlage in ſeinem Gemuͤthe; doch auf ihr
ſpielten mit ungebrochenen Farben alle Bilder
der neuen Welt, welche ihm aufging. Denn ob¬
gleich ſchon ziemlich die weite Welt in leicht er¬
faßten Bildern ſeinem innern Sinne vorbeigezo¬
gen war und beſonders ſein Kuͤnſtlergedaͤchtniß
die Formen und Geſtalten der fernſten Zonen be¬
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[0043] Zweites Kapitel. Indem eine Grundlinie der Landſchaft nach der anderen ſich verſchob und veraͤnderte, und aus dem heiteren Ziehen und Weben ein ganz neuer Geſichtskreis hervorging, welcher allmaͤlig wieder in einen neuen ſich aufloͤſte, war Heinrich, mit hellen Jugendaugen aufmerkend, ſeinem eigenen Weſen zuruͤckgegeben. Die verlaſſene Mutter und Heimath bildeten wohl eine zarte und weiche Grundlage in ſeinem Gemuͤthe; doch auf ihr ſpielten mit ungebrochenen Farben alle Bilder der neuen Welt, welche ihm aufging. Denn ob¬ gleich ſchon ziemlich die weite Welt in leicht er¬ faßten Bildern ſeinem innern Sinne vorbeigezo¬ gen war und beſonders ſein Kuͤnſtlergedaͤchtniß die Formen und Geſtalten der fernſten Zonen be¬ wahrte, ſo war ihm doch jetzt die kleinſte Neu¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/43>, abgerufen am 24.11.2024.