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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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Fragen an die Mitschuldigen schon zu Tage ge¬
treten, schienen dem Herrn auf den Haupturheber
hinzudeuten; sie ragten auch wohl am faßbarsten
aus all' dem wirren Treiben hervor und er hatte
allein auf sie hin verhört. Jeder bejahte regel¬
mäßig die Frage darnach und war froh, nicht
über sich selbst sprechen zu müssen.

Ich wurde entlassen und ging etwas bewegt,
doch gemächlich nach Hause; das Ganze schien
mir sehr würdig zu verlaufen. Zwar fühlte ich
eine tiefe Reue, aber nur gegen den mißhandelten
Lehrer. Zu Hause erzählte ich der Mutter den
ganzen Vorgang, worauf sie mir eben eine Straf¬
rede halten wollte, als ein Schuldiener hereintrat
mit einem großen Briefe. Dieser enthielt die
Nachricht, daß ich von Stund an und für immer
von dem Besuche der Schule ausgeschlossen sei.
Das Gefühl des Unwillens und erlittener Unge¬
rechtigkeit, welches sich sogleich in mir äußerte,
war so überzeugend, daß meine Mutter nicht län¬
ger bei meiner Schuld verweilte, sondern sich
ihren eigenen bekümmerten Gefühlen überließ, da
der große und allmächtige Staat einer hülflosen

Fragen an die Mitſchuldigen ſchon zu Tage ge¬
treten, ſchienen dem Herrn auf den Haupturheber
hinzudeuten; ſie ragten auch wohl am faßbarſten
aus all' dem wirren Treiben hervor und er hatte
allein auf ſie hin verhoͤrt. Jeder bejahte regel¬
maͤßig die Frage darnach und war froh, nicht
uͤber ſich ſelbſt ſprechen zu muͤſſen.

Ich wurde entlaſſen und ging etwas bewegt,
doch gemaͤchlich nach Hauſe; das Ganze ſchien
mir ſehr wuͤrdig zu verlaufen. Zwar fuͤhlte ich
eine tiefe Reue, aber nur gegen den mißhandelten
Lehrer. Zu Hauſe erzaͤhlte ich der Mutter den
ganzen Vorgang, worauf ſie mir eben eine Straf¬
rede halten wollte, als ein Schuldiener hereintrat
mit einem großen Briefe. Dieſer enthielt die
Nachricht, daß ich von Stund an und fuͤr immer
von dem Beſuche der Schule ausgeſchloſſen ſei.
Das Gefuͤhl des Unwillens und erlittener Unge¬
rechtigkeit, welches ſich ſogleich in mir aͤußerte,
war ſo uͤberzeugend, daß meine Mutter nicht laͤn¬
ger bei meiner Schuld verweilte, ſondern ſich
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[384/0398] Fragen an die Mitſchuldigen ſchon zu Tage ge¬ treten, ſchienen dem Herrn auf den Haupturheber hinzudeuten; ſie ragten auch wohl am faßbarſten aus all' dem wirren Treiben hervor und er hatte allein auf ſie hin verhoͤrt. Jeder bejahte regel¬ maͤßig die Frage darnach und war froh, nicht uͤber ſich ſelbſt ſprechen zu muͤſſen. Ich wurde entlaſſen und ging etwas bewegt, doch gemaͤchlich nach Hauſe; das Ganze ſchien mir ſehr wuͤrdig zu verlaufen. Zwar fuͤhlte ich eine tiefe Reue, aber nur gegen den mißhandelten Lehrer. Zu Hauſe erzaͤhlte ich der Mutter den ganzen Vorgang, worauf ſie mir eben eine Straf¬ rede halten wollte, als ein Schuldiener hereintrat mit einem großen Briefe. Dieſer enthielt die Nachricht, daß ich von Stund an und fuͤr immer von dem Beſuche der Schule ausgeſchloſſen ſei. Das Gefuͤhl des Unwillens und erlittener Unge¬ rechtigkeit, welches ſich ſogleich in mir aͤußerte, war ſo uͤberzeugend, daß meine Mutter nicht laͤn¬ ger bei meiner Schuld verweilte, ſondern ſich ihren eigenen bekuͤmmerten Gefuͤhlen uͤberließ, da der große und allmaͤchtige Staat einer huͤlfloſen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/398>, abgerufen am 23.11.2024.