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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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das Schlimmste erleben. Endlich glitten wir aus
auf den glatten Nadeln, welche den Boden be¬
deckten, er fiel unter mich und schlug das Hinter¬
haupt dermaßen wider eine Fichtenwurzel, daß er
für einen Augenblick gelähmt wurde und seine
Hände sich öffneten. Sogleich sprang ich unwill¬
kürlich auf, er that das Gleiche, ohne uns anzu¬
sehen, ergriff Jeder sein Gewehr und verließ den
unheimlichen Ort. Ich fühlte mich an allen
Gliedern erschöpft, erniedrigt und meinen Leib
entweiht durch dieses feindliche Ringen mit einem
ehemaligen Freunde. Die künstliche Verlängerung
des menschlichen Armes durch eiserne Waffen ist
gewiß die Hauptursache der unaustilgbaren Streit¬
sucht; denn wenn die Männer sich von Hand zu
Hand angreifen müßten, so würden sie ohne
Zweifel die wilde Bestialität, nicht maskirt durch
den kalten Stahl, eher inne werden und das öftere
Zusammentreffen scheuen.

Von dieser Zeit an trafen wir nie wieder zu¬
sammen; er mochte aus meiner verzweifelten Ent¬
schlossenheit herausgefühlt haben, daß er im Ganzen
doch an den Unrechten gerathe und vermied jetzt

das Schlimmſte erleben. Endlich glitten wir aus
auf den glatten Nadeln, welche den Boden be¬
deckten, er fiel unter mich und ſchlug das Hinter¬
haupt dermaßen wider eine Fichtenwurzel, daß er
fuͤr einen Augenblick gelaͤhmt wurde und ſeine
Haͤnde ſich oͤffneten. Sogleich ſprang ich unwill¬
kuͤrlich auf, er that das Gleiche, ohne uns anzu¬
ſehen, ergriff Jeder ſein Gewehr und verließ den
unheimlichen Ort. Ich fuͤhlte mich an allen
Gliedern erſchoͤpft, erniedrigt und meinen Leib
entweiht durch dieſes feindliche Ringen mit einem
ehemaligen Freunde. Die kuͤnſtliche Verlaͤngerung
des menſchlichen Armes durch eiſerne Waffen iſt
gewiß die Haupturſache der unaustilgbaren Streit¬
ſucht; denn wenn die Maͤnner ſich von Hand zu
Hand angreifen muͤßten, ſo wuͤrden ſie ohne
Zweifel die wilde Beſtialitaͤt, nicht maskirt durch
den kalten Stahl, eher inne werden und das oͤftere
Zuſammentreffen ſcheuen.

Von dieſer Zeit an trafen wir nie wieder zu¬
ſammen; er mochte aus meiner verzweifelten Ent¬
ſchloſſenheit herausgefuͤhlt haben, daß er im Ganzen
doch an den Unrechten gerathe und vermied jetzt

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[348/0362] das Schlimmſte erleben. Endlich glitten wir aus auf den glatten Nadeln, welche den Boden be¬ deckten, er fiel unter mich und ſchlug das Hinter¬ haupt dermaßen wider eine Fichtenwurzel, daß er fuͤr einen Augenblick gelaͤhmt wurde und ſeine Haͤnde ſich oͤffneten. Sogleich ſprang ich unwill¬ kuͤrlich auf, er that das Gleiche, ohne uns anzu¬ ſehen, ergriff Jeder ſein Gewehr und verließ den unheimlichen Ort. Ich fuͤhlte mich an allen Gliedern erſchoͤpft, erniedrigt und meinen Leib entweiht durch dieſes feindliche Ringen mit einem ehemaligen Freunde. Die kuͤnſtliche Verlaͤngerung des menſchlichen Armes durch eiſerne Waffen iſt gewiß die Haupturſache der unaustilgbaren Streit¬ ſucht; denn wenn die Maͤnner ſich von Hand zu Hand angreifen muͤßten, ſo wuͤrden ſie ohne Zweifel die wilde Beſtialitaͤt, nicht maskirt durch den kalten Stahl, eher inne werden und das oͤftere Zuſammentreffen ſcheuen. Von dieſer Zeit an trafen wir nie wieder zu¬ ſammen; er mochte aus meiner verzweifelten Ent¬ ſchloſſenheit herausgefuͤhlt haben, daß er im Ganzen doch an den Unrechten gerathe und vermied jetzt

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/362>, abgerufen am 22.11.2024.