Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

wort zurück: Sogleich Alles oder Nichts! Nach
Beendigung der Schule, als der Lehrer fort war,
stellte sich der Dämon an der Thür auf, um¬
geben von einer schaulustigen Menge, und wie ich
hinausgehen wollte, vertrat er mir den Weg und
rief: "Seht den Schelm! Er hat den ganzen
Sommer hindurch Geld gestohlen und mich um
fünf Gulden dreißig Kreuzer betrogen! Wißt es
Alle und seht ihn an!" "Ein artiger Schelm,
der grüne Heinrich!" ertönte es nun von meh¬
reren Seiten, ich rief ganz glühend: "Du bist
selbst ein Schelm und Lügner!" Allein ich wurde
überschrien, fünf oder sechs boshafte Burschen,
welche stets einen Gegenstand der Mißhandlung
suchten, schaarten sich um Meierlein, folgten mir
nach und ließen Schimpfworte ertönen, bis ich
in meinem Hause war. Von jetzt an wieder¬
holten sich solche Vorgänge beinahe täglich; Meier¬
lein warb sich eine förmliche Verbindung zusam¬
men und wo ich ging, hörte ich irgend einen
Ruf hinter mir. Ich hatte mein renommistisches
Benehmen schon verloren und war wieder unge¬
schickt und blöde geworden; das reizte den Muth¬

wort zuruͤck: Sogleich Alles oder Nichts! Nach
Beendigung der Schule, als der Lehrer fort war,
ſtellte ſich der Daͤmon an der Thuͤr auf, um¬
geben von einer ſchauluſtigen Menge, und wie ich
hinausgehen wollte, vertrat er mir den Weg und
rief: »Seht den Schelm! Er hat den ganzen
Sommer hindurch Geld geſtohlen und mich um
fuͤnf Gulden dreißig Kreuzer betrogen! Wißt es
Alle und ſeht ihn an!« »Ein artiger Schelm,
der gruͤne Heinrich!« ertoͤnte es nun von meh¬
reren Seiten, ich rief ganz gluͤhend: »Du biſt
ſelbſt ein Schelm und Luͤgner!« Allein ich wurde
uͤberſchrien, fuͤnf oder ſechs boshafte Burſchen,
welche ſtets einen Gegenſtand der Mißhandlung
ſuchten, ſchaarten ſich um Meierlein, folgten mir
nach und ließen Schimpfworte ertoͤnen, bis ich
in meinem Hauſe war. Von jetzt an wieder¬
holten ſich ſolche Vorgaͤnge beinahe taͤglich; Meier¬
lein warb ſich eine foͤrmliche Verbindung zuſam¬
men und wo ich ging, hoͤrte ich irgend einen
Ruf hinter mir. Ich hatte mein renommiſtiſches
Benehmen ſchon verloren und war wieder unge¬
ſchickt und bloͤde geworden; das reizte den Muth¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0356" n="342"/>
wort zuru&#x0364;ck: Sogleich Alles oder Nichts! Nach<lb/>
Beendigung der Schule, als der Lehrer fort war,<lb/>
&#x017F;tellte &#x017F;ich der Da&#x0364;mon an der Thu&#x0364;r auf, um¬<lb/>
geben von einer &#x017F;chaulu&#x017F;tigen Menge, und wie ich<lb/>
hinausgehen wollte, vertrat er mir den Weg und<lb/>
rief: »Seht den Schelm! Er hat den ganzen<lb/>
Sommer hindurch Geld ge&#x017F;tohlen und mich um<lb/>
fu&#x0364;nf Gulden dreißig Kreuzer betrogen! Wißt es<lb/>
Alle und &#x017F;eht ihn an!« »Ein artiger Schelm,<lb/>
der gru&#x0364;ne Heinrich!« erto&#x0364;nte es nun von meh¬<lb/>
reren Seiten, ich rief ganz glu&#x0364;hend: »Du bi&#x017F;t<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ein Schelm und Lu&#x0364;gner!« Allein ich wurde<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;chrien, fu&#x0364;nf oder &#x017F;echs boshafte Bur&#x017F;chen,<lb/>
welche &#x017F;tets einen Gegen&#x017F;tand der Mißhandlung<lb/>
&#x017F;uchten, &#x017F;chaarten &#x017F;ich um Meierlein, folgten mir<lb/>
nach und ließen Schimpfworte erto&#x0364;nen, bis ich<lb/>
in meinem Hau&#x017F;e war. Von jetzt an wieder¬<lb/>
holten &#x017F;ich &#x017F;olche Vorga&#x0364;nge beinahe ta&#x0364;glich; Meier¬<lb/>
lein warb &#x017F;ich eine fo&#x0364;rmliche Verbindung zu&#x017F;am¬<lb/>
men und wo ich ging, ho&#x0364;rte ich irgend einen<lb/>
Ruf hinter mir. Ich hatte mein renommi&#x017F;ti&#x017F;ches<lb/>
Benehmen &#x017F;chon verloren und war wieder unge¬<lb/>
&#x017F;chickt und blo&#x0364;de geworden; das reizte den Muth¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[342/0356] wort zuruͤck: Sogleich Alles oder Nichts! Nach Beendigung der Schule, als der Lehrer fort war, ſtellte ſich der Daͤmon an der Thuͤr auf, um¬ geben von einer ſchauluſtigen Menge, und wie ich hinausgehen wollte, vertrat er mir den Weg und rief: »Seht den Schelm! Er hat den ganzen Sommer hindurch Geld geſtohlen und mich um fuͤnf Gulden dreißig Kreuzer betrogen! Wißt es Alle und ſeht ihn an!« »Ein artiger Schelm, der gruͤne Heinrich!« ertoͤnte es nun von meh¬ reren Seiten, ich rief ganz gluͤhend: »Du biſt ſelbſt ein Schelm und Luͤgner!« Allein ich wurde uͤberſchrien, fuͤnf oder ſechs boshafte Burſchen, welche ſtets einen Gegenſtand der Mißhandlung ſuchten, ſchaarten ſich um Meierlein, folgten mir nach und ließen Schimpfworte ertoͤnen, bis ich in meinem Hauſe war. Von jetzt an wieder¬ holten ſich ſolche Vorgaͤnge beinahe taͤglich; Meier¬ lein warb ſich eine foͤrmliche Verbindung zuſam¬ men und wo ich ging, hoͤrte ich irgend einen Ruf hinter mir. Ich hatte mein renommiſtiſches Benehmen ſchon verloren und war wieder unge¬ ſchickt und bloͤde geworden; das reizte den Muth¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/356
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/356>, abgerufen am 22.11.2024.