keit beschlich mich, welche Meierlein durchaus nicht zu stören schien; vielmehr nahm er selber einen elegischen Ton an, ungefähr wie er Abraham überkommen haben mochte, als er mit seinem Sohne Isaak den vermeintlich letzten Gang that. Nach einiger Zeit wiederholte er seine Mahnung, diesmal mit Entschiedenheit, doch nicht unfreund¬ lich, sondern mit einer gewissen Wehmuth und väterlichem Ernste. Nun erschrack ich und fühlte eine heftige Beklemmung, indessen ich versprach, die Sache abzumachen. Jedoch konnte ich mich nicht ermannen, die Summe zu entnehmen und verlor selbst den Muth, meine gewöhnlichen Ein¬ griffe fortzusetzen. Das Gefühl meiner Lage hatte sich jetzt ganz ausgebildet, ich schlich trübselig umher und wagte nicht zu denken, was nun kommen sollte. Ich fühlte eine beängstigende Ab¬ hängigkeit gegen meinen Freund, seine Gegenwart war mir drückend, seine Abwesenheit aber pein¬ lich, da es mich immer zu ihm hintrieb, um nicht allein zu sein und vielleicht eine Gelegenheit zu finden, ihm Alles zu gestehen und bei seiner Ver¬ nunft und Einsicht Rath und Trost zu finden.
keit beſchlich mich, welche Meierlein durchaus nicht zu ſtoͤren ſchien; vielmehr nahm er ſelber einen elegiſchen Ton an, ungefaͤhr wie er Abraham uͤberkommen haben mochte, als er mit ſeinem Sohne Iſaak den vermeintlich letzten Gang that. Nach einiger Zeit wiederholte er ſeine Mahnung, diesmal mit Entſchiedenheit, doch nicht unfreund¬ lich, ſondern mit einer gewiſſen Wehmuth und vaͤterlichem Ernſte. Nun erſchrack ich und fuͤhlte eine heftige Beklemmung, indeſſen ich verſprach, die Sache abzumachen. Jedoch konnte ich mich nicht ermannen, die Summe zu entnehmen und verlor ſelbſt den Muth, meine gewoͤhnlichen Ein¬ griffe fortzuſetzen. Das Gefuͤhl meiner Lage hatte ſich jetzt ganz ausgebildet, ich ſchlich truͤbſelig umher und wagte nicht zu denken, was nun kommen ſollte. Ich fuͤhlte eine beaͤngſtigende Ab¬ haͤngigkeit gegen meinen Freund, ſeine Gegenwart war mir druͤckend, ſeine Abweſenheit aber pein¬ lich, da es mich immer zu ihm hintrieb, um nicht allein zu ſein und vielleicht eine Gelegenheit zu finden, ihm Alles zu geſtehen und bei ſeiner Ver¬ nunft und Einſicht Rath und Troſt zu finden.
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keit beſchlich mich, welche Meierlein durchaus nicht
zu ſtoͤren ſchien; vielmehr nahm er ſelber einen
elegiſchen Ton an, ungefaͤhr wie er Abraham
uͤberkommen haben mochte, als er mit ſeinem
Sohne Iſaak den vermeintlich letzten Gang that.
Nach einiger Zeit wiederholte er ſeine Mahnung,
diesmal mit Entſchiedenheit, doch nicht unfreund¬
lich, ſondern mit einer gewiſſen Wehmuth und
vaͤterlichem Ernſte. Nun erſchrack ich und fuͤhlte
eine heftige Beklemmung, indeſſen ich verſprach,
die Sache abzumachen. Jedoch konnte ich mich
nicht ermannen, die Summe zu entnehmen und
verlor ſelbſt den Muth, meine gewoͤhnlichen Ein¬
griffe fortzuſetzen. Das Gefuͤhl meiner Lage hatte
ſich jetzt ganz ausgebildet, ich ſchlich truͤbſelig
umher und wagte nicht zu denken, was nun
kommen ſollte. Ich fuͤhlte eine beaͤngſtigende Ab¬
haͤngigkeit gegen meinen Freund, ſeine Gegenwart
war mir druͤckend, ſeine Abweſenheit aber pein¬
lich, da es mich immer zu ihm hintrieb, um nicht
allein zu ſein und vielleicht eine Gelegenheit zu
finden, ihm Alles zu geſtehen und bei ſeiner Ver¬
nunft und Einſicht Rath und Troſt zu finden.
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/344>, abgerufen am 22.11.2024.
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