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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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war er ein zuverlässiger und kurzweiliger Gesell,
gesucht und nützlich, fing wenig Streit an, aber
focht einen solchen höchst hartnäckig aus und war
daher um so respectirter, als er immer wohlbe¬
dächtig auf der Seite stand, wo das wirkliche
oder scheinbare Recht ersichtlich war.

Er war anderthalb Jahre älter als ich, hatte
sich indessen enger an mich geschlossen, als alle
Uebrigen, so daß wir eine besondere Freundschaft
bildeten und jeden freien Augenblick beisammen
waren. Er ergänzte mich vortrefflich und sagte
mir daher sehr zu. Meine Unternehmungen gin¬
gen immer auf das Phantastische, Bunte und
Wirksame aus, während er durch Genauigkeit
und Dauerhaftigkeit der mechanischen Arbeit mei¬
nen flüchtigen und rohen Entwürfen Nutzen und
Ordnung verlieh. Meierlein ließ mein Geheim¬
niß ebenso vorsichtig bestehen, wie die Anderen,
obwohl es für seine verständige Aufmerksamkeit
noch weniger Eines sein konnte; doch ließ er nicht
ebenso zwischendurch seine Einsicht ahnen, sondern
bestrebte sich vielmehr, mich von den zu leichtsin¬
nigen Ausgaben abzuhalten und meine Wünsche

war er ein zuverlaͤſſiger und kurzweiliger Geſell,
geſucht und nuͤtzlich, fing wenig Streit an, aber
focht einen ſolchen hoͤchſt hartnaͤckig aus und war
daher um ſo reſpectirter, als er immer wohlbe¬
daͤchtig auf der Seite ſtand, wo das wirkliche
oder ſcheinbare Recht erſichtlich war.

Er war anderthalb Jahre aͤlter als ich, hatte
ſich indeſſen enger an mich geſchloſſen, als alle
Uebrigen, ſo daß wir eine beſondere Freundſchaft
bildeten und jeden freien Augenblick beiſammen
waren. Er ergaͤnzte mich vortrefflich und ſagte
mir daher ſehr zu. Meine Unternehmungen gin¬
gen immer auf das Phantaſtiſche, Bunte und
Wirkſame aus, waͤhrend er durch Genauigkeit
und Dauerhaftigkeit der mechaniſchen Arbeit mei¬
nen fluͤchtigen und rohen Entwuͤrfen Nutzen und
Ordnung verlieh. Meierlein ließ mein Geheim¬
niß ebenſo vorſichtig beſtehen, wie die Anderen,
obwohl es fuͤr ſeine verſtaͤndige Aufmerkſamkeit
noch weniger Eines ſein konnte; doch ließ er nicht
ebenſo zwiſchendurch ſeine Einſicht ahnen, ſondern
beſtrebte ſich vielmehr, mich von den zu leichtſin¬
nigen Ausgaben abzuhalten und meine Wuͤnſche

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[326/0340] war er ein zuverlaͤſſiger und kurzweiliger Geſell, geſucht und nuͤtzlich, fing wenig Streit an, aber focht einen ſolchen hoͤchſt hartnaͤckig aus und war daher um ſo reſpectirter, als er immer wohlbe¬ daͤchtig auf der Seite ſtand, wo das wirkliche oder ſcheinbare Recht erſichtlich war. Er war anderthalb Jahre aͤlter als ich, hatte ſich indeſſen enger an mich geſchloſſen, als alle Uebrigen, ſo daß wir eine beſondere Freundſchaft bildeten und jeden freien Augenblick beiſammen waren. Er ergaͤnzte mich vortrefflich und ſagte mir daher ſehr zu. Meine Unternehmungen gin¬ gen immer auf das Phantaſtiſche, Bunte und Wirkſame aus, waͤhrend er durch Genauigkeit und Dauerhaftigkeit der mechaniſchen Arbeit mei¬ nen fluͤchtigen und rohen Entwuͤrfen Nutzen und Ordnung verlieh. Meierlein ließ mein Geheim¬ niß ebenſo vorſichtig beſtehen, wie die Anderen, obwohl es fuͤr ſeine verſtaͤndige Aufmerkſamkeit noch weniger Eines ſein konnte; doch ließ er nicht ebenſo zwiſchendurch ſeine Einſicht ahnen, ſondern beſtrebte ſich vielmehr, mich von den zu leichtſin¬ nigen Ausgaben abzuhalten und meine Wuͤnſche

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/340>, abgerufen am 25.11.2024.