Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

Größe, in der renommirtesten Gesellschaft unserer
Stadt zu sehen war, weckte alle neuen Erinne¬
rungen wieder, die Nachklänge des Festes gaben
Gelegenheit, den Rest meiner Barschaft anzubrin¬
gen und dagegen erneute Lorbeeren einzutauschen.
Für einen der nächsten Sonntage wurde ein
großer Spaziergang verabredet, welches wieder
eine Demonstration gegen die Feinspinner wer¬
den sollte. In meinem Leichtsinn hatte ich nicht
bedacht, woher ich die nöthigen Mittel nehmen
solle, also auch keinen Vorsatz gefaßt, als aber
der Augenblick da war, griff ich wieder in den
Schrein, ohne etwas Anderes zu fühlen, als das
zwingende Bedürfniß und eine Art dunklen Ent¬
schlusses, daß es das letzte Mal sein solle.

So ging es den ganzen kurzen Sommer hin¬
durch. Die veranlassende Laune war längst ver¬
flogen, die Theilnehmer hatten sich dem ordent¬
lichen Lauf der Dinge wieder gefügt, auch über
mich hätten Maß und Bescheidenheit ihre Herr¬
schaft wieder gewonnen, wenn nicht eine andere
Leidenschaft aus der Sache erwachsen wäre, näm¬
lich die des unbeschränkten Geldausgebens, der

I. 21

Groͤße, in der renommirteſten Geſellſchaft unſerer
Stadt zu ſehen war, weckte alle neuen Erinne¬
rungen wieder, die Nachklaͤnge des Feſtes gaben
Gelegenheit, den Reſt meiner Barſchaft anzubrin¬
gen und dagegen erneute Lorbeeren einzutauſchen.
Fuͤr einen der naͤchſten Sonntage wurde ein
großer Spaziergang verabredet, welches wieder
eine Demonſtration gegen die Feinſpinner wer¬
den ſollte. In meinem Leichtſinn hatte ich nicht
bedacht, woher ich die noͤthigen Mittel nehmen
ſolle, alſo auch keinen Vorſatz gefaßt, als aber
der Augenblick da war, griff ich wieder in den
Schrein, ohne etwas Anderes zu fuͤhlen, als das
zwingende Beduͤrfniß und eine Art dunklen Ent¬
ſchluſſes, daß es das letzte Mal ſein ſolle.

So ging es den ganzen kurzen Sommer hin¬
durch. Die veranlaſſende Laune war laͤngſt ver¬
flogen, die Theilnehmer hatten ſich dem ordent¬
lichen Lauf der Dinge wieder gefuͤgt, auch uͤber
mich haͤtten Maß und Beſcheidenheit ihre Herr¬
ſchaft wieder gewonnen, wenn nicht eine andere
Leidenſchaft aus der Sache erwachſen waͤre, naͤm¬
lich die des unbeſchraͤnkten Geldausgebens, der

I. 21
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0335" n="321"/>
Gro&#x0364;ße, in der renommirte&#x017F;ten Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft un&#x017F;erer<lb/>
Stadt zu &#x017F;ehen war, weckte alle neuen Erinne¬<lb/>
rungen wieder, die Nachkla&#x0364;nge des Fe&#x017F;tes gaben<lb/>
Gelegenheit, den Re&#x017F;t meiner Bar&#x017F;chaft anzubrin¬<lb/>
gen und dagegen erneute Lorbeeren einzutau&#x017F;chen.<lb/>
Fu&#x0364;r einen der na&#x0364;ch&#x017F;ten Sonntage wurde ein<lb/>
großer Spaziergang verabredet, welches wieder<lb/>
eine Demon&#x017F;tration gegen die Fein&#x017F;pinner wer¬<lb/>
den &#x017F;ollte. In meinem Leicht&#x017F;inn hatte ich nicht<lb/>
bedacht, woher ich die no&#x0364;thigen Mittel nehmen<lb/>
&#x017F;olle, al&#x017F;o auch keinen Vor&#x017F;atz gefaßt, als aber<lb/>
der Augenblick da war, griff ich wieder in den<lb/>
Schrein, ohne etwas Anderes zu fu&#x0364;hlen, als das<lb/>
zwingende Bedu&#x0364;rfniß und eine Art dunklen Ent¬<lb/>
&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es, daß es das letzte Mal &#x017F;ein &#x017F;olle.</p><lb/>
        <p>So ging es den ganzen kurzen Sommer hin¬<lb/>
durch. Die veranla&#x017F;&#x017F;ende Laune war la&#x0364;ng&#x017F;t ver¬<lb/>
flogen, die Theilnehmer hatten &#x017F;ich dem ordent¬<lb/>
lichen Lauf der Dinge wieder gefu&#x0364;gt, auch u&#x0364;ber<lb/>
mich ha&#x0364;tten Maß und Be&#x017F;cheidenheit ihre Herr¬<lb/>
&#x017F;chaft wieder gewonnen, wenn nicht eine andere<lb/>
Leiden&#x017F;chaft aus der Sache erwach&#x017F;en wa&#x0364;re, na&#x0364;<lb/>
lich die des unbe&#x017F;chra&#x0364;nkten Geldausgebens, der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">I</hi>. 21<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[321/0335] Groͤße, in der renommirteſten Geſellſchaft unſerer Stadt zu ſehen war, weckte alle neuen Erinne¬ rungen wieder, die Nachklaͤnge des Feſtes gaben Gelegenheit, den Reſt meiner Barſchaft anzubrin¬ gen und dagegen erneute Lorbeeren einzutauſchen. Fuͤr einen der naͤchſten Sonntage wurde ein großer Spaziergang verabredet, welches wieder eine Demonſtration gegen die Feinſpinner wer¬ den ſollte. In meinem Leichtſinn hatte ich nicht bedacht, woher ich die noͤthigen Mittel nehmen ſolle, alſo auch keinen Vorſatz gefaßt, als aber der Augenblick da war, griff ich wieder in den Schrein, ohne etwas Anderes zu fuͤhlen, als das zwingende Beduͤrfniß und eine Art dunklen Ent¬ ſchluſſes, daß es das letzte Mal ſein ſolle. So ging es den ganzen kurzen Sommer hin¬ durch. Die veranlaſſende Laune war laͤngſt ver¬ flogen, die Theilnehmer hatten ſich dem ordent¬ lichen Lauf der Dinge wieder gefuͤgt, auch uͤber mich haͤtten Maß und Beſcheidenheit ihre Herr¬ ſchaft wieder gewonnen, wenn nicht eine andere Leidenſchaft aus der Sache erwachſen waͤre, naͤm¬ lich die des unbeſchraͤnkten Geldausgebens, der I. 21

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/335
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/335>, abgerufen am 23.11.2024.