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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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schnell verschwand, wie ein flüchtiger Regenschauer
im heißen durstigen Erdreiche versiegt. Wir sahen
uns nun vereinzelt in die Mitte häuslicher Wirth¬
lichkeit versetzt als Gegenstand des festlichsten
Wohlwollens und belohnten diese Gastfreund¬
schaft dadurch, daß wir, als ob wir in Feindes¬
land wären, beim Schlafengehen unsere Flintchen
mitnahmen und neben die großen Gastbetten stellten,
welche zu ersteigen wir alle unsere Turnerkünste
aufbieten mußten.

Das Fest des anderen Tages erfüllte alle Er¬
wartungen. Der Wetteifer ließ beide Parteien
bei den Uebungen gleich wohl bestehen; gegen
die Percussionsgewehre unserer Nebenbuhler aber
hatten wir einen anderen Trumpf auszuspielen.
Indem ihre Artillerie nämlich nur blind zu
schießen gewohnt war und keine Kugeln kannte,
schoß die unserige so geschickt nach dem Ziele, daß
das bei solcher Gelegenheit stehende Sprüchwort:
"die Kleinen machten es wahrlich besser, denn
die Großen!" diesmal nicht ganz unrichtig war
und die Nachbaren dem ernsthaften Richten der
Geschütze verwundert zuschauten.

ſchnell verſchwand, wie ein fluͤchtiger Regenſchauer
im heißen durſtigen Erdreiche verſiegt. Wir ſahen
uns nun vereinzelt in die Mitte haͤuslicher Wirth¬
lichkeit verſetzt als Gegenſtand des feſtlichſten
Wohlwollens und belohnten dieſe Gaſtfreund¬
ſchaft dadurch, daß wir, als ob wir in Feindes¬
land waͤren, beim Schlafengehen unſere Flintchen
mitnahmen und neben die großen Gaſtbetten ſtellten,
welche zu erſteigen wir alle unſere Turnerkuͤnſte
aufbieten mußten.

Das Feſt des anderen Tages erfuͤllte alle Er¬
wartungen. Der Wetteifer ließ beide Parteien
bei den Uebungen gleich wohl beſtehen; gegen
die Percuſſionsgewehre unſerer Nebenbuhler aber
hatten wir einen anderen Trumpf auszuſpielen.
Indem ihre Artillerie naͤmlich nur blind zu
ſchießen gewohnt war und keine Kugeln kannte,
ſchoß die unſerige ſo geſchickt nach dem Ziele, daß
das bei ſolcher Gelegenheit ſtehende Spruͤchwort:
»die Kleinen machten es wahrlich beſſer, denn
die Großen!« diesmal nicht ganz unrichtig war
und die Nachbaren dem ernſthaften Richten der
Geſchuͤtze verwundert zuſchauten.

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[315/0329] ſchnell verſchwand, wie ein fluͤchtiger Regenſchauer im heißen durſtigen Erdreiche verſiegt. Wir ſahen uns nun vereinzelt in die Mitte haͤuslicher Wirth¬ lichkeit verſetzt als Gegenſtand des feſtlichſten Wohlwollens und belohnten dieſe Gaſtfreund¬ ſchaft dadurch, daß wir, als ob wir in Feindes¬ land waͤren, beim Schlafengehen unſere Flintchen mitnahmen und neben die großen Gaſtbetten ſtellten, welche zu erſteigen wir alle unſere Turnerkuͤnſte aufbieten mußten. Das Feſt des anderen Tages erfuͤllte alle Er¬ wartungen. Der Wetteifer ließ beide Parteien bei den Uebungen gleich wohl beſtehen; gegen die Percuſſionsgewehre unſerer Nebenbuhler aber hatten wir einen anderen Trumpf auszuſpielen. Indem ihre Artillerie naͤmlich nur blind zu ſchießen gewohnt war und keine Kugeln kannte, ſchoß die unſerige ſo geſchickt nach dem Ziele, daß das bei ſolcher Gelegenheit ſtehende Spruͤchwort: »die Kleinen machten es wahrlich beſſer, denn die Großen!« diesmal nicht ganz unrichtig war und die Nachbaren dem ernſthaften Richten der Geſchuͤtze verwundert zuſchauten.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/329>, abgerufen am 22.11.2024.