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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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erschreckte mich das Zucken des zerstörten Orga¬
nismus und ich mußte inne halten. Ich eilte in
den Hof hinunter, machte eine Grube unter den
Vogelbeerbäumchen, worin ich die ganze Samm¬
lung, todte, halbtodte und lebende, in ihren Ka¬
sten kopfüber warf und eilig verscharrte. Meine
Mutter sagte, als sie es sah, ich hätte die Thiere
nur wieder ins Freie tragen sollen, wo ich sie
geholt hätte, vielleicht wären sie dort wieder ge¬
sund geworden. Ich sah dies ein und bereute
meine That: der Rasenplatz war aber lange eine
schauerliche Stätte für mich, und ich wagte nie
jener kindlichen Neugierde zu gehorchen, welche
es immer antreibt, etwas Vergrabenes wieder
auszugraben und anzusehen.

Bei Frau Margreth that sich mir die nächste
Spielerei auf. In einer verrückten, markt¬
schreierischen Theosophie, welche ich unter ihren
Büchern fand, war eine Anweisung enthalten,
die vier Elemente zu veranschaulichen, nebst an¬
dern kindischen Experimenten und den dazu ge¬
hörigen Tafeln. Nach diesen Vorschriften nahm
ich eine große Phiole, füllte sie zum Viertheile

erſchreckte mich das Zucken des zerſtoͤrten Orga¬
nismus und ich mußte inne halten. Ich eilte in
den Hof hinunter, machte eine Grube unter den
Vogelbeerbaͤumchen, worin ich die ganze Samm¬
lung, todte, halbtodte und lebende, in ihren Ka¬
ſten kopfuͤber warf und eilig verſcharrte. Meine
Mutter ſagte, als ſie es ſah, ich haͤtte die Thiere
nur wieder ins Freie tragen ſollen, wo ich ſie
geholt haͤtte, vielleicht waͤren ſie dort wieder ge¬
ſund geworden. Ich ſah dies ein und bereute
meine That: der Raſenplatz war aber lange eine
ſchauerliche Staͤtte fuͤr mich, und ich wagte nie
jener kindlichen Neugierde zu gehorchen, welche
es immer antreibt, etwas Vergrabenes wieder
auszugraben und anzuſehen.

Bei Frau Margreth that ſich mir die naͤchſte
Spielerei auf. In einer verruͤckten, markt¬
ſchreieriſchen Theoſophie, welche ich unter ihren
Buͤchern fand, war eine Anweiſung enthalten,
die vier Elemente zu veranſchaulichen, nebſt an¬
dern kindiſchen Experimenten und den dazu ge¬
hoͤrigen Tafeln. Nach dieſen Vorſchriften nahm
ich eine große Phiole, fuͤllte ſie zum Viertheile

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[250/0264] erſchreckte mich das Zucken des zerſtoͤrten Orga¬ nismus und ich mußte inne halten. Ich eilte in den Hof hinunter, machte eine Grube unter den Vogelbeerbaͤumchen, worin ich die ganze Samm¬ lung, todte, halbtodte und lebende, in ihren Ka¬ ſten kopfuͤber warf und eilig verſcharrte. Meine Mutter ſagte, als ſie es ſah, ich haͤtte die Thiere nur wieder ins Freie tragen ſollen, wo ich ſie geholt haͤtte, vielleicht waͤren ſie dort wieder ge¬ ſund geworden. Ich ſah dies ein und bereute meine That: der Raſenplatz war aber lange eine ſchauerliche Staͤtte fuͤr mich, und ich wagte nie jener kindlichen Neugierde zu gehorchen, welche es immer antreibt, etwas Vergrabenes wieder auszugraben und anzuſehen. Bei Frau Margreth that ſich mir die naͤchſte Spielerei auf. In einer verruͤckten, markt¬ ſchreieriſchen Theoſophie, welche ich unter ihren Buͤchern fand, war eine Anweiſung enthalten, die vier Elemente zu veranſchaulichen, nebſt an¬ dern kindiſchen Experimenten und den dazu ge¬ hoͤrigen Tafeln. Nach dieſen Vorſchriften nahm ich eine große Phiole, fuͤllte ſie zum Viertheile

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/264>, abgerufen am 22.11.2024.