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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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der Fluß lagen noch im Schatten und letzterer
ging tief grün, und bloß die länglich ziehenden
Spiegel seiner Wellen warfen von ihren glatte¬
sten Stellen etwas Blau zurück.

Heinrich Lee sah in seine Vaterstadt hinüber.
Die alte Kirche badete im Morgenschein, hie und
da blitzte auch ein geöffnetes Fenster, ein Kind
schaute heraus und sang, und man konnte aus
der Tiefe der Stube die Mutter sprechen hören,
die es zum Waschen rief. Die vielen Gäßchen,
durch mannigfaltiges steinernes Treppenwerk un¬
terbrochen und verbunden, lagen noch alle im
Schatten und nur wenige freiere Kinderspielplätze
leuchteten bestreift aus dem Dunkel. Auf allen
diesen Stufen und Geländern hatte Heinrich ge¬
sessen und gesprungen, und die Kinderzeit dünkte
ihm noch vor der Thüre des gestrigen Abends
zu liegen. Schnell ließ er seine Augen treppauf
und ab in allen Winkeln der Stadt herum sprin¬
gen, die traulichen Kinderplätze waren alle still
und leer, wie Kirchenstühle am Werktag. Das
einzige Geräusch kam noch vom großen Stadt¬
brunnen, dessen vier Röhren man durch den

der Fluß lagen noch im Schatten und letzterer
ging tief gruͤn, und bloß die laͤnglich ziehenden
Spiegel ſeiner Wellen warfen von ihren glatte¬
ſten Stellen etwas Blau zuruͤck.

Heinrich Lee ſah in ſeine Vaterſtadt hinuͤber.
Die alte Kirche badete im Morgenſchein, hie und
da blitzte auch ein geoͤffnetes Fenſter, ein Kind
ſchaute heraus und ſang, und man konnte aus
der Tiefe der Stube die Mutter ſprechen hoͤren,
die es zum Waſchen rief. Die vielen Gaͤßchen,
durch mannigfaltiges ſteinernes Treppenwerk un¬
terbrochen und verbunden, lagen noch alle im
Schatten und nur wenige freiere Kinderſpielplaͤtze
leuchteten beſtreift aus dem Dunkel. Auf allen
dieſen Stufen und Gelaͤndern hatte Heinrich ge¬
ſeſſen und geſprungen, und die Kinderzeit duͤnkte
ihm noch vor der Thuͤre des geſtrigen Abends
zu liegen. Schnell ließ er ſeine Augen treppauf
und ab in allen Winkeln der Stadt herum ſprin¬
gen, die traulichen Kinderplaͤtze waren alle ſtill
und leer, wie Kirchenſtuͤhle am Werktag. Das
einzige Geraͤuſch kam noch vom großen Stadt¬
brunnen, deſſen vier Roͤhren man durch den

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[12/0026] der Fluß lagen noch im Schatten und letzterer ging tief gruͤn, und bloß die laͤnglich ziehenden Spiegel ſeiner Wellen warfen von ihren glatte¬ ſten Stellen etwas Blau zuruͤck. Heinrich Lee ſah in ſeine Vaterſtadt hinuͤber. Die alte Kirche badete im Morgenſchein, hie und da blitzte auch ein geoͤffnetes Fenſter, ein Kind ſchaute heraus und ſang, und man konnte aus der Tiefe der Stube die Mutter ſprechen hoͤren, die es zum Waſchen rief. Die vielen Gaͤßchen, durch mannigfaltiges ſteinernes Treppenwerk un¬ terbrochen und verbunden, lagen noch alle im Schatten und nur wenige freiere Kinderſpielplaͤtze leuchteten beſtreift aus dem Dunkel. Auf allen dieſen Stufen und Gelaͤndern hatte Heinrich ge¬ ſeſſen und geſprungen, und die Kinderzeit duͤnkte ihm noch vor der Thuͤre des geſtrigen Abends zu liegen. Schnell ließ er ſeine Augen treppauf und ab in allen Winkeln der Stadt herum ſprin¬ gen, die traulichen Kinderplaͤtze waren alle ſtill und leer, wie Kirchenſtuͤhle am Werktag. Das einzige Geraͤuſch kam noch vom großen Stadt¬ brunnen, deſſen vier Roͤhren man durch den

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/26>, abgerufen am 24.11.2024.