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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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auf der Gasse bald eine bekannte Figur und be¬
nutzte meine grüne Popularität zur steten Fort¬
setzung meiner Beobachtungen und chorartiger
Theilnahme an allem, was geschah und gehan¬
delt wurde. Die thatkräftigen und stimmführen¬
den Größen der Bubenwelt ließen meine Nähe
immer gelten, nahmen mich in Schutz und ent¬
deckten öfter mit wohlwollender Herablassung,
daß ich zu mehrerem zu gebrauchen sei, als es
den Anschein hatte; Einzelne schlossen sich an
mich an und blieben mir dann längere Zeit ge¬
treu in allerlei Bestrebungen. Ich drang mit
den verschiedensten Kindern, je nach Bedürfniß
und Laune, in die elterlichen Häuser und war
als ein vermeintlich stilles gutes Kind gern ge¬
sehen, während ich mir genau den Haushalt und
die Gebräuche der armen Leute ansah und dann
wieder wegblieb, um mich in mein Hauptquar¬
tier bei der Frau Margreth zurückzuziehen, wo
es am Ende immer am meisten zu sehen gab.
Sie freute sich, daß ich bald im Stande war,
nicht nur das Deutsche geläufig vorlesen, sondern
auch die in ihren alten Büchern häufigen latei¬

auf der Gaſſe bald eine bekannte Figur und be¬
nutzte meine gruͤne Popularitaͤt zur ſteten Fort¬
ſetzung meiner Beobachtungen und chorartiger
Theilnahme an allem, was geſchah und gehan¬
delt wurde. Die thatkraͤftigen und ſtimmfuͤhren¬
den Groͤßen der Bubenwelt ließen meine Naͤhe
immer gelten, nahmen mich in Schutz und ent¬
deckten oͤfter mit wohlwollender Herablaſſung,
daß ich zu mehrerem zu gebrauchen ſei, als es
den Anſchein hatte; Einzelne ſchloſſen ſich an
mich an und blieben mir dann laͤngere Zeit ge¬
treu in allerlei Beſtrebungen. Ich drang mit
den verſchiedenſten Kindern, je nach Beduͤrfniß
und Laune, in die elterlichen Haͤuſer und war
als ein vermeintlich ſtilles gutes Kind gern ge¬
ſehen, waͤhrend ich mir genau den Haushalt und
die Gebraͤuche der armen Leute anſah und dann
wieder wegblieb, um mich in mein Hauptquar¬
tier bei der Frau Margreth zuruͤckzuziehen, wo
es am Ende immer am meiſten zu ſehen gab.
Sie freute ſich, daß ich bald im Stande war,
nicht nur das Deutſche gelaͤufig vorleſen, ſondern
auch die in ihren alten Buͤchern haͤufigen latei¬

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[232/0246] auf der Gaſſe bald eine bekannte Figur und be¬ nutzte meine gruͤne Popularitaͤt zur ſteten Fort¬ ſetzung meiner Beobachtungen und chorartiger Theilnahme an allem, was geſchah und gehan¬ delt wurde. Die thatkraͤftigen und ſtimmfuͤhren¬ den Groͤßen der Bubenwelt ließen meine Naͤhe immer gelten, nahmen mich in Schutz und ent¬ deckten oͤfter mit wohlwollender Herablaſſung, daß ich zu mehrerem zu gebrauchen ſei, als es den Anſchein hatte; Einzelne ſchloſſen ſich an mich an und blieben mir dann laͤngere Zeit ge¬ treu in allerlei Beſtrebungen. Ich drang mit den verſchiedenſten Kindern, je nach Beduͤrfniß und Laune, in die elterlichen Haͤuſer und war als ein vermeintlich ſtilles gutes Kind gern ge¬ ſehen, waͤhrend ich mir genau den Haushalt und die Gebraͤuche der armen Leute anſah und dann wieder wegblieb, um mich in mein Hauptquar¬ tier bei der Frau Margreth zuruͤckzuziehen, wo es am Ende immer am meiſten zu ſehen gab. Sie freute ſich, daß ich bald im Stande war, nicht nur das Deutſche gelaͤufig vorleſen, ſondern auch die in ihren alten Buͤchern haͤufigen latei¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/246>, abgerufen am 22.11.2024.