und es ging nach dem Nachtessen nicht am ehr¬ barsten zu. Diese Bauern hatten während einer großen Hungersnoth in den siebziger Jahren ihren Hauptspaß daran, mit zwölf Dreschern in weit geöffneten Scheunen zu dreschen, dazu einen blinden Geiger aufspielen zu lassen, welcher auf einem großem Brote sitzen mußte, und nachher, wenn genug hungrige Bettler vor der Scheune versammelt waren, die grimmigen Hunde in den wehrlosen Haufen zu hetzen. Bemerkenswerth war es, daß der Volksglaube diese reichen Dorf¬ tyrannen vielfach die verbauerten Nachkommen der alten Zwingherren sein ließ, unter welchen man alle ehemaligen Bewohner der vielen Bur¬ gen und Thürme verstand, die im Lande zer¬ streut waren. Ein anderes ergiebiges Feld für abenteuerliche Kunden war der Katholicismus mit seinen hinterlassenen leeren Klosterräumen und den noch lebendigen Klöstern, welche etwa in der katholisch gebliebenen Nachbarschaft sich befanden. Dazu trugen die Ordensgeistlichen der letztern Vieles bei, besonders die Kapuziner, welche sich heute noch mit den Scharfrichtern
und es ging nach dem Nachteſſen nicht am ehr¬ barſten zu. Dieſe Bauern hatten waͤhrend einer großen Hungersnoth in den ſiebziger Jahren ihren Hauptſpaß daran, mit zwoͤlf Dreſchern in weit geoͤffneten Scheunen zu dreſchen, dazu einen blinden Geiger aufſpielen zu laſſen, welcher auf einem großem Brote ſitzen mußte, und nachher, wenn genug hungrige Bettler vor der Scheune verſammelt waren, die grimmigen Hunde in den wehrloſen Haufen zu hetzen. Bemerkenswerth war es, daß der Volksglaube dieſe reichen Dorf¬ tyrannen vielfach die verbauerten Nachkommen der alten Zwingherren ſein ließ, unter welchen man alle ehemaligen Bewohner der vielen Bur¬ gen und Thuͤrme verſtand, die im Lande zer¬ ſtreut waren. Ein anderes ergiebiges Feld fuͤr abenteuerliche Kunden war der Katholicismus mit ſeinen hinterlaſſenen leeren Kloſterraͤumen und den noch lebendigen Kloͤſtern, welche etwa in der katholiſch gebliebenen Nachbarſchaft ſich befanden. Dazu trugen die Ordensgeiſtlichen der letztern Vieles bei, beſonders die Kapuziner, welche ſich heute noch mit den Scharfrichtern
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0212"n="198"/>
und es ging nach dem Nachteſſen nicht am ehr¬<lb/>
barſten zu. Dieſe Bauern hatten waͤhrend einer<lb/>
großen Hungersnoth in den ſiebziger Jahren<lb/>
ihren Hauptſpaß daran, mit zwoͤlf Dreſchern in<lb/>
weit geoͤffneten Scheunen zu dreſchen, dazu einen<lb/>
blinden Geiger aufſpielen zu laſſen, welcher auf<lb/>
einem großem Brote ſitzen mußte, und nachher,<lb/>
wenn genug hungrige Bettler vor der Scheune<lb/>
verſammelt waren, die grimmigen Hunde in den<lb/>
wehrloſen Haufen zu hetzen. Bemerkenswerth<lb/>
war es, daß der Volksglaube dieſe reichen Dorf¬<lb/>
tyrannen vielfach die verbauerten Nachkommen<lb/>
der alten Zwingherren ſein ließ, unter welchen<lb/>
man alle ehemaligen Bewohner der vielen Bur¬<lb/>
gen und Thuͤrme verſtand, die im Lande zer¬<lb/>ſtreut waren. Ein anderes ergiebiges Feld fuͤr<lb/>
abenteuerliche Kunden war der Katholicismus<lb/>
mit ſeinen hinterlaſſenen leeren Kloſterraͤumen<lb/>
und den noch lebendigen Kloͤſtern, welche etwa<lb/>
in der katholiſch gebliebenen Nachbarſchaft ſich<lb/>
befanden. Dazu trugen die Ordensgeiſtlichen der<lb/>
letztern Vieles bei, beſonders die Kapuziner,<lb/>
welche ſich heute noch mit den Scharfrichtern<lb/></p></div></body></text></TEI>
[198/0212]
und es ging nach dem Nachteſſen nicht am ehr¬
barſten zu. Dieſe Bauern hatten waͤhrend einer
großen Hungersnoth in den ſiebziger Jahren
ihren Hauptſpaß daran, mit zwoͤlf Dreſchern in
weit geoͤffneten Scheunen zu dreſchen, dazu einen
blinden Geiger aufſpielen zu laſſen, welcher auf
einem großem Brote ſitzen mußte, und nachher,
wenn genug hungrige Bettler vor der Scheune
verſammelt waren, die grimmigen Hunde in den
wehrloſen Haufen zu hetzen. Bemerkenswerth
war es, daß der Volksglaube dieſe reichen Dorf¬
tyrannen vielfach die verbauerten Nachkommen
der alten Zwingherren ſein ließ, unter welchen
man alle ehemaligen Bewohner der vielen Bur¬
gen und Thuͤrme verſtand, die im Lande zer¬
ſtreut waren. Ein anderes ergiebiges Feld fuͤr
abenteuerliche Kunden war der Katholicismus
mit ſeinen hinterlaſſenen leeren Kloſterraͤumen
und den noch lebendigen Kloͤſtern, welche etwa
in der katholiſch gebliebenen Nachbarſchaft ſich
befanden. Dazu trugen die Ordensgeiſtlichen der
letztern Vieles bei, beſonders die Kapuziner,
welche ſich heute noch mit den Scharfrichtern
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/212>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.