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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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in der nächtlichen Straße beschränkt, wenn sie
um Mitternacht oder gegen Morgen ihre In¬
spectionen aus dem Fenster hielt. Ausnahms¬
weise begegnete es ihr noch ein Mal, daß sie ein
kleines Männchen vor der Hausthür entdeckte,
welches, während sie mit scharfen kritischen Augen
dasselbe beobachtete, plötzlich in die Höhe wuchs
bis unter ihr Fenster, daß sie dasselbe kaum
noch zu schlagen und sich in's Bett flüchten
konnte. Hingegen in ihrer Jugend war es leb¬
hafter hergegangen, als sie, besonders noch auf
dem Lande, bei Tag und Nacht durch Feld und
Wald zu gehen hatte. Da waren kopflose Män¬
ner stundenweit ihr zur Seite gegangen und
näher gerückt, je eifriger sie betete, umgehende
Bauern standen auf ihren ehemaligen Grund¬
stücken und streckten flehend die Hand nach ihr
aus, Gehenkte rauschten von hohen Tannen her¬
nieder mit schreckbarem Geheul und liefen ihr
nach, um in den heilsamen Bereich einer guten
Christin zu kommen, und sie schilderte mit er¬
greifenden Worten den peinlichen Zustand, in dem
sie sich befand, wenn sie nicht unterlassen konnte,

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in der naͤchtlichen Straße beſchraͤnkt, wenn ſie
um Mitternacht oder gegen Morgen ihre In¬
ſpectionen aus dem Fenſter hielt. Ausnahms¬
weiſe begegnete es ihr noch ein Mal, daß ſie ein
kleines Maͤnnchen vor der Hausthuͤr entdeckte,
welches, waͤhrend ſie mit ſcharfen kritiſchen Augen
daſſelbe beobachtete, ploͤtzlich in die Hoͤhe wuchs
bis unter ihr Fenſter, daß ſie daſſelbe kaum
noch zu ſchlagen und ſich in's Bett fluͤchten
konnte. Hingegen in ihrer Jugend war es leb¬
hafter hergegangen, als ſie, beſonders noch auf
dem Lande, bei Tag und Nacht durch Feld und
Wald zu gehen hatte. Da waren kopfloſe Maͤn¬
ner ſtundenweit ihr zur Seite gegangen und
naͤher geruͤckt, je eifriger ſie betete, umgehende
Bauern ſtanden auf ihren ehemaligen Grund¬
ſtuͤcken und ſtreckten flehend die Hand nach ihr
aus, Gehenkte rauſchten von hohen Tannen her¬
nieder mit ſchreckbarem Geheul und liefen ihr
nach, um in den heilſamen Bereich einer guten
Chriſtin zu kommen, und ſie ſchilderte mit er¬
greifenden Worten den peinlichen Zuſtand, in dem
ſie ſich befand, wenn ſie nicht unterlaſſen konnte,

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[195/0209] in der naͤchtlichen Straße beſchraͤnkt, wenn ſie um Mitternacht oder gegen Morgen ihre In¬ ſpectionen aus dem Fenſter hielt. Ausnahms¬ weiſe begegnete es ihr noch ein Mal, daß ſie ein kleines Maͤnnchen vor der Hausthuͤr entdeckte, welches, waͤhrend ſie mit ſcharfen kritiſchen Augen daſſelbe beobachtete, ploͤtzlich in die Hoͤhe wuchs bis unter ihr Fenſter, daß ſie daſſelbe kaum noch zu ſchlagen und ſich in's Bett fluͤchten konnte. Hingegen in ihrer Jugend war es leb¬ hafter hergegangen, als ſie, beſonders noch auf dem Lande, bei Tag und Nacht durch Feld und Wald zu gehen hatte. Da waren kopfloſe Maͤn¬ ner ſtundenweit ihr zur Seite gegangen und naͤher geruͤckt, je eifriger ſie betete, umgehende Bauern ſtanden auf ihren ehemaligen Grund¬ ſtuͤcken und ſtreckten flehend die Hand nach ihr aus, Gehenkte rauſchten von hohen Tannen her¬ nieder mit ſchreckbarem Geheul und liefen ihr nach, um in den heilſamen Bereich einer guten Chriſtin zu kommen, und ſie ſchilderte mit er¬ greifenden Worten den peinlichen Zuſtand, in dem ſie ſich befand, wenn ſie nicht unterlaſſen konnte, 13*

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/209>, abgerufen am 24.11.2024.