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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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der Frau Margreth koschern Kaffe kochten oder
sich einen billig erstandenen Fisch bucken. Wenn
die fromm christlichen Frauen ihnen schonend
vorhielten, wie es noch nicht gar zu lange her
sei, seit die Juden doch schlimme Käuze gewesen,
Christenkinder geraubt und getödtet und Brun¬
nen vergiftet hätten, oder wenn Margreth be¬
hauptete, der ewige Jude Ahasverus hätte vor
zwölf Jahren einmal im "rothen Bären" über¬
nachtet, und sie hätte selbst zwei Stunden vor
dem Hause gepaßt, um ihn abreisen zu sehen,
jedoch vergeblich, da er schon vor Tagesanbruch
weiter gewandert sei, dann lächelten die Juden
gar gutmüthig und fein, und ließen sich nicht
aus ihrer guten Laune bringen. Da sie jedoch
ebenfalls Gott fürchteten und eine scharf ausge¬
prägte Religion hatten, so gehörten sie noch eher
in diesen Kreis, als man zwei weitere Personen
darin vermuthet hätte, welche allerdings irgend
anderswo zu suchen waren, als gerade hier; und
doch schienen sie eine Art unentbehrlichen Salzes
für die wunderliche Mischung zu sein. Es waren
dies zwei erklärte Atheisten. Der Eine, ein

der Frau Margreth koſchern Kaffe kochten oder
ſich einen billig erſtandenen Fiſch bucken. Wenn
die fromm chriſtlichen Frauen ihnen ſchonend
vorhielten, wie es noch nicht gar zu lange her
ſei, ſeit die Juden doch ſchlimme Kaͤuze geweſen,
Chriſtenkinder geraubt und getoͤdtet und Brun¬
nen vergiftet haͤtten, oder wenn Margreth be¬
hauptete, der ewige Jude Ahasverus haͤtte vor
zwoͤlf Jahren einmal im »rothen Baͤren« uͤber¬
nachtet, und ſie haͤtte ſelbſt zwei Stunden vor
dem Hauſe gepaßt, um ihn abreiſen zu ſehen,
jedoch vergeblich, da er ſchon vor Tagesanbruch
weiter gewandert ſei, dann laͤchelten die Juden
gar gutmuͤthig und fein, und ließen ſich nicht
aus ihrer guten Laune bringen. Da ſie jedoch
ebenfalls Gott fuͤrchteten und eine ſcharf ausge¬
praͤgte Religion hatten, ſo gehoͤrten ſie noch eher
in dieſen Kreis, als man zwei weitere Perſonen
darin vermuthet haͤtte, welche allerdings irgend
anderswo zu ſuchen waren, als gerade hier; und
doch ſchienen ſie eine Art unentbehrlichen Salzes
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[188/0202] der Frau Margreth koſchern Kaffe kochten oder ſich einen billig erſtandenen Fiſch bucken. Wenn die fromm chriſtlichen Frauen ihnen ſchonend vorhielten, wie es noch nicht gar zu lange her ſei, ſeit die Juden doch ſchlimme Kaͤuze geweſen, Chriſtenkinder geraubt und getoͤdtet und Brun¬ nen vergiftet haͤtten, oder wenn Margreth be¬ hauptete, der ewige Jude Ahasverus haͤtte vor zwoͤlf Jahren einmal im »rothen Baͤren« uͤber¬ nachtet, und ſie haͤtte ſelbſt zwei Stunden vor dem Hauſe gepaßt, um ihn abreiſen zu ſehen, jedoch vergeblich, da er ſchon vor Tagesanbruch weiter gewandert ſei, dann laͤchelten die Juden gar gutmuͤthig und fein, und ließen ſich nicht aus ihrer guten Laune bringen. Da ſie jedoch ebenfalls Gott fuͤrchteten und eine ſcharf ausge¬ praͤgte Religion hatten, ſo gehoͤrten ſie noch eher in dieſen Kreis, als man zwei weitere Perſonen darin vermuthet haͤtte, welche allerdings irgend anderswo zu ſuchen waren, als gerade hier; und doch ſchienen ſie eine Art unentbehrlichen Salzes fuͤr die wunderliche Miſchung zu ſein. Es waren dies zwei erklaͤrte Atheiſten. Der Eine, ein

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/202>, abgerufen am 25.11.2024.