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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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streben, das Evangelium ganz wörtlich zu neh¬
men, neben andern verpöntern Dingen auch diese
Tugend übten, das aufrichtige Wesen nicht satt¬
sam von dem ängstlichen Scheine unterscheiden
konnte.

Im Verlaufe meiner ersten Schuljahre fand
ich nun häufige Gelegenheit, meinen Verkehr mit
Gott zu erweitern, da die kleinen Erlebnisse sich
vermehrten. Ich hatte mich bald in den Welt¬
lauf ergeben und that, wie die andern Kinder,
was ich nicht lassen konnte. Dadurch war ich
abwechselnd zufrieden und gerieth in Bedrängniß,
wie es das Wohlverhalten oder die Vernachlässi¬
gung meiner Pflichten nebst allerhand kindischem
Unfuge mit sich brachten. In jeder übeln Lage
aber rief ich Gott an und betete in meinem In¬
nern in wenigen wohlgesetzten Worten, wenn die
Krisis zu reifen begann, um eine günstige Ent¬
scheidung und um Rettung aus der Gefahr, und
ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich
immer entweder das Unmögliche oder das Unge¬
rechte verlangte. Oft war es der Fall, daß meine

ſtreben, das Evangelium ganz woͤrtlich zu neh¬
men, neben andern verpoͤntern Dingen auch dieſe
Tugend uͤbten, das aufrichtige Weſen nicht ſatt¬
ſam von dem aͤngſtlichen Scheine unterſcheiden
konnte.

Im Verlaufe meiner erſten Schuljahre fand
ich nun haͤufige Gelegenheit, meinen Verkehr mit
Gott zu erweitern, da die kleinen Erlebniſſe ſich
vermehrten. Ich hatte mich bald in den Welt¬
lauf ergeben und that, wie die andern Kinder,
was ich nicht laſſen konnte. Dadurch war ich
abwechſelnd zufrieden und gerieth in Bedraͤngniß,
wie es das Wohlverhalten oder die Vernachlaͤſſi¬
gung meiner Pflichten nebſt allerhand kindiſchem
Unfuge mit ſich brachten. In jeder uͤbeln Lage
aber rief ich Gott an und betete in meinem In¬
nern in wenigen wohlgeſetzten Worten, wenn die
Kriſis zu reifen begann, um eine guͤnſtige Ent¬
ſcheidung und um Rettung aus der Gefahr, und
ich muß zu meiner Schande geſtehen, daß ich
immer entweder das Unmoͤgliche oder das Unge¬
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[143/0157] ſtreben, das Evangelium ganz woͤrtlich zu neh¬ men, neben andern verpoͤntern Dingen auch dieſe Tugend uͤbten, das aufrichtige Weſen nicht ſatt¬ ſam von dem aͤngſtlichen Scheine unterſcheiden konnte. Im Verlaufe meiner erſten Schuljahre fand ich nun haͤufige Gelegenheit, meinen Verkehr mit Gott zu erweitern, da die kleinen Erlebniſſe ſich vermehrten. Ich hatte mich bald in den Welt¬ lauf ergeben und that, wie die andern Kinder, was ich nicht laſſen konnte. Dadurch war ich abwechſelnd zufrieden und gerieth in Bedraͤngniß, wie es das Wohlverhalten oder die Vernachlaͤſſi¬ gung meiner Pflichten nebſt allerhand kindiſchem Unfuge mit ſich brachten. In jeder uͤbeln Lage aber rief ich Gott an und betete in meinem In¬ nern in wenigen wohlgeſetzten Worten, wenn die Kriſis zu reifen begann, um eine guͤnſtige Ent¬ ſcheidung und um Rettung aus der Gefahr, und ich muß zu meiner Schande geſtehen, daß ich immer entweder das Unmoͤgliche oder das Unge¬ rechte verlangte. Oft war es der Fall, daß meine

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/157>, abgerufen am 23.11.2024.