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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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Sehnsucht und Heimweh nach meinem Vater
erfüllt, welchen ich nicht mehr gekannt habe.
Meine deutlichste Erinnerung an ihn fällt sonder¬
barer Weise um ein volles Jahr vor seinem Tode
zurück, auf einen einzelnen schönen Augenblick,
wo er an einem Sonntag Abend auf dem Felde
mich auf den Armen trug, eine Kartoffelstaude
aus der Erde zog und mir die anschwellenden
Knollen zeigte, schon bestrebt, Erkenntniß und
Dankbarkeit gegen den Schöpfer in mir zu er¬
wecken. Ich sehe noch jetzt das grüne Kleid und
die schimmernden Metallknöpfe zunächst meinen
Wangen und seine glänzenden Augen, in welche
ich verwundert sah von der grünen Staude weg, die
er hoch in die Luft hielt. Meine Mutter rühmte
mir nachher oft, wie sehr sie und die begleitenden
Mägde erbaut gewesen seien von seinen schönen
Reden. Aus noch früheren Tagen ist mir seine
Erscheinung ebenfalls geblieben durch die befremd¬
liche Ueberraschung des vollen Waffenschmuckes,
in welchem er eines Morgens Abschied nahm, um
mehrtägigen Uebungen beizuwohnen; da er ein
Schütze war, so ist auch dies Bild mit der lieben

Sehnſucht und Heimweh nach meinem Vater
erfuͤllt, welchen ich nicht mehr gekannt habe.
Meine deutlichſte Erinnerung an ihn faͤllt ſonder¬
barer Weiſe um ein volles Jahr vor ſeinem Tode
zuruͤck, auf einen einzelnen ſchoͤnen Augenblick,
wo er an einem Sonntag Abend auf dem Felde
mich auf den Armen trug, eine Kartoffelſtaude
aus der Erde zog und mir die anſchwellenden
Knollen zeigte, ſchon beſtrebt, Erkenntniß und
Dankbarkeit gegen den Schoͤpfer in mir zu er¬
wecken. Ich ſehe noch jetzt das gruͤne Kleid und
die ſchimmernden Metallknoͤpfe zunaͤchſt meinen
Wangen und ſeine glaͤnzenden Augen, in welche
ich verwundert ſah von der gruͤnen Staude weg, die
er hoch in die Luft hielt. Meine Mutter ruͤhmte
mir nachher oft, wie ſehr ſie und die begleitenden
Maͤgde erbaut geweſen ſeien von ſeinen ſchoͤnen
Reden. Aus noch fruͤheren Tagen iſt mir ſeine
Erſcheinung ebenfalls geblieben durch die befremd¬
liche Ueberraſchung des vollen Waffenſchmuckes,
in welchem er eines Morgens Abſchied nahm, um
mehrtaͤgigen Uebungen beizuwohnen; da er ein
Schuͤtze war, ſo iſt auch dies Bild mit der lieben

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[120/0134] Sehnſucht und Heimweh nach meinem Vater erfuͤllt, welchen ich nicht mehr gekannt habe. Meine deutlichſte Erinnerung an ihn faͤllt ſonder¬ barer Weiſe um ein volles Jahr vor ſeinem Tode zuruͤck, auf einen einzelnen ſchoͤnen Augenblick, wo er an einem Sonntag Abend auf dem Felde mich auf den Armen trug, eine Kartoffelſtaude aus der Erde zog und mir die anſchwellenden Knollen zeigte, ſchon beſtrebt, Erkenntniß und Dankbarkeit gegen den Schoͤpfer in mir zu er¬ wecken. Ich ſehe noch jetzt das gruͤne Kleid und die ſchimmernden Metallknoͤpfe zunaͤchſt meinen Wangen und ſeine glaͤnzenden Augen, in welche ich verwundert ſah von der gruͤnen Staude weg, die er hoch in die Luft hielt. Meine Mutter ruͤhmte mir nachher oft, wie ſehr ſie und die begleitenden Maͤgde erbaut geweſen ſeien von ſeinen ſchoͤnen Reden. Aus noch fruͤheren Tagen iſt mir ſeine Erſcheinung ebenfalls geblieben durch die befremd¬ liche Ueberraſchung des vollen Waffenſchmuckes, in welchem er eines Morgens Abſchied nahm, um mehrtaͤgigen Uebungen beizuwohnen; da er ein Schuͤtze war, ſo iſt auch dies Bild mit der lieben

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/134>, abgerufen am 25.11.2024.