Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

reineren Verhältnissen erhielten, ohne daß sie des¬
wegen den Geschmack ihres Baumeisters theurer
bezahlen mußten.

Seine junge Frau indessen führte mit wahrem
Fanatismus das Hauswesen, welches durch ver¬
schiedene Arbeiter und Dienstboten schnell erwei¬
tert wurde. Sie beherrschte mit Kraft und Meister¬
schaft das Füllen und Leeren einer Anzahl großer
Speisekörbe und war der Schrecken der Markt¬
weiber und die Verzweiflung der Schlächter, welche
alle Gewalt ihrer alten Rechte aufbieten mußten,
einen Knochensplitter mit auf die Wage zu brin¬
gen, wenn das Fleisch für die Frau Lee gewogen
wurde. Obgleich Meister Lee fast keine persön¬
lichen Bedürfnisse hatte und unter seinen zahl¬
reichen Grundsätzen derjenige der Sparsamkeit
in der ersten Reihe stand, so war er doch so
gemeinnützig und großherzig, daß das Geld für
ihn nur Werth hatte, wenn etwas damit aus¬
gerichtet oder geholfen wurde, sei es durch ihn
oder durch Andere; daher verdankte er es nur
seiner Frau, welche keinen Pfennig unnütz aus¬
gab und den größten Ruhm darein setzte, Jeder¬

reineren Verhaͤltniſſen erhielten, ohne daß ſie des¬
wegen den Geſchmack ihres Baumeiſters theurer
bezahlen mußten.

Seine junge Frau indeſſen fuͤhrte mit wahrem
Fanatismus das Hausweſen, welches durch ver¬
ſchiedene Arbeiter und Dienſtboten ſchnell erwei¬
tert wurde. Sie beherrſchte mit Kraft und Meiſter¬
ſchaft das Fuͤllen und Leeren einer Anzahl großer
Speiſekoͤrbe und war der Schrecken der Markt¬
weiber und die Verzweiflung der Schlaͤchter, welche
alle Gewalt ihrer alten Rechte aufbieten mußten,
einen Knochenſplitter mit auf die Wage zu brin¬
gen, wenn das Fleiſch fuͤr die Frau Lee gewogen
wurde. Obgleich Meiſter Lee faſt keine perſoͤn¬
lichen Beduͤrfniſſe hatte und unter ſeinen zahl¬
reichen Grundſaͤtzen derjenige der Sparſamkeit
in der erſten Reihe ſtand, ſo war er doch ſo
gemeinnuͤtzig und großherzig, daß das Geld fuͤr
ihn nur Werth hatte, wenn etwas damit aus¬
gerichtet oder geholfen wurde, ſei es durch ihn
oder durch Andere; daher verdankte er es nur
ſeiner Frau, welche keinen Pfennig unnuͤtz aus¬
gab und den groͤßten Ruhm darein ſetzte, Jeder¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0124" n="110"/>
reineren Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en erhielten, ohne daß &#x017F;ie des¬<lb/>
wegen den Ge&#x017F;chmack ihres Baumei&#x017F;ters theurer<lb/>
bezahlen mußten.</p><lb/>
        <p>Seine junge Frau inde&#x017F;&#x017F;en fu&#x0364;hrte mit wahrem<lb/>
Fanatismus das Hauswe&#x017F;en, welches durch ver¬<lb/>
&#x017F;chiedene Arbeiter und Dien&#x017F;tboten &#x017F;chnell erwei¬<lb/>
tert wurde. Sie beherr&#x017F;chte mit Kraft und Mei&#x017F;ter¬<lb/>
&#x017F;chaft das Fu&#x0364;llen und Leeren einer Anzahl großer<lb/>
Spei&#x017F;eko&#x0364;rbe und war der Schrecken der Markt¬<lb/>
weiber und die Verzweiflung der Schla&#x0364;chter, welche<lb/>
alle Gewalt ihrer alten Rechte aufbieten mußten,<lb/>
einen Knochen&#x017F;plitter mit auf die Wage zu brin¬<lb/>
gen, wenn das Flei&#x017F;ch fu&#x0364;r die Frau Lee gewogen<lb/>
wurde. Obgleich Mei&#x017F;ter Lee fa&#x017F;t keine per&#x017F;o&#x0364;<lb/>
lichen Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e hatte und unter &#x017F;einen zahl¬<lb/>
reichen Grund&#x017F;a&#x0364;tzen derjenige der Spar&#x017F;amkeit<lb/>
in der er&#x017F;ten Reihe &#x017F;tand, &#x017F;o war er doch &#x017F;o<lb/>
gemeinnu&#x0364;tzig und großherzig, daß das Geld fu&#x0364;r<lb/>
ihn nur Werth hatte, wenn etwas damit aus¬<lb/>
gerichtet oder geholfen wurde, &#x017F;ei es durch ihn<lb/>
oder durch Andere; daher verdankte er es nur<lb/>
&#x017F;einer Frau, welche keinen Pfennig unnu&#x0364;tz aus¬<lb/>
gab und den gro&#x0364;ßten Ruhm darein &#x017F;etzte, Jeder¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0124] reineren Verhaͤltniſſen erhielten, ohne daß ſie des¬ wegen den Geſchmack ihres Baumeiſters theurer bezahlen mußten. Seine junge Frau indeſſen fuͤhrte mit wahrem Fanatismus das Hausweſen, welches durch ver¬ ſchiedene Arbeiter und Dienſtboten ſchnell erwei¬ tert wurde. Sie beherrſchte mit Kraft und Meiſter¬ ſchaft das Fuͤllen und Leeren einer Anzahl großer Speiſekoͤrbe und war der Schrecken der Markt¬ weiber und die Verzweiflung der Schlaͤchter, welche alle Gewalt ihrer alten Rechte aufbieten mußten, einen Knochenſplitter mit auf die Wage zu brin¬ gen, wenn das Fleiſch fuͤr die Frau Lee gewogen wurde. Obgleich Meiſter Lee faſt keine perſoͤn¬ lichen Beduͤrfniſſe hatte und unter ſeinen zahl¬ reichen Grundſaͤtzen derjenige der Sparſamkeit in der erſten Reihe ſtand, ſo war er doch ſo gemeinnuͤtzig und großherzig, daß das Geld fuͤr ihn nur Werth hatte, wenn etwas damit aus¬ gerichtet oder geholfen wurde, ſei es durch ihn oder durch Andere; daher verdankte er es nur ſeiner Frau, welche keinen Pfennig unnuͤtz aus¬ gab und den groͤßten Ruhm darein ſetzte, Jeder¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/124
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/124>, abgerufen am 22.11.2024.