chenen Absicht trat er nun auch im Dorfe auf zur großen Bewunderung seiner Sippschaft, und das Erstaunen wurde noch größer, als er, mit einem feinen Manschettenhemd bekleidet und sein reinstes Hochdeutsch sprechend, sich mitten unter die französisch-griechischen Gestalten des Pfarr¬ hauses mischte und um die Pfarrerstochter warb. Der ländlich gesinnte Bruder mochte hierzu eine Vermittelung, wenigstens ein aufmunterndes Bei¬ spiel darbieten; die Jungfrau schenkte dem blü¬ henden Freier bald ihr Herz, und die Verwirrung, welche dadurch zu entstehen drohte, löste sich schnell, als die Eltern der Braut kurz hinter einander starben.
Also hielten sie eine stille Hochzeit und zogen in die Stadt, sich weiter nicht nach der glanz¬ vollen Vergangenheit des Pfarrhauses umsehend, in welches alsobald der junge Pfarrer mit ganzen Wagen voll Sensen, Sicheln, Dreschflegeln, Rechen, Heugabeln, mit gewaltigen Himmelbet¬ ten, Spinnrädern und Flachshecheln und mit seiner kecken, frischen Frau einzog, welche mit ihrem geräucherten Speck und mit ihren derben
chenen Abſicht trat er nun auch im Dorfe auf zur großen Bewunderung ſeiner Sippſchaft, und das Erſtaunen wurde noch groͤßer, als er, mit einem feinen Manſchettenhemd bekleidet und ſein reinſtes Hochdeutſch ſprechend, ſich mitten unter die franzoͤſiſch-griechiſchen Geſtalten des Pfarr¬ hauſes miſchte und um die Pfarrerſtochter warb. Der laͤndlich geſinnte Bruder mochte hierzu eine Vermittelung, wenigſtens ein aufmunterndes Bei¬ ſpiel darbieten; die Jungfrau ſchenkte dem bluͤ¬ henden Freier bald ihr Herz, und die Verwirrung, welche dadurch zu entſtehen drohte, loͤſte ſich ſchnell, als die Eltern der Braut kurz hinter einander ſtarben.
Alſo hielten ſie eine ſtille Hochzeit und zogen in die Stadt, ſich weiter nicht nach der glanz¬ vollen Vergangenheit des Pfarrhauſes umſehend, in welches alſobald der junge Pfarrer mit ganzen Wagen voll Senſen, Sicheln, Dreſchflegeln, Rechen, Heugabeln, mit gewaltigen Himmelbet¬ ten, Spinnraͤdern und Flachshecheln und mit ſeiner kecken, friſchen Frau einzog, welche mit ihrem geraͤucherten Speck und mit ihren derben
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0122"n="108"/>
chenen Abſicht trat er nun auch im Dorfe auf<lb/>
zur großen Bewunderung ſeiner Sippſchaft, und<lb/>
das Erſtaunen wurde noch groͤßer, als er, mit<lb/>
einem feinen Manſchettenhemd bekleidet und ſein<lb/>
reinſtes Hochdeutſch ſprechend, ſich mitten unter<lb/>
die franzoͤſiſch-griechiſchen Geſtalten des Pfarr¬<lb/>
hauſes miſchte und um die Pfarrerſtochter warb.<lb/>
Der laͤndlich geſinnte Bruder mochte hierzu eine<lb/>
Vermittelung, wenigſtens ein aufmunterndes Bei¬<lb/>ſpiel darbieten; die Jungfrau ſchenkte dem bluͤ¬<lb/>
henden Freier bald ihr Herz, und die Verwirrung,<lb/>
welche dadurch zu entſtehen drohte, loͤſte ſich<lb/>ſchnell, als die Eltern der Braut kurz hinter<lb/>
einander ſtarben.</p><lb/><p>Alſo hielten ſie eine ſtille Hochzeit und zogen<lb/>
in die Stadt, ſich weiter nicht nach der glanz¬<lb/>
vollen Vergangenheit des Pfarrhauſes umſehend,<lb/>
in welches alſobald der junge Pfarrer mit ganzen<lb/>
Wagen voll Senſen, Sicheln, Dreſchflegeln,<lb/>
Rechen, Heugabeln, mit gewaltigen Himmelbet¬<lb/>
ten, Spinnraͤdern und Flachshecheln und mit<lb/>ſeiner kecken, friſchen Frau einzog, welche mit<lb/>
ihrem geraͤucherten Speck und mit ihren derben<lb/></p></div></body></text></TEI>
[108/0122]
chenen Abſicht trat er nun auch im Dorfe auf
zur großen Bewunderung ſeiner Sippſchaft, und
das Erſtaunen wurde noch groͤßer, als er, mit
einem feinen Manſchettenhemd bekleidet und ſein
reinſtes Hochdeutſch ſprechend, ſich mitten unter
die franzoͤſiſch-griechiſchen Geſtalten des Pfarr¬
hauſes miſchte und um die Pfarrerſtochter warb.
Der laͤndlich geſinnte Bruder mochte hierzu eine
Vermittelung, wenigſtens ein aufmunterndes Bei¬
ſpiel darbieten; die Jungfrau ſchenkte dem bluͤ¬
henden Freier bald ihr Herz, und die Verwirrung,
welche dadurch zu entſtehen drohte, loͤſte ſich
ſchnell, als die Eltern der Braut kurz hinter
einander ſtarben.
Alſo hielten ſie eine ſtille Hochzeit und zogen
in die Stadt, ſich weiter nicht nach der glanz¬
vollen Vergangenheit des Pfarrhauſes umſehend,
in welches alſobald der junge Pfarrer mit ganzen
Wagen voll Senſen, Sicheln, Dreſchflegeln,
Rechen, Heugabeln, mit gewaltigen Himmelbet¬
ten, Spinnraͤdern und Flachshecheln und mit
ſeiner kecken, friſchen Frau einzog, welche mit
ihrem geraͤucherten Speck und mit ihren derben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/122>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.