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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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für einen ausdauernden Fleiß und treffliche
Ordnungsliebe.

Der Sohn endigte sein Treiben damit, daß
er eine begüterte rüstige Bauerntochter heirathete,
in ihr Haus zog und alle sechs Werktage hin¬
durch ihre Aecker und ihr Vieh bestellte. In An¬
wartschaft seines höheren Amtes übte er sich, als
Säemann den göttlichen Samen in wohlberech¬
neten Würfen auszustreuen und das Böse in
Gestalt von wirklichem Unkraut auszujäten. Der
Schrecken und der Zorn hierüber waren groß im
Pfarrhause, zumal, wenn man bedachte, daß die
junge Bäuerin einst als Hausfrau dort einziehen
und herrschen sollte, sie, welche weder mit der
gehörigen Anmuth im Grase zu liegen, noch einen
Hasen standesgemäß zu braten und aufzutragen
wußte. Deshalb war es der allgemeine Wunsch,
daß die Tochter, welche allmälig schon über ihre
erste Jugend hinausgeblüht hatte, entweder einen
standesgetreuen jungen Geistlichen ins Haus locken
oder sonst noch lange die zusammenhaltende Kraft
desselben bleiben möchte. Aber auch diese Hoff¬
nungen schlugen fehl.

fuͤr einen ausdauernden Fleiß und treffliche
Ordnungsliebe.

Der Sohn endigte ſein Treiben damit, daß
er eine beguͤterte ruͤſtige Bauerntochter heirathete,
in ihr Haus zog und alle ſechs Werktage hin¬
durch ihre Aecker und ihr Vieh beſtellte. In An¬
wartſchaft ſeines hoͤheren Amtes uͤbte er ſich, als
Saͤemann den goͤttlichen Samen in wohlberech¬
neten Wuͤrfen auszuſtreuen und das Boͤſe in
Geſtalt von wirklichem Unkraut auszujaͤten. Der
Schrecken und der Zorn hieruͤber waren groß im
Pfarrhauſe, zumal, wenn man bedachte, daß die
junge Baͤuerin einſt als Hausfrau dort einziehen
und herrſchen ſollte, ſie, welche weder mit der
gehoͤrigen Anmuth im Graſe zu liegen, noch einen
Haſen ſtandesgemaͤß zu braten und aufzutragen
wußte. Deshalb war es der allgemeine Wunſch,
daß die Tochter, welche allmaͤlig ſchon uͤber ihre
erſte Jugend hinausgebluͤht hatte, entweder einen
ſtandesgetreuen jungen Geiſtlichen ins Haus locken
oder ſonſt noch lange die zuſammenhaltende Kraft
deſſelben bleiben moͤchte. Aber auch dieſe Hoff¬
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[103/0117] fuͤr einen ausdauernden Fleiß und treffliche Ordnungsliebe. Der Sohn endigte ſein Treiben damit, daß er eine beguͤterte ruͤſtige Bauerntochter heirathete, in ihr Haus zog und alle ſechs Werktage hin¬ durch ihre Aecker und ihr Vieh beſtellte. In An¬ wartſchaft ſeines hoͤheren Amtes uͤbte er ſich, als Saͤemann den goͤttlichen Samen in wohlberech¬ neten Wuͤrfen auszuſtreuen und das Boͤſe in Geſtalt von wirklichem Unkraut auszujaͤten. Der Schrecken und der Zorn hieruͤber waren groß im Pfarrhauſe, zumal, wenn man bedachte, daß die junge Baͤuerin einſt als Hausfrau dort einziehen und herrſchen ſollte, ſie, welche weder mit der gehoͤrigen Anmuth im Graſe zu liegen, noch einen Haſen ſtandesgemaͤß zu braten und aufzutragen wußte. Deshalb war es der allgemeine Wunſch, daß die Tochter, welche allmaͤlig ſchon uͤber ihre erſte Jugend hinausgebluͤht hatte, entweder einen ſtandesgetreuen jungen Geiſtlichen ins Haus locken oder ſonſt noch lange die zuſammenhaltende Kraft deſſelben bleiben moͤchte. Aber auch dieſe Hoff¬ nungen ſchlugen fehl.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/117>, abgerufen am 22.11.2024.