Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.einnahmen und mit zufriedenem Wohlwollen den Kindern mittheilten, die nicht von der Stelle wichen, so lange gegessen und getrunken wurde, ließen sie ihre Blicke in der Nähe und Ferne herumschweifen und sahen das Städtchen räucherig glänzend in seinen Bergen liegen; denn das reichliche Mittagsmahl, welches die Seldwyler alle Tage bereiteten, pflegte ein weithin scheinendes Silbergewölk über ihre Dächer emporzutragen, welches lachend an ihren Bergen hinschwebte. Die Lumpenhunde zu Seldwyl kochen wieder gut! sagte Manz, der eine der Bauern, und Marti, der andere, erwiderte: Gestern war einer bei mir wegen des Ackers hier. -- Aus dem Bezirksrath? Bei mir ist er auch gewesen! sagte Manz. -- So? und meinte wahrscheinlich auch, du solltest das Land benutzen und den Herren die Pacht zahlen? --Ja, bis es sich entschieden habe, wem der Acker gehöre, und was mit ihm anzufangen sei. Ich habe mich aber bedankt, das verwilderte Wesen für einen Andern herzustellen, und sagte, sie sollten den Acker nur verkaufen und den Ertrag aufheben, bis sich ein Eigenthümer herausgestellt, was wohl nie geschehen wird, denn was einmal auf der Kanzlei zu Seldwyl liegt, hat da gute Weile, und über dem ist die Sache schwer zu entscheiden. Die Lumpen möchten indessen gar zu gern etwas zu naschen bekommen durch den Pachtzins, was sie freilich mit der Verkaufssumme auch thun könnten; allein wir würden uns hüten, dasselbe zu hoch hinauf zu treiben, und wir einnahmen und mit zufriedenem Wohlwollen den Kindern mittheilten, die nicht von der Stelle wichen, so lange gegessen und getrunken wurde, ließen sie ihre Blicke in der Nähe und Ferne herumschweifen und sahen das Städtchen räucherig glänzend in seinen Bergen liegen; denn das reichliche Mittagsmahl, welches die Seldwyler alle Tage bereiteten, pflegte ein weithin scheinendes Silbergewölk über ihre Dächer emporzutragen, welches lachend an ihren Bergen hinschwebte. Die Lumpenhunde zu Seldwyl kochen wieder gut! sagte Manz, der eine der Bauern, und Marti, der andere, erwiderte: Gestern war einer bei mir wegen des Ackers hier. — Aus dem Bezirksrath? Bei mir ist er auch gewesen! sagte Manz. — So? und meinte wahrscheinlich auch, du solltest das Land benutzen und den Herren die Pacht zahlen? —Ja, bis es sich entschieden habe, wem der Acker gehöre, und was mit ihm anzufangen sei. Ich habe mich aber bedankt, das verwilderte Wesen für einen Andern herzustellen, und sagte, sie sollten den Acker nur verkaufen und den Ertrag aufheben, bis sich ein Eigenthümer herausgestellt, was wohl nie geschehen wird, denn was einmal auf der Kanzlei zu Seldwyl liegt, hat da gute Weile, und über dem ist die Sache schwer zu entscheiden. Die Lumpen möchten indessen gar zu gern etwas zu naschen bekommen durch den Pachtzins, was sie freilich mit der Verkaufssumme auch thun könnten; allein wir würden uns hüten, dasselbe zu hoch hinauf zu treiben, und wir <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0013"/> einnahmen und mit zufriedenem Wohlwollen den Kindern mittheilten, die nicht von der Stelle wichen, so lange gegessen und getrunken wurde, ließen sie ihre Blicke in der Nähe und Ferne herumschweifen und sahen das Städtchen räucherig glänzend in seinen Bergen liegen; denn das reichliche Mittagsmahl, welches die Seldwyler alle Tage bereiteten, pflegte ein weithin scheinendes Silbergewölk über ihre Dächer emporzutragen, welches lachend an ihren Bergen hinschwebte.</p><lb/> <p>Die Lumpenhunde zu Seldwyl kochen wieder gut! sagte Manz, der eine der Bauern, und Marti, der andere, erwiderte: Gestern war einer bei mir wegen des Ackers hier. — Aus dem Bezirksrath? Bei mir ist er auch gewesen! sagte Manz. — So? und meinte wahrscheinlich auch, du solltest das Land benutzen und den Herren die Pacht zahlen? —Ja, bis es sich entschieden habe, wem der Acker gehöre, und was mit ihm anzufangen sei. Ich habe mich aber bedankt, das verwilderte Wesen für einen Andern herzustellen, und sagte, sie sollten den Acker nur verkaufen und den Ertrag aufheben, bis sich ein Eigenthümer herausgestellt, was wohl nie geschehen wird, denn was einmal auf der Kanzlei zu Seldwyl liegt, hat da gute Weile, und über dem ist die Sache schwer zu entscheiden. Die Lumpen möchten indessen gar zu gern etwas zu naschen bekommen durch den Pachtzins, was sie freilich mit der Verkaufssumme auch thun könnten; allein wir würden uns hüten, dasselbe zu hoch hinauf zu treiben, und wir<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0013]
einnahmen und mit zufriedenem Wohlwollen den Kindern mittheilten, die nicht von der Stelle wichen, so lange gegessen und getrunken wurde, ließen sie ihre Blicke in der Nähe und Ferne herumschweifen und sahen das Städtchen räucherig glänzend in seinen Bergen liegen; denn das reichliche Mittagsmahl, welches die Seldwyler alle Tage bereiteten, pflegte ein weithin scheinendes Silbergewölk über ihre Dächer emporzutragen, welches lachend an ihren Bergen hinschwebte.
Die Lumpenhunde zu Seldwyl kochen wieder gut! sagte Manz, der eine der Bauern, und Marti, der andere, erwiderte: Gestern war einer bei mir wegen des Ackers hier. — Aus dem Bezirksrath? Bei mir ist er auch gewesen! sagte Manz. — So? und meinte wahrscheinlich auch, du solltest das Land benutzen und den Herren die Pacht zahlen? —Ja, bis es sich entschieden habe, wem der Acker gehöre, und was mit ihm anzufangen sei. Ich habe mich aber bedankt, das verwilderte Wesen für einen Andern herzustellen, und sagte, sie sollten den Acker nur verkaufen und den Ertrag aufheben, bis sich ein Eigenthümer herausgestellt, was wohl nie geschehen wird, denn was einmal auf der Kanzlei zu Seldwyl liegt, hat da gute Weile, und über dem ist die Sache schwer zu entscheiden. Die Lumpen möchten indessen gar zu gern etwas zu naschen bekommen durch den Pachtzins, was sie freilich mit der Verkaufssumme auch thun könnten; allein wir würden uns hüten, dasselbe zu hoch hinauf zu treiben, und wir
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Zitationshilfe: | Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/13>, abgerufen am 27.07.2024. |