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Kautsky, Karl; Schönlank, Bruno: Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie. 4. Aufl. Berlin, 1907.

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arbeitern Anhang zu finden. Durch die Art und Weise, wie sie diese zu gewinnen
und festzuhalten suchen, unterscheiden sich die Parteien eben so sehr, wie durch
die Jnteressen, die sie in letzter Linie vertreten.

Bei dem Wettrennen um die Gunst des "kleinen Mannes" und bei den Jnter-
essenkämpfen zwischen den oberen Klassen kommt es natürlich hin und wieder
vor, daß eine der alten Parteien den Lohnarbeitern das eine oder das andere
Zugeständnis bietet.

Der Proletarier steht im Gegensatz zu allen Ausbeutern, welchen Klassen
immer sie angehören; wird er von den einen ausgebeutet als Produzent, so von
den anderen als Konsument. Eine jede der alten Parteien kann ihm daher ge-
legentlich als Frucht ihres Sieges über die gegnerische Ausbeuterpartei einen
Vorteil in Aussicht stellen: Billiges Brot wollen ihm z. B. die Kapitalisten
in den Ländern verschaffen, wo sie den Freihandel brauchen; Verkürzung
der Arbeitszeit
(natürlich nur in den Fabriken) boten ihm mitunter die
Großgrundbesitzer.

Aber weil der Proletarier im Gegensatz steht zu allen Ausbeutern, kann
keine der alten Parteien dauernd seine Jnteressen vertreten. Jede derselben
steht gerade in den für das Proletariat wichtigsten Fragen ihm feindlich gegen-
über; jede derselben hat es gerade in den entscheidendsten Momenten stets ver-
raten, so oft es sich ihr anvertraute.

Die Beschäftigung der Arbeiter mit der Politik muß daher überall früher
oder später dahin führen, daß sie aufhören, den bürgerlichen Parteien Gefolg-
schaft zu leisten und daß sie eine eigene selbständige Partei bilden, die Arbei-
terpartei
. Diese bildet den Schlußstein der Organisation des Proletariats.
Seine ökonomischen Organisationen werden immer, so sehr sie auch von dem Be-
wußtsein der Gemeinsamkeit der Jnteressen aller Proletarier durchdrungen sein
mögen, zunächst den Sonderinteressen der einzelnen Zweige der Arbeiterklasse
dienen müssen. Die Organisation des gesamten Proletariats als Klasse, seine
Zusammenschweißung zu einem festen einheitlichen Körper ist nur möglich durch
seine politische Organisation als selbständige Arbeiterpartei.

Ebenso unvermeidlich und durch die ökonomische Entwickelung mit Natur-
notwendigkeit herbeigeführt, wie das Erstehen derArbeiterbewegung ist
die Bildung einer Arbeiterpartei. Nicht minder unvermeidlich aber ist es,
daß diese schließlich den Sieg über die anderen Parteien davontragen
wird. Denn das Proletariat nimmt ununterbrochen stetig an Kraft zu, indes
die besitzenden Klassen immer schwächer werden. Dieser Sieg ist nur eine
Frage der Zeit.

Die Menge der Lohnarbeiter vermehrt sich beständig, indes die Zahl der
Besitzenden immer geringer wird. Aber gleichzeitig beginnen die Arbeiter sich
auch an sittlicher Kraft über die Besitzenden zu erheben. Während der Konkur-
renzkampf immer wilder wütet und die Reihen der Besitzenden immer mehr zer-
klüftet, jeden Einzelnen von ihnen immer mehr drängt, seine Genossen nieder-
zutreten, damit er über ihren Leichen vorwärts stürme, während der Konkurrenz-
kampf so die niedrigsten und gemeinsten Leidenschaften in den Besitzenden groß-
zieht, erzeugt der Klassenkampf in den Proletariern die höchsten sittlichen
Tugenden
, Selbstverleugnung, Opfermut, ideale Begeisterung, innigen Zu-
sammenhalt mit den Genossen - Eigenschaften, die in den Kämpfen der Massen
den Ausschlag geben.

Aber auch an Jntelligenz und Geschlossenheit wächst das Pro-
letariat unaufhörlich. Der Klassenkampf zwingt es, sich in großen politischen und
gewerkschaftlichen Organisationen zusammenzuschließen. Die Tätigten für diese
und in diesen Organisationen entwickelt in der Arbeiterklasse parlamentarische
und Verwaltungstalente, die mit der Zeit den Politikern und Verwaltungsbe-

arbeitern Anhang zu finden. Durch die Art und Weise, wie sie diese zu gewinnen
und festzuhalten suchen, unterscheiden sich die Parteien eben so sehr, wie durch
die Jnteressen, die sie in letzter Linie vertreten.

Bei dem Wettrennen um die Gunst des „kleinen Mannes“ und bei den Jnter-
essenkämpfen zwischen den oberen Klassen kommt es natürlich hin und wieder
vor, daß eine der alten Parteien den Lohnarbeitern das eine oder das andere
Zugeständnis bietet.

Der Proletarier steht im Gegensatz zu allen Ausbeutern, welchen Klassen
immer sie angehören; wird er von den einen ausgebeutet als Produzent, so von
den anderen als Konsument. Eine jede der alten Parteien kann ihm daher ge-
legentlich als Frucht ihres Sieges über die gegnerische Ausbeuterpartei einen
Vorteil in Aussicht stellen: Billiges Brot wollen ihm z. B. die Kapitalisten
in den Ländern verschaffen, wo sie den Freihandel brauchen; Verkürzung
der Arbeitszeit
(natürlich nur in den Fabriken) boten ihm mitunter die
Großgrundbesitzer.

Aber weil der Proletarier im Gegensatz steht zu allen Ausbeutern, kann
keine der alten Parteien dauernd seine Jnteressen vertreten. Jede derselben
steht gerade in den für das Proletariat wichtigsten Fragen ihm feindlich gegen-
über; jede derselben hat es gerade in den entscheidendsten Momenten stets ver-
raten, so oft es sich ihr anvertraute.

Die Beschäftigung der Arbeiter mit der Politik muß daher überall früher
oder später dahin führen, daß sie aufhören, den bürgerlichen Parteien Gefolg-
schaft zu leisten und daß sie eine eigene selbständige Partei bilden, die Arbei-
terpartei
. Diese bildet den Schlußstein der Organisation des Proletariats.
Seine ökonomischen Organisationen werden immer, so sehr sie auch von dem Be-
wußtsein der Gemeinsamkeit der Jnteressen aller Proletarier durchdrungen sein
mögen, zunächst den Sonderinteressen der einzelnen Zweige der Arbeiterklasse
dienen müssen. Die Organisation des gesamten Proletariats als Klasse, seine
Zusammenschweißung zu einem festen einheitlichen Körper ist nur möglich durch
seine politische Organisation als selbständige Arbeiterpartei.

Ebenso unvermeidlich und durch die ökonomische Entwickelung mit Natur-
notwendigkeit herbeigeführt, wie das Erstehen derArbeiterbewegung ist
die Bildung einer Arbeiterpartei. Nicht minder unvermeidlich aber ist es,
daß diese schließlich den Sieg über die anderen Parteien davontragen
wird. Denn das Proletariat nimmt ununterbrochen stetig an Kraft zu, indes
die besitzenden Klassen immer schwächer werden. Dieser Sieg ist nur eine
Frage der Zeit.

Die Menge der Lohnarbeiter vermehrt sich beständig, indes die Zahl der
Besitzenden immer geringer wird. Aber gleichzeitig beginnen die Arbeiter sich
auch an sittlicher Kraft über die Besitzenden zu erheben. Während der Konkur-
renzkampf immer wilder wütet und die Reihen der Besitzenden immer mehr zer-
klüftet, jeden Einzelnen von ihnen immer mehr drängt, seine Genossen nieder-
zutreten, damit er über ihren Leichen vorwärts stürme, während der Konkurrenz-
kampf so die niedrigsten und gemeinsten Leidenschaften in den Besitzenden groß-
zieht, erzeugt der Klassenkampf in den Proletariern die höchsten sittlichen
Tugenden
, Selbstverleugnung, Opfermut, ideale Begeisterung, innigen Zu-
sammenhalt mit den Genossen – Eigenschaften, die in den Kämpfen der Massen
den Ausschlag geben.

Aber auch an Jntelligenz und Geschlossenheit wächst das Pro-
letariat unaufhörlich. Der Klassenkampf zwingt es, sich in großen politischen und
gewerkschaftlichen Organisationen zusammenzuschließen. Die Tätigten für diese
und in diesen Organisationen entwickelt in der Arbeiterklasse parlamentarische
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[21/0023] arbeitern Anhang zu finden. Durch die Art und Weise, wie sie diese zu gewinnen und festzuhalten suchen, unterscheiden sich die Parteien eben so sehr, wie durch die Jnteressen, die sie in letzter Linie vertreten. Bei dem Wettrennen um die Gunst des „kleinen Mannes“ und bei den Jnter- essenkämpfen zwischen den oberen Klassen kommt es natürlich hin und wieder vor, daß eine der alten Parteien den Lohnarbeitern das eine oder das andere Zugeständnis bietet. Der Proletarier steht im Gegensatz zu allen Ausbeutern, welchen Klassen immer sie angehören; wird er von den einen ausgebeutet als Produzent, so von den anderen als Konsument. Eine jede der alten Parteien kann ihm daher ge- legentlich als Frucht ihres Sieges über die gegnerische Ausbeuterpartei einen Vorteil in Aussicht stellen: Billiges Brot wollen ihm z. B. die Kapitalisten in den Ländern verschaffen, wo sie den Freihandel brauchen; Verkürzung der Arbeitszeit (natürlich nur in den Fabriken) boten ihm mitunter die Großgrundbesitzer. Aber weil der Proletarier im Gegensatz steht zu allen Ausbeutern, kann keine der alten Parteien dauernd seine Jnteressen vertreten. Jede derselben steht gerade in den für das Proletariat wichtigsten Fragen ihm feindlich gegen- über; jede derselben hat es gerade in den entscheidendsten Momenten stets ver- raten, so oft es sich ihr anvertraute. Die Beschäftigung der Arbeiter mit der Politik muß daher überall früher oder später dahin führen, daß sie aufhören, den bürgerlichen Parteien Gefolg- schaft zu leisten und daß sie eine eigene selbständige Partei bilden, die Arbei- terpartei. Diese bildet den Schlußstein der Organisation des Proletariats. Seine ökonomischen Organisationen werden immer, so sehr sie auch von dem Be- wußtsein der Gemeinsamkeit der Jnteressen aller Proletarier durchdrungen sein mögen, zunächst den Sonderinteressen der einzelnen Zweige der Arbeiterklasse dienen müssen. Die Organisation des gesamten Proletariats als Klasse, seine Zusammenschweißung zu einem festen einheitlichen Körper ist nur möglich durch seine politische Organisation als selbständige Arbeiterpartei. Ebenso unvermeidlich und durch die ökonomische Entwickelung mit Natur- notwendigkeit herbeigeführt, wie das Erstehen derArbeiterbewegung ist die Bildung einer Arbeiterpartei. Nicht minder unvermeidlich aber ist es, daß diese schließlich den Sieg über die anderen Parteien davontragen wird. Denn das Proletariat nimmt ununterbrochen stetig an Kraft zu, indes die besitzenden Klassen immer schwächer werden. Dieser Sieg ist nur eine Frage der Zeit. Die Menge der Lohnarbeiter vermehrt sich beständig, indes die Zahl der Besitzenden immer geringer wird. Aber gleichzeitig beginnen die Arbeiter sich auch an sittlicher Kraft über die Besitzenden zu erheben. Während der Konkur- renzkampf immer wilder wütet und die Reihen der Besitzenden immer mehr zer- klüftet, jeden Einzelnen von ihnen immer mehr drängt, seine Genossen nieder- zutreten, damit er über ihren Leichen vorwärts stürme, während der Konkurrenz- kampf so die niedrigsten und gemeinsten Leidenschaften in den Besitzenden groß- zieht, erzeugt der Klassenkampf in den Proletariern die höchsten sittlichen Tugenden, Selbstverleugnung, Opfermut, ideale Begeisterung, innigen Zu- sammenhalt mit den Genossen – Eigenschaften, die in den Kämpfen der Massen den Ausschlag geben. Aber auch an Jntelligenz und Geschlossenheit wächst das Pro- letariat unaufhörlich. Der Klassenkampf zwingt es, sich in großen politischen und gewerkschaftlichen Organisationen zusammenzuschließen. Die Tätigten für diese und in diesen Organisationen entwickelt in der Arbeiterklasse parlamentarische und Verwaltungstalente, die mit der Zeit den Politikern und Verwaltungsbe-

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-12-08T17:50:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-12-08T17:50:02Z)

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Zitationshilfe: Kautsky, Karl; Schönlank, Bruno: Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie. 4. Aufl. Berlin, 1907, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kautsky_grundsaetze_1907/23>, abgerufen am 25.11.2024.