Arien nannte, wie davon im Anhang eine Probe zu finden ist. Sie dachte sich dieselben in der Woche aus, und an dem Sonntag, wenn ihr Mann abwesend war, schrieb sie sie auf, indem sie dieselben nach irgend einer Melodie aufs Papier zu singen pflegte, welche Gewohn- heit sie noch im späten Alter hatte. Sie meinte, daß ihr durch dieses Absingen das Silbenmaaß leichtflie- ßender würde. Auch an ihren Mann machte sie Ver- se, wie die Probe im Anhange beweist; er pflegte gut- launig darüber zu lächeln, weil er ganz dunkel den Vorzug fühlte, welchen seine Frau in dieser Gabe vor andern hatte; allein da er es nicht voraus sehen konn- te, daß jemals solche Arbeit Geld bringen würde, so machte er weiter nichts daraus. Indeß wurde sie doch mit dieser Gabe in der Stadt Schwiebus bekannt, und wen sie kannte, der wurde von ihr mit solchen Proben ihrer Reimlust beschenkt, weil sie jeden Gegenstand er- griff, woran ihr Feuer Nahrung fand. Einer sagte dem andern davon, und es kam bald vor die benach- barten Edelleute, daß sie Verse machen könnte. Man ward neugierig, sich selbst davon zu überzeugen, und sie wurde zuweilen zu solchen Herrschaften gerufen, welche sie alsdann mit etwas Münze dafür zu beschen- ken pflegten. Einsmals ließ man sie in eins der be- nachbarten Dörfer in eine adliche Assemblee kommen, wo sie mit vieler Gegenwart des Geistes jedem der
Arien nannte, wie davon im Anhang eine Probe zu finden iſt. Sie dachte ſich dieſelben in der Woche aus, und an dem Sonntag, wenn ihr Mann abweſend war, ſchrieb ſie ſie auf, indem ſie dieſelben nach irgend einer Melodie aufs Papier zu ſingen pflegte, welche Gewohn- heit ſie noch im ſpaͤten Alter hatte. Sie meinte, daß ihr durch dieſes Abſingen das Silbenmaaß leichtflie- ßender wuͤrde. Auch an ihren Mann machte ſie Ver- ſe, wie die Probe im Anhange beweiſt; er pflegte gut- launig daruͤber zu laͤcheln, weil er ganz dunkel den Vorzug fuͤhlte, welchen ſeine Frau in dieſer Gabe vor andern hatte; allein da er es nicht voraus ſehen konn- te, daß jemals ſolche Arbeit Geld bringen wuͤrde, ſo machte er weiter nichts daraus. Indeß wurde ſie doch mit dieſer Gabe in der Stadt Schwiebus bekannt, und wen ſie kannte, der wurde von ihr mit ſolchen Proben ihrer Reimluſt beſchenkt, weil ſie jeden Gegenſtand er- griff, woran ihr Feuer Nahrung fand. Einer ſagte dem andern davon, und es kam bald vor die benach- barten Edelleute, daß ſie Verſe machen koͤnnte. Man ward neugierig, ſich ſelbſt davon zu uͤberzeugen, und ſie wurde zuweilen zu ſolchen Herrſchaften gerufen, welche ſie alsdann mit etwas Muͤnze dafuͤr zu beſchen- ken pflegten. Einsmals ließ man ſie in eins der be- nachbarten Doͤrfer in eine adliche Aſſemblee kommen, wo ſie mit vieler Gegenwart des Geiſtes jedem der
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Arien nannte, wie davon im Anhang eine Probe zu
finden iſt. Sie dachte ſich dieſelben in der Woche aus,
und an dem Sonntag, wenn ihr Mann abweſend war,
ſchrieb ſie ſie auf, indem ſie dieſelben nach irgend einer
Melodie aufs Papier zu ſingen pflegte, welche Gewohn-
heit ſie noch im ſpaͤten Alter hatte. Sie meinte, daß
ihr durch dieſes Abſingen das Silbenmaaß leichtflie-
ßender wuͤrde. Auch an ihren Mann machte ſie Ver-
ſe, wie die Probe im Anhange beweiſt; er pflegte gut-
launig daruͤber zu laͤcheln, weil er ganz dunkel den
Vorzug fuͤhlte, welchen ſeine Frau in dieſer Gabe vor
andern hatte; allein da er es nicht voraus ſehen konn-
te, daß jemals ſolche Arbeit Geld bringen wuͤrde, ſo
machte er weiter nichts daraus. Indeß wurde ſie doch
mit dieſer Gabe in der Stadt Schwiebus bekannt, und
wen ſie kannte, der wurde von ihr mit ſolchen Proben
ihrer Reimluſt beſchenkt, weil ſie jeden Gegenſtand er-
griff, woran ihr Feuer Nahrung fand. Einer ſagte
dem andern davon, und es kam bald vor die benach-
barten Edelleute, daß ſie Verſe machen koͤnnte. Man
ward neugierig, ſich ſelbſt davon zu uͤberzeugen, und
ſie wurde zuweilen zu ſolchen Herrſchaften gerufen,
welche ſie alsdann mit etwas Muͤnze dafuͤr zu beſchen-
ken pflegten. Einsmals ließ man ſie in eins der be-
nachbarten Doͤrfer in eine adliche Aſſemblee kommen,
wo ſie mit vieler Gegenwart des Geiſtes jedem der
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/79>, abgerufen am 21.11.2024.
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