nicht kleidete, indem sie durchaus nicht zu solchen Ge- schäften geboren war. Allein, den wöchentlichen Faden ihrer Pflichten selbst, sie mochten auch noch so müh- sam seyn, lernte sie bald abspinnen, weil ihr Verstand zu allem fähig war; und sie übertraf darin stets ihren Meister, nur mit stiller und gesetzter Ordnung konnte sie nichts verrichten, weil sie sich überall vergaß. Das verdroß ihren eigensinnigen Mann gar sehr, und er wurde deswegen schon im ersten Jahre ihrer über- drüßig. Hätte er aber gewußt, welches edle Feuer in ihr wirkte, so würde er aus Eigennutz und Ehrgeiz sie besser geschätzt und gehalten haben; denn bey aller seiner üblen Laune hielt er doch auf den Punkt der Ehre, und in diesem Fall war ihm das Geld nicht zu lieb; ja, er wünschte nur deswegen reich zu werden, sich mit Ehre sehn lassen zu können. In bessern Glücksumständen wäre dieser Mann gut gewesen, an- statt daß er bey wenigem Einkommen ein böser Be- herrscher der Seinigen wurde.
Das arme junge Weibchen war zu bedauren; bey dem besten Willen, welchen sie hatte, ihrem Manne alles nach Wunsche zu thun, konnte sie doch nicht das Geringste handhaben, wobei sie nicht etwas verschüt- tete, im Wege liegen ließ, auf etwas trat, oder etwas verkehrt machte. Ihr Mann konnte darüber so böse werden, daß er oft handgreiflich wüthete. Dadurch
nicht kleidete, indem ſie durchaus nicht zu ſolchen Ge- ſchaͤften geboren war. Allein, den woͤchentlichen Faden ihrer Pflichten ſelbſt, ſie mochten auch noch ſo muͤh- ſam ſeyn, lernte ſie bald abſpinnen, weil ihr Verſtand zu allem faͤhig war; und ſie uͤbertraf darin ſtets ihren Meiſter, nur mit ſtiller und geſetzter Ordnung konnte ſie nichts verrichten, weil ſie ſich uͤberall vergaß. Das verdroß ihren eigenſinnigen Mann gar ſehr, und er wurde deswegen ſchon im erſten Jahre ihrer uͤber- druͤßig. Haͤtte er aber gewußt, welches edle Feuer in ihr wirkte, ſo wuͤrde er aus Eigennutz und Ehrgeiz ſie beſſer geſchaͤtzt und gehalten haben; denn bey aller ſeiner uͤblen Laune hielt er doch auf den Punkt der Ehre, und in dieſem Fall war ihm das Geld nicht zu lieb; ja, er wuͤnſchte nur deswegen reich zu werden, ſich mit Ehre ſehn laſſen zu koͤnnen. In beſſern Gluͤcksumſtaͤnden waͤre dieſer Mann gut geweſen, an- ſtatt daß er bey wenigem Einkommen ein boͤſer Be- herrſcher der Seinigen wurde.
Das arme junge Weibchen war zu bedauren; bey dem beſten Willen, welchen ſie hatte, ihrem Manne alles nach Wunſche zu thun, konnte ſie doch nicht das Geringſte handhaben, wobei ſie nicht etwas verſchuͤt- tete, im Wege liegen ließ, auf etwas trat, oder etwas verkehrt machte. Ihr Mann konnte daruͤber ſo boͤſe werden, daß er oft handgreiflich wuͤthete. Dadurch
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nicht kleidete, indem ſie durchaus nicht zu ſolchen Ge-
ſchaͤften geboren war. Allein, den woͤchentlichen Faden
ihrer Pflichten ſelbſt, ſie mochten auch noch ſo muͤh-
ſam ſeyn, lernte ſie bald abſpinnen, weil ihr Verſtand
zu allem faͤhig war; und ſie uͤbertraf darin ſtets ihren
Meiſter, nur mit ſtiller und geſetzter Ordnung konnte
ſie nichts verrichten, weil ſie ſich uͤberall vergaß. Das
verdroß ihren eigenſinnigen Mann gar ſehr, und er
wurde deswegen ſchon im erſten Jahre ihrer uͤber-
druͤßig. Haͤtte er aber gewußt, welches edle Feuer in
ihr wirkte, ſo wuͤrde er aus Eigennutz und Ehrgeiz ſie
beſſer geſchaͤtzt und gehalten haben; denn bey aller
ſeiner uͤblen Laune hielt er doch auf den Punkt der
Ehre, und in dieſem Fall war ihm das Geld nicht zu
lieb; ja, er wuͤnſchte nur deswegen reich zu werden,
ſich mit Ehre ſehn laſſen zu koͤnnen. In beſſern
Gluͤcksumſtaͤnden waͤre dieſer Mann gut geweſen, an-
ſtatt daß er bey wenigem Einkommen ein boͤſer Be-
herrſcher der Seinigen wurde.
Das arme junge Weibchen war zu bedauren; bey
dem beſten Willen, welchen ſie hatte, ihrem Manne
alles nach Wunſche zu thun, konnte ſie doch nicht das
Geringſte handhaben, wobei ſie nicht etwas verſchuͤt-
tete, im Wege liegen ließ, auf etwas trat, oder etwas
verkehrt machte. Ihr Mann konnte daruͤber ſo boͤſe
werden, daß er oft handgreiflich wuͤthete. Dadurch
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/74>, abgerufen am 21.11.2024.
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