Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

in Flechten aufgeschlagen. Statt des Kranzes trug
sie nach damaliger Sitte eine kleine Fontange von
Spitzen, welche auf ein goldenes Läppchen getollet
waren. Ueber einen großen Fischbeinrock blähete sich
der Brautrock von schwarzer Charge. Den schmalen
Leib zierte ein Kamisölchen vom nehmlichen Zeuge, ein
goldner Latz schimmerte vor der Brust, und goldge-
stickte Pantoffeln, nebst rothen Strümpfen mit bunten
Zwickeln paradirten an den Füßen; weiße zwirnene
Handschuh und ein kleiner Zobelmuff schmückten die
feine Hand. So stand sie vor dem Traualtar, wo sie
für einen unglücklichen Ehestand eingeseegnet wurde.

Nach dreytägiger Hochzeitfeyer wurde sie von ih-
rem Manne heimgeführt, und in ihr Joch gespannt.
Sobald er sie ganz allein in seiner Gewalt hatte, warf
er die Larve ab, und ließ es durch den unerträglichsten
Geitz ihr empfinden, daß er in Absicht der Mitgabe
sich betrogen hatte; denn sie hatte wirklich nichts mit-
bekommen, als eine Ausstattung von etwas Schmuck,
Kleidern und Hausgeräthe, und statt der eingebilde-
ten tausend Reichsthaler nur hundert. Darzu kam,
daß sie wegen ihrer großen Jugend und Vergeßlich-
keit noch ganz unerfahren in der Wirthschaft war,
und daß selbst ihre Bereitwilligkeit und ihr strengster
Gehorsam in ihren Pflichten kein Verdienst an ihr
schienen, weil ihr die Wirthschaftlichkeit ganz und gar

c 5

in Flechten aufgeſchlagen. Statt des Kranzes trug
ſie nach damaliger Sitte eine kleine Fontange von
Spitzen, welche auf ein goldenes Laͤppchen getollet
waren. Ueber einen großen Fiſchbeinrock blaͤhete ſich
der Brautrock von ſchwarzer Charge. Den ſchmalen
Leib zierte ein Kamiſoͤlchen vom nehmlichen Zeuge, ein
goldner Latz ſchimmerte vor der Bruſt, und goldge-
ſtickte Pantoffeln, nebſt rothen Struͤmpfen mit bunten
Zwickeln paradirten an den Fuͤßen; weiße zwirnene
Handſchuh und ein kleiner Zobelmuff ſchmuͤckten die
feine Hand. So ſtand ſie vor dem Traualtar, wo ſie
fuͤr einen ungluͤcklichen Eheſtand eingeſeegnet wurde.

Nach dreytaͤgiger Hochzeitfeyer wurde ſie von ih-
rem Manne heimgefuͤhrt, und in ihr Joch geſpannt.
Sobald er ſie ganz allein in ſeiner Gewalt hatte, warf
er die Larve ab, und ließ es durch den unertraͤglichſten
Geitz ihr empfinden, daß er in Abſicht der Mitgabe
ſich betrogen hatte; denn ſie hatte wirklich nichts mit-
bekommen, als eine Ausſtattung von etwas Schmuck,
Kleidern und Hausgeraͤthe, und ſtatt der eingebilde-
ten tauſend Reichsthaler nur hundert. Darzu kam,
daß ſie wegen ihrer großen Jugend und Vergeßlich-
keit noch ganz unerfahren in der Wirthſchaft war,
und daß ſelbſt ihre Bereitwilligkeit und ihr ſtrengſter
Gehorſam in ihren Pflichten kein Verdienſt an ihr
ſchienen, weil ihr die Wirthſchaftlichkeit ganz und gar

c 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0073" n="41"/>
in Flechten aufge&#x017F;chlagen. Statt des Kranzes trug<lb/>
&#x017F;ie nach damaliger Sitte eine kleine Fontange von<lb/>
Spitzen, welche auf ein goldenes La&#x0364;ppchen getollet<lb/>
waren. Ueber einen großen Fi&#x017F;chbeinrock bla&#x0364;hete &#x017F;ich<lb/>
der Brautrock von &#x017F;chwarzer Charge. Den &#x017F;chmalen<lb/>
Leib zierte ein Kami&#x017F;o&#x0364;lchen vom nehmlichen Zeuge, ein<lb/>
goldner Latz &#x017F;chimmerte vor der Bru&#x017F;t, und goldge-<lb/>
&#x017F;tickte Pantoffeln, neb&#x017F;t rothen Stru&#x0364;mpfen mit bunten<lb/>
Zwickeln paradirten an den Fu&#x0364;ßen; weiße zwirnene<lb/>
Hand&#x017F;chuh und ein kleiner Zobelmuff &#x017F;chmu&#x0364;ckten die<lb/>
feine Hand. <hi rendition="#g">So</hi> &#x017F;tand &#x017F;ie vor dem Traualtar, wo &#x017F;ie<lb/>
fu&#x0364;r einen unglu&#x0364;cklichen Ehe&#x017F;tand einge&#x017F;eegnet wurde.</p><lb/>
        <p>Nach dreyta&#x0364;giger Hochzeitfeyer wurde &#x017F;ie von ih-<lb/>
rem Manne heimgefu&#x0364;hrt, und in ihr Joch ge&#x017F;pannt.<lb/>
Sobald er &#x017F;ie ganz allein in &#x017F;einer Gewalt hatte, warf<lb/>
er die Larve ab, und ließ es durch den unertra&#x0364;glich&#x017F;ten<lb/>
Geitz ihr empfinden, daß er in Ab&#x017F;icht der Mitgabe<lb/>
&#x017F;ich betrogen hatte; denn &#x017F;ie hatte wirklich nichts mit-<lb/>
bekommen, als eine Aus&#x017F;tattung von etwas Schmuck,<lb/>
Kleidern und Hausgera&#x0364;the, und &#x017F;tatt der eingebilde-<lb/>
ten tau&#x017F;end Reichsthaler nur hundert. Darzu kam,<lb/>
daß &#x017F;ie wegen ihrer großen Jugend und Vergeßlich-<lb/>
keit noch ganz unerfahren in der Wirth&#x017F;chaft war,<lb/>
und daß &#x017F;elb&#x017F;t ihre Bereitwilligkeit und ihr &#x017F;treng&#x017F;ter<lb/>
Gehor&#x017F;am in ihren Pflichten kein Verdien&#x017F;t an ihr<lb/>
&#x017F;chienen, weil ihr die Wirth&#x017F;chaftlichkeit ganz und gar<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">c 5</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0073] in Flechten aufgeſchlagen. Statt des Kranzes trug ſie nach damaliger Sitte eine kleine Fontange von Spitzen, welche auf ein goldenes Laͤppchen getollet waren. Ueber einen großen Fiſchbeinrock blaͤhete ſich der Brautrock von ſchwarzer Charge. Den ſchmalen Leib zierte ein Kamiſoͤlchen vom nehmlichen Zeuge, ein goldner Latz ſchimmerte vor der Bruſt, und goldge- ſtickte Pantoffeln, nebſt rothen Struͤmpfen mit bunten Zwickeln paradirten an den Fuͤßen; weiße zwirnene Handſchuh und ein kleiner Zobelmuff ſchmuͤckten die feine Hand. So ſtand ſie vor dem Traualtar, wo ſie fuͤr einen ungluͤcklichen Eheſtand eingeſeegnet wurde. Nach dreytaͤgiger Hochzeitfeyer wurde ſie von ih- rem Manne heimgefuͤhrt, und in ihr Joch geſpannt. Sobald er ſie ganz allein in ſeiner Gewalt hatte, warf er die Larve ab, und ließ es durch den unertraͤglichſten Geitz ihr empfinden, daß er in Abſicht der Mitgabe ſich betrogen hatte; denn ſie hatte wirklich nichts mit- bekommen, als eine Ausſtattung von etwas Schmuck, Kleidern und Hausgeraͤthe, und ſtatt der eingebilde- ten tauſend Reichsthaler nur hundert. Darzu kam, daß ſie wegen ihrer großen Jugend und Vergeßlich- keit noch ganz unerfahren in der Wirthſchaft war, und daß ſelbſt ihre Bereitwilligkeit und ihr ſtrengſter Gehorſam in ihren Pflichten kein Verdienſt an ihr ſchienen, weil ihr die Wirthſchaftlichkeit ganz und gar c 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/73
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/73>, abgerufen am 21.11.2024.