Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Wie Greis und Jüngling hingesunken,
Ein Schaudern überfällt Dein Reich,
Als fühlt es noch den Säbelstreich;
Doch nein, es fühlt des Friedens Reiz, und wird von
seiner Freude trunken.

Der Scyte kommt, man holt ihn ein,
Man drängt sich um den rothen Bunde,
Der ihn bedeckt, vorzüglich nah zu seyn.
Sein Ansehn schlägt uns keine Wunde,
Sein durch die Zeit beschneites Haar
Zeigt den gefürchteten Barbar
In einem freundschaftlichen Bilde.
Das Volk steht da, und staunt ihn an,
Und spricht: o seht, der Muselmann
Ist nicht so grausam, als ihr denkt: das Gute blinket
durch das Wilde.
Man sah ihn auf die Stufen gehn,
Die, Herr, zu Deinem Throne führen;
Doch, o Monarch! hier bleibt die Muse stehn,
Nur stille Ehrfurcht muß sie rühren,
Im Geist hat sie nur hingeblickt,
Wie Stambol sich vor Dir gebückt.
Die Lüfte lispelten die Worte,
Z

Wie Greis und Juͤngling hingeſunken,
Ein Schaudern uͤberfaͤllt Dein Reich,
Als fuͤhlt es noch den Saͤbelſtreich;
Doch nein, es fuͤhlt des Friedens Reiz, und wird von
ſeiner Freude trunken.

Der Scyte kommt, man holt ihn ein,
Man draͤngt ſich um den rothen Bunde,
Der ihn bedeckt, vorzuͤglich nah zu ſeyn.
Sein Anſehn ſchlaͤgt uns keine Wunde,
Sein durch die Zeit beſchneites Haar
Zeigt den gefuͤrchteten Barbar
In einem freundſchaftlichen Bilde.
Das Volk ſteht da, und ſtaunt ihn an,
Und ſpricht: o ſeht, der Muſelmann
Iſt nicht ſo grauſam, als ihr denkt: das Gute blinket
durch das Wilde.
Man ſah ihn auf die Stufen gehn,
Die, Herr, zu Deinem Throne fuͤhren;
Doch, o Monarch! hier bleibt die Muſe ſtehn,
Nur ſtille Ehrfurcht muß ſie ruͤhren,
Im Geiſt hat ſie nur hingeblickt,
Wie Stambol ſich vor Dir gebuͤckt.
Die Luͤfte lispelten die Worte,
Z
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="2">
              <pb facs="#f0513" n="353"/>
              <l>Wie Greis und Ju&#x0364;ngling hinge&#x017F;unken,</l><lb/>
              <l>Ein Schaudern u&#x0364;berfa&#x0364;llt Dein Reich,</l><lb/>
              <l>Als fu&#x0364;hlt es noch den Sa&#x0364;bel&#x017F;treich;</l><lb/>
              <l>Doch nein, es fu&#x0364;hlt des Friedens Reiz, und wird von</l><lb/>
              <l>&#x017F;einer Freude trunken.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Der Scyte kommt, man holt ihn ein,</l><lb/>
              <l>Man dra&#x0364;ngt &#x017F;ich um den rothen Bunde,</l><lb/>
              <l>Der ihn bedeckt, vorzu&#x0364;glich nah zu &#x017F;eyn.</l><lb/>
              <l>Sein An&#x017F;ehn &#x017F;chla&#x0364;gt uns keine Wunde,</l><lb/>
              <l>Sein durch die Zeit be&#x017F;chneites Haar</l><lb/>
              <l>Zeigt den gefu&#x0364;rchteten Barbar</l><lb/>
              <l>In einem freund&#x017F;chaftlichen Bilde.</l><lb/>
              <l>Das Volk &#x017F;teht da, und &#x017F;taunt ihn an,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;pricht: o &#x017F;eht, der Mu&#x017F;elmann</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t nicht &#x017F;o grau&#x017F;am, als ihr denkt: das Gute blinket</l><lb/>
              <l>durch das Wilde.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Man &#x017F;ah ihn auf die Stufen gehn,</l><lb/>
              <l>Die, Herr, zu Deinem Throne fu&#x0364;hren;</l><lb/>
              <l>Doch, o Monarch! hier bleibt die Mu&#x017F;e &#x017F;tehn,</l><lb/>
              <l>Nur &#x017F;tille Ehrfurcht muß &#x017F;ie ru&#x0364;hren,</l><lb/>
              <l>Im Gei&#x017F;t hat &#x017F;ie nur hingeblickt,</l><lb/>
              <l>Wie Stambol &#x017F;ich vor Dir gebu&#x0364;ckt.</l><lb/>
              <l>Die Lu&#x0364;fte lispelten die Worte,</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">Z</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[353/0513] Wie Greis und Juͤngling hingeſunken, Ein Schaudern uͤberfaͤllt Dein Reich, Als fuͤhlt es noch den Saͤbelſtreich; Doch nein, es fuͤhlt des Friedens Reiz, und wird von ſeiner Freude trunken. Der Scyte kommt, man holt ihn ein, Man draͤngt ſich um den rothen Bunde, Der ihn bedeckt, vorzuͤglich nah zu ſeyn. Sein Anſehn ſchlaͤgt uns keine Wunde, Sein durch die Zeit beſchneites Haar Zeigt den gefuͤrchteten Barbar In einem freundſchaftlichen Bilde. Das Volk ſteht da, und ſtaunt ihn an, Und ſpricht: o ſeht, der Muſelmann Iſt nicht ſo grauſam, als ihr denkt: das Gute blinket durch das Wilde. Man ſah ihn auf die Stufen gehn, Die, Herr, zu Deinem Throne fuͤhren; Doch, o Monarch! hier bleibt die Muſe ſtehn, Nur ſtille Ehrfurcht muß ſie ruͤhren, Im Geiſt hat ſie nur hingeblickt, Wie Stambol ſich vor Dir gebuͤckt. Die Luͤfte lispelten die Worte, Z

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/513
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/513>, abgerufen am 22.11.2024.