auf, und führte ihn leuchtend fort; unbekümmert, wo er seinen Ruhepunkt nehmen würde.
Sie lernte Sulzern kennen, diesen strengen Phi- losophen; auch er ward ihr Freund und der wärmste Aufmunterer ihrer Muse. Allein obgleich diese beiden Männer, nebst Mendelssohn, damals unter den Ge- lehrten zu Berlin die Sterne der ersten Größe wa- ren, für welche die Karschin mehr als Hochachtung hatte, so war sie doch zu sehr Genie, um ihnen zu folgen; sie ging ihren eigenen Gang.
Die vornehmsten Privathäuser, die feinsten Fa- milien nahmen sie in ihre Gesellschaft und Freund- schaft auf; und das war ihr beinahe nothwendiger, als der Umgang mit Gelehrten, weil sie ihre Auf- munterung und ihren Privatnutzen beförderten! denn bei ihrem Wohlthäter, den Baron von Kottwitz, hatte sie zwar Wohnung und Bequemlichkeit für sich und ihre Tochter, allein auf eine kurze und unbestimmte Weise; denn dieser Herr war im Begriff, sich zu ver- mählen. Er kaufte zu solchem Ende ein Haus, welches dazu eingerichtet ward. Unterdessen er seinem Vor- haben immer näher kam, ward er plötzlich krank. Die Krankheit ließ eine schwere Hypochondrie zurück, wel- che ihn auf einige Zeit alles Gebrauchs der Freude am Leben beraubte. Die Heirath ging zurück, und er reisete nach seinen Gütern, um dort seine Besse-
auf, und fuͤhrte ihn leuchtend fort; unbekuͤmmert, wo er ſeinen Ruhepunkt nehmen wuͤrde.
Sie lernte Sulzern kennen, dieſen ſtrengen Phi- loſophen; auch er ward ihr Freund und der waͤrmſte Aufmunterer ihrer Muſe. Allein obgleich dieſe beiden Maͤnner, nebſt Mendelsſohn, damals unter den Ge- lehrten zu Berlin die Sterne der erſten Groͤße wa- ren, fuͤr welche die Karſchin mehr als Hochachtung hatte, ſo war ſie doch zu ſehr Genie, um ihnen zu folgen; ſie ging ihren eigenen Gang.
Die vornehmſten Privathaͤuſer, die feinſten Fa- milien nahmen ſie in ihre Geſellſchaft und Freund- ſchaft auf; und das war ihr beinahe nothwendiger, als der Umgang mit Gelehrten, weil ſie ihre Auf- munterung und ihren Privatnutzen befoͤrderten! denn bei ihrem Wohlthaͤter, den Baron von Kottwitz, hatte ſie zwar Wohnung und Bequemlichkeit fuͤr ſich und ihre Tochter, allein auf eine kurze und unbeſtimmte Weiſe; denn dieſer Herr war im Begriff, ſich zu ver- maͤhlen. Er kaufte zu ſolchem Ende ein Haus, welches dazu eingerichtet ward. Unterdeſſen er ſeinem Vor- haben immer naͤher kam, ward er ploͤtzlich krank. Die Krankheit ließ eine ſchwere Hypochondrie zuruͤck, wel- che ihn auf einige Zeit alles Gebrauchs der Freude am Leben beraubte. Die Heirath ging zuruͤck, und er reiſete nach ſeinen Guͤtern, um dort ſeine Beſſe-
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auf, und fuͤhrte ihn leuchtend fort; unbekuͤmmert,
wo er ſeinen Ruhepunkt nehmen wuͤrde.
Sie lernte Sulzern kennen, dieſen ſtrengen Phi-
loſophen; auch er ward ihr Freund und der waͤrmſte
Aufmunterer ihrer Muſe. Allein obgleich dieſe beiden
Maͤnner, nebſt Mendelsſohn, damals unter den Ge-
lehrten zu Berlin die Sterne der erſten Groͤße wa-
ren, fuͤr welche die Karſchin mehr als Hochachtung
hatte, ſo war ſie doch zu ſehr Genie, um ihnen zu
folgen; ſie ging ihren eigenen Gang.
Die vornehmſten Privathaͤuſer, die feinſten Fa-
milien nahmen ſie in ihre Geſellſchaft und Freund-
ſchaft auf; und das war ihr beinahe nothwendiger,
als der Umgang mit Gelehrten, weil ſie ihre Auf-
munterung und ihren Privatnutzen befoͤrderten! denn
bei ihrem Wohlthaͤter, den Baron von Kottwitz, hatte
ſie zwar Wohnung und Bequemlichkeit fuͤr ſich und
ihre Tochter, allein auf eine kurze und unbeſtimmte
Weiſe; denn dieſer Herr war im Begriff, ſich zu ver-
maͤhlen. Er kaufte zu ſolchem Ende ein Haus, welches
dazu eingerichtet ward. Unterdeſſen er ſeinem Vor-
haben immer naͤher kam, ward er ploͤtzlich krank. Die
Krankheit ließ eine ſchwere Hypochondrie zuruͤck, wel-
che ihn auf einige Zeit alles Gebrauchs der Freude
am Leben beraubte. Die Heirath ging zuruͤck, und
er reiſete nach ſeinen Guͤtern, um dort ſeine Beſſe-
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/124>, abgerufen am 21.11.2024.
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