Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

schlummern legte. Sie hatte nur Einen Gedanken:
ihren Wohlthäter! alles was ihr wiederfuhr, alles
was ihre Sinne berührte, schien von seinem Einflusse
beseelt zu seyn. Sie sah in allem nur ihn, und in ihm
die wunderthätige Hand Gottes. So oft sie allein war,
lag sie auf ihren Knieen, und ihre Dankgefühle flossen
in Thränen über.

Doch, wie Schiffe noch im Hafen scheitern können,
so drohete auch hier der Dichterin im Hafen ihrer Glück-
seligkeit ein zurückschlagender Sturm, denn in Krossen
fand sie ihren Mann. Der Schreck betäubte sie auf:
einige Augenblicke, da sie ihn gewahr wurde und er sich
ihr näherte; weil sie aber in hochfreiherrlichem Schutze
reisete so war auf des Mannes Seite auch Furcht,
und er, anstatt zu wüthen, fiel ihr um den Hals mit
freundlichen Worten und Thränen der Reue. Er nahm
seine Zuflucht zu Bitten und Vorstellungen, so rührend
es ihm möglich war. Hätte sie nicht adeliche Bedek-
kung gehabt, so würde sie aus Furcht ihn erhört ha-
ben; allein da sie die Uebermacht gegen ihn in Händen
hatte, so antwortete sie mit gleicher Freundlichkeit und
eben so dringenden Vorstellungen von ihrer Seite:
daß es so wenig möglich als nützlich wäre, sich wieder
mit ihm zu vereinigen. Dennoch ließ er mit Bitten
und Weinen bis auf den Augenblick ihrer Abreise nicht
nach, wo er aber auch seinen Ton nicht änderte, ver-

ſchlummern legte. Sie hatte nur Einen Gedanken:
ihren Wohlthaͤter! alles was ihr wiederfuhr, alles
was ihre Sinne beruͤhrte, ſchien von ſeinem Einfluſſe
beſeelt zu ſeyn. Sie ſah in allem nur ihn, und in ihm
die wunderthaͤtige Hand Gottes. So oft ſie allein war,
lag ſie auf ihren Knieen, und ihre Dankgefuͤhle floſſen
in Thraͤnen uͤber.

Doch, wie Schiffe noch im Hafen ſcheitern koͤnnen,
ſo drohete auch hier der Dichterin im Hafen ihrer Gluͤck-
ſeligkeit ein zuruͤckſchlagender Sturm, denn in Kroſſen
fand ſie ihren Mann. Der Schreck betaͤubte ſie auf:
einige Augenblicke, da ſie ihn gewahr wurde und er ſich
ihr naͤherte; weil ſie aber in hochfreiherrlichem Schutze
reiſete ſo war auf des Mannes Seite auch Furcht,
und er, anſtatt zu wuͤthen, fiel ihr um den Hals mit
freundlichen Worten und Thraͤnen der Reue. Er nahm
ſeine Zuflucht zu Bitten und Vorſtellungen, ſo ruͤhrend
es ihm moͤglich war. Haͤtte ſie nicht adeliche Bedek-
kung gehabt, ſo wuͤrde ſie aus Furcht ihn erhoͤrt ha-
ben; allein da ſie die Uebermacht gegen ihn in Haͤnden
hatte, ſo antwortete ſie mit gleicher Freundlichkeit und
eben ſo dringenden Vorſtellungen von ihrer Seite:
daß es ſo wenig moͤglich als nuͤtzlich waͤre, ſich wieder
mit ihm zu vereinigen. Dennoch ließ er mit Bitten
und Weinen bis auf den Augenblick ihrer Abreiſe nicht
nach, wo er aber auch ſeinen Ton nicht aͤnderte, ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0118" n="86"/>
&#x017F;chlummern legte. Sie hatte nur Einen Gedanken:<lb/><hi rendition="#g">ihren Wohltha&#x0364;ter</hi>! alles was ihr wiederfuhr, alles<lb/>
was ihre Sinne beru&#x0364;hrte, &#x017F;chien von &#x017F;einem Einflu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
be&#x017F;eelt zu &#x017F;eyn. Sie &#x017F;ah in allem nur ihn, und in ihm<lb/>
die wundertha&#x0364;tige Hand Gottes. So oft &#x017F;ie allein war,<lb/>
lag &#x017F;ie auf ihren Knieen, und ihre Dankgefu&#x0364;hle flo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
in Thra&#x0364;nen u&#x0364;ber.</p><lb/>
        <p>Doch, wie Schiffe noch im Hafen &#x017F;cheitern ko&#x0364;nnen,<lb/>
&#x017F;o drohete auch hier der Dichterin im Hafen ihrer Glu&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;eligkeit ein zuru&#x0364;ck&#x017F;chlagender Sturm, denn in Kro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
fand &#x017F;ie ihren Mann. Der Schreck beta&#x0364;ubte &#x017F;ie auf:<lb/>
einige Augenblicke, da &#x017F;ie ihn gewahr wurde und er &#x017F;ich<lb/>
ihr na&#x0364;herte; weil &#x017F;ie aber in hochfreiherrlichem Schutze<lb/>
rei&#x017F;ete &#x017F;o war auf des Mannes Seite auch Furcht,<lb/>
und er, an&#x017F;tatt zu wu&#x0364;then, fiel ihr um den Hals mit<lb/>
freundlichen Worten und Thra&#x0364;nen der Reue. Er nahm<lb/>
&#x017F;eine Zuflucht zu Bitten und Vor&#x017F;tellungen, &#x017F;o ru&#x0364;hrend<lb/>
es ihm mo&#x0364;glich war. Ha&#x0364;tte &#x017F;ie nicht adeliche Bedek-<lb/>
kung gehabt, &#x017F;o wu&#x0364;rde &#x017F;ie aus Furcht ihn erho&#x0364;rt ha-<lb/>
ben; allein da &#x017F;ie die Uebermacht gegen ihn in Ha&#x0364;nden<lb/>
hatte, &#x017F;o antwortete &#x017F;ie mit gleicher Freundlichkeit und<lb/>
eben &#x017F;o dringenden Vor&#x017F;tellungen von ihrer Seite:<lb/>
daß es &#x017F;o wenig mo&#x0364;glich als nu&#x0364;tzlich wa&#x0364;re, &#x017F;ich wieder<lb/>
mit ihm zu vereinigen. Dennoch ließ er mit Bitten<lb/>
und Weinen bis auf den Augenblick ihrer Abrei&#x017F;e nicht<lb/>
nach, wo er aber auch &#x017F;einen Ton nicht a&#x0364;nderte, ver-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0118] ſchlummern legte. Sie hatte nur Einen Gedanken: ihren Wohlthaͤter! alles was ihr wiederfuhr, alles was ihre Sinne beruͤhrte, ſchien von ſeinem Einfluſſe beſeelt zu ſeyn. Sie ſah in allem nur ihn, und in ihm die wunderthaͤtige Hand Gottes. So oft ſie allein war, lag ſie auf ihren Knieen, und ihre Dankgefuͤhle floſſen in Thraͤnen uͤber. Doch, wie Schiffe noch im Hafen ſcheitern koͤnnen, ſo drohete auch hier der Dichterin im Hafen ihrer Gluͤck- ſeligkeit ein zuruͤckſchlagender Sturm, denn in Kroſſen fand ſie ihren Mann. Der Schreck betaͤubte ſie auf: einige Augenblicke, da ſie ihn gewahr wurde und er ſich ihr naͤherte; weil ſie aber in hochfreiherrlichem Schutze reiſete ſo war auf des Mannes Seite auch Furcht, und er, anſtatt zu wuͤthen, fiel ihr um den Hals mit freundlichen Worten und Thraͤnen der Reue. Er nahm ſeine Zuflucht zu Bitten und Vorſtellungen, ſo ruͤhrend es ihm moͤglich war. Haͤtte ſie nicht adeliche Bedek- kung gehabt, ſo wuͤrde ſie aus Furcht ihn erhoͤrt ha- ben; allein da ſie die Uebermacht gegen ihn in Haͤnden hatte, ſo antwortete ſie mit gleicher Freundlichkeit und eben ſo dringenden Vorſtellungen von ihrer Seite: daß es ſo wenig moͤglich als nuͤtzlich waͤre, ſich wieder mit ihm zu vereinigen. Dennoch ließ er mit Bitten und Weinen bis auf den Augenblick ihrer Abreiſe nicht nach, wo er aber auch ſeinen Ton nicht aͤnderte, ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/118
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/118>, abgerufen am 18.04.2024.