schließen; weil jene Art Urtheile gar nicht aufs Object geht. Eben darum aber muß auch die ästhetische Allge- meinheit, die einem Urtheile beygelegt wird, von beson- derer Art seyn, weil sie das Prädikat der Schönheit nicht mit dem Begriffe des Objects in seiner ganzeu Sphäre betrachtet, verknüpft, und doch eben dasselbe über die ganze Sphäre der Urtheilenden ausdehnt.
Jn Ansehung der logischen Quantität sind alle Ge- schmacksurtheile einzelne Urtheile. Denn weil ich den Gegenstand unmittelbar an mein Gefühl der Lust und Unlust halten muß, uud doch nicht durch Begriffe, so kann es nicht die Quantität eines objectiv-gemeingülti- gen Urtheils haben, obgleich wenn die einzelne Vorstel- lung des Objects des Geschmacksurtheils nach den Be- dingungen, die das letztere bestimmen, durch Verglei- chung in einen Begrif verwandelt wird, ein logisch all- gemeines Urtheil daraus werden kann, z. B. die Rose, die ich anblicke, erkläre ich durch ein Geschmacksurtheil für schön. Dagegen ist das Urtheil, welches durch Ver- gleichung vieler einzelnen entspringt: die Rosen über- haupt sind schön, nunmehr nicht blos als ästhetisches, son- dern als ein auf einem ästhetisches gegründetes logisches Urtheil ausgesagt. Nun ist das Urtheil: die Rose ist (im Gebrauche) angenehm zwar auch ein ästhetisches und einzelnes aber kein Geschmacks-sondern Sinnen- urtheil. Es unterscheidet sich nämlich vom ersteren darin: daß das Geschmacksurtheil eine ästhetische Quantität
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
ſchließen; weil jene Art Urtheile gar nicht aufs Object geht. Eben darum aber muß auch die aͤſthetiſche Allge- meinheit, die einem Urtheile beygelegt wird, von beſon- derer Art ſeyn, weil ſie das Praͤdikat der Schoͤnheit nicht mit dem Begriffe des Objects in ſeiner ganzeu Sphaͤre betrachtet, verknuͤpft, und doch eben daſſelbe uͤber die ganze Sphaͤre der Urtheilenden ausdehnt.
Jn Anſehung der logiſchen Quantitaͤt ſind alle Ge- ſchmacksurtheile einzelne Urtheile. Denn weil ich den Gegenſtand unmittelbar an mein Gefuͤhl der Luſt und Unluſt halten muß, uud doch nicht durch Begriffe, ſo kann es nicht die Quantitaͤt eines objectiv-gemeinguͤlti- gen Urtheils haben, obgleich wenn die einzelne Vorſtel- lung des Objects des Geſchmacksurtheils nach den Be- dingungen, die das letztere beſtimmen, durch Verglei- chung in einen Begrif verwandelt wird, ein logiſch all- gemeines Urtheil daraus werden kann, z. B. die Roſe, die ich anblicke, erklaͤre ich durch ein Geſchmacksurtheil fuͤr ſchoͤn. Dagegen iſt das Urtheil, welches durch Ver- gleichung vieler einzelnen entſpringt: die Roſen uͤber- haupt ſind ſchoͤn, nunmehr nicht blos als aͤſthetiſches, ſon- dern als ein auf einem aͤſthetiſches gegruͤndetes logiſches Urtheil ausgeſagt. Nun iſt das Urtheil: die Roſe iſt (im Gebrauche) angenehm zwar auch ein aͤſthetiſches und einzelnes aber kein Geſchmacks-ſondern Sinnen- urtheil. Es unterſcheidet ſich naͤmlich vom erſteren darin: daß das Geſchmacksurtheil eine aͤſthetiſche Quantitaͤt
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I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
ſchließen; weil jene Art Urtheile gar nicht aufs Object
geht. Eben darum aber muß auch die aͤſthetiſche Allge-
meinheit, die einem Urtheile beygelegt wird, von beſon-
derer Art ſeyn, weil ſie das Praͤdikat der Schoͤnheit nicht
mit dem Begriffe des Objects in ſeiner ganzeu Sphaͤre
betrachtet, verknuͤpft, und doch eben daſſelbe uͤber die
ganze Sphaͤre der Urtheilenden ausdehnt.
Jn Anſehung der logiſchen Quantitaͤt ſind alle Ge-
ſchmacksurtheile einzelne Urtheile. Denn weil ich den
Gegenſtand unmittelbar an mein Gefuͤhl der Luſt und
Unluſt halten muß, uud doch nicht durch Begriffe, ſo
kann es nicht die Quantitaͤt eines objectiv-gemeinguͤlti-
gen Urtheils haben, obgleich wenn die einzelne Vorſtel-
lung des Objects des Geſchmacksurtheils nach den Be-
dingungen, die das letztere beſtimmen, durch Verglei-
chung in einen Begrif verwandelt wird, ein logiſch all-
gemeines Urtheil daraus werden kann, z. B. die Roſe,
die ich anblicke, erklaͤre ich durch ein Geſchmacksurtheil
fuͤr ſchoͤn. Dagegen iſt das Urtheil, welches durch Ver-
gleichung vieler einzelnen entſpringt: die Roſen uͤber-
haupt ſind ſchoͤn, nunmehr nicht blos als aͤſthetiſches, ſon-
dern als ein auf einem aͤſthetiſches gegruͤndetes logiſches
Urtheil ausgeſagt. Nun iſt das Urtheil: die Roſe iſt
(im Gebrauche) angenehm zwar auch ein aͤſthetiſches
und einzelnes aber kein Geſchmacks-ſondern Sinnen-
urtheil. Es unterſcheidet ſich naͤmlich vom erſteren darin:
daß das Geſchmacksurtheil eine aͤſthetiſche Quantitaͤt
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/88>, abgerufen am 27.11.2024.
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