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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

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II. Th. Critik der teleologischen Urtheilskraft.
durch der Umfang unseres theoretischen Wissens im
mindesten erweitert würde) statt finde und unter die
allgemeine Principien der Natur der Dinge der be-
sondere Begrif eines übersinnlichen Wesens gar nicht
subsumirt werden könne, um von jenen auf dieses zu
schließen; weil jene Principien lediglich für die Natur,
als Gegenstand der Sinne gelten.

2) Man kann sich zwar von zwey ungleichartigen
Dingen, eben in dem Puncte ihrer Ungleichartigkeit,
eines derselben doch nach einer Analogie *) mit dem

*) Analogie (in qualitativer Bedeutung) ist die Jdeetität des
Verhältnisses zwischen Gründen und Folgen (Ursachen und
Wirkungen), so fern sie, unerachtet der specifischen Ver-
schiedenheit der Dinge, oder derjenigen Eigenschaften an
sich (d. i. ausser diesem Verhältnisse betrachtet), welche den
Grund von ähnlichen Folgen enthalten, statt findet. So
denken wir uns zu den Kunsthandlungen der Thiere, in
Vergleichung mit denen des Menschen, den Grund dieser
Wirkungen in den ersteren, den wir nicht kennen, mit dem
Grunde ähnlicher Wirkungen des Menschen (der Vernunft),
den wir kennen, als Analogon der Vernunft und wollen
damit zugleich anzeigen: daß der Grund des thierischen
Kunstvermögens, unter der Benennung eines Jnstincts,
von der Vernunft in der That specifisch unterschieden, doch
auf die Wirkung (der Bau der Bieber mit dem der Men-
schen verglichen) ein ähnliches Verhältnis habe. -- Des-
wegen aber kann ich daraus, weil der Mensch zu seinem
Bauen Vernunst braucht, nicht schließen, daß der Bieber
auch dergleichen haben müsse und es einen Schlus nach der
Analogie nennen. Aber aus der ähnlichen Wirkungsart
der Thiere (wovon wir den Grund nicht unmittelbar war[-]

II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
durch der Umfang unſeres theoretiſchen Wiſſens im
mindeſten erweitert wuͤrde) ſtatt finde und unter die
allgemeine Principien der Natur der Dinge der be-
ſondere Begrif eines uͤberſinnlichen Weſens gar nicht
ſubſumirt werden koͤnne, um von jenen auf dieſes zu
ſchließen; weil jene Principien lediglich fuͤr die Natur,
als Gegenſtand der Sinne gelten.

2) Man kann ſich zwar von zwey ungleichartigen
Dingen, eben in dem Puncte ihrer Ungleichartigkeit,
eines derſelben doch nach einer Analogie *) mit dem

*) Analogie (in qualitativer Bedeutung) iſt die Jdeetitaͤt des
Verhaͤltniſſes zwiſchen Gruͤnden und Folgen (Urſachen und
Wirkungen), ſo fern ſie, unerachtet der ſpecifiſchen Ver-
ſchiedenheit der Dinge, oder derjenigen Eigenſchaften an
ſich (d. i. auſſer dieſem Verhaͤltniſſe betrachtet), welche den
Grund von aͤhnlichen Folgen enthalten, ſtatt findet. So
denken wir uns zu den Kunſthandlungen der Thiere, in
Vergleichung mit denen des Menſchen, den Grund dieſer
Wirkungen in den erſteren, den wir nicht kennen, mit dem
Grunde aͤhnlicher Wirkungen des Menſchen (der Vernunft),
den wir kennen, als Analogon der Vernunft und wollen
damit zugleich anzeigen: daß der Grund des thieriſchen
Kunſtvermoͤgens, unter der Benennung eines Jnſtincts,
von der Vernunft in der That ſpecifiſch unterſchieden, doch
auf die Wirkung (der Bau der Bieber mit dem der Men-
ſchen verglichen) ein aͤhnliches Verhaͤltnis habe. — Des-
wegen aber kann ich daraus, weil der Menſch zu ſeinem
Bauen Vernunſt braucht, nicht ſchließen, daß der Bieber
auch dergleichen haben muͤſſe und es einen Schlus nach der
Analogie nennen. Aber aus der aͤhnlichen Wirkungsart
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[443/0507] II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft. durch der Umfang unſeres theoretiſchen Wiſſens im mindeſten erweitert wuͤrde) ſtatt finde und unter die allgemeine Principien der Natur der Dinge der be- ſondere Begrif eines uͤberſinnlichen Weſens gar nicht ſubſumirt werden koͤnne, um von jenen auf dieſes zu ſchließen; weil jene Principien lediglich fuͤr die Natur, als Gegenſtand der Sinne gelten. 2) Man kann ſich zwar von zwey ungleichartigen Dingen, eben in dem Puncte ihrer Ungleichartigkeit, eines derſelben doch nach einer Analogie *) mit dem *) Analogie (in qualitativer Bedeutung) iſt die Jdeetitaͤt des Verhaͤltniſſes zwiſchen Gruͤnden und Folgen (Urſachen und Wirkungen), ſo fern ſie, unerachtet der ſpecifiſchen Ver- ſchiedenheit der Dinge, oder derjenigen Eigenſchaften an ſich (d. i. auſſer dieſem Verhaͤltniſſe betrachtet), welche den Grund von aͤhnlichen Folgen enthalten, ſtatt findet. So denken wir uns zu den Kunſthandlungen der Thiere, in Vergleichung mit denen des Menſchen, den Grund dieſer Wirkungen in den erſteren, den wir nicht kennen, mit dem Grunde aͤhnlicher Wirkungen des Menſchen (der Vernunft), den wir kennen, als Analogon der Vernunft und wollen damit zugleich anzeigen: daß der Grund des thieriſchen Kunſtvermoͤgens, unter der Benennung eines Jnſtincts, von der Vernunft in der That ſpecifiſch unterſchieden, doch auf die Wirkung (der Bau der Bieber mit dem der Men- ſchen verglichen) ein aͤhnliches Verhaͤltnis habe. — Des- wegen aber kann ich daraus, weil der Menſch zu ſeinem Bauen Vernunſt braucht, nicht ſchließen, daß der Bieber auch dergleichen haben muͤſſe und es einen Schlus nach der Analogie nennen. Aber aus der aͤhnlichen Wirkungsart der Thiere (wovon wir den Grund nicht unmittelbar war-

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/507>, abgerufen am 09.05.2024.