Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Th. Critik der teleologischen Urtheilskraft.
und vermindert, ein gewisses Gleichgewicht unter den
hervorbringenden und den zerstöhrenden Kräften der
Natur gestiftet werde: Und so würde der Mensch, so
sehr er auch in gewisser Beziehung als Zweck gewürdigt
seyn möchte, doch in anderer wiederum nur den Rang
eines Mittels haben.

Wenn man sich eine objective Zweckmäßigkeit in der
Mannigfaltigkeit der Gattungen der Erdgeschöpfe und
ihrem äußern Verhältnisse zu einander, als zweckmäßig
construirter Wesen, zum Princip macht, so ist es der
Vernunft gemäs sich in diesem Verhältnisse wiederum
eine gewisse Organisation und ein System aller Natur-
reiche nach Endursachen zu denken; allein hier scheint die
Erfahrung der Vernunftmaxime lant zu widersprechen,
vornemlich was einen letzten Zweck der Natur betrift,
der doch zu der Möglichkeit eines solchen Systems erfor-
derlich ist, und den wir nirgends anders als im Men-
schen setzen können: da vielmehr in Ansehung dieses, als
einer der vielen Thiergattungen die Natur so wenig von
den zerstöhrenden als erzeugenden Kräften die min
deste Ausnahme gemacht hat, alles einem Mechanism
derselben, ohne einen Zweck zu unterwerfen.

Das erste, was in einer Anordnung zu einem zweck-
mäßigen Ganzen der Naturwesen auf der Erde absicht-
lich eingerichtet seyn mußte, würde wohl ihr Wohnplatz,
der Boden und das Element seyn, auf und in welchem
sie ihr Fortkommen haben sollten. Allein eine genauere

II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
und vermindert, ein gewiſſes Gleichgewicht unter den
hervorbringenden und den zerſtoͤhrenden Kraͤften der
Natur geſtiftet werde: Und ſo wuͤrde der Menſch, ſo
ſehr er auch in gewiſſer Beziehung als Zweck gewuͤrdigt
ſeyn moͤchte, doch in anderer wiederum nur den Rang
eines Mittels haben.

Wenn man ſich eine objective Zweckmaͤßigkeit in der
Mannigfaltigkeit der Gattungen der Erdgeſchoͤpfe und
ihrem aͤußern Verhaͤltniſſe zu einander, als zweckmaͤßig
conſtruirter Weſen, zum Princip macht, ſo iſt es der
Vernunft gemaͤs ſich in dieſem Verhaͤltniſſe wiederum
eine gewiſſe Organiſation und ein Syſtem aller Natur-
reiche nach Endurſachen zu denken; allein hier ſcheint die
Erfahrung der Vernunftmaxime lant zu widerſprechen,
vornemlich was einen letzten Zweck der Natur betrift,
der doch zu der Moͤglichkeit eines ſolchen Syſtems erfor-
derlich iſt, und den wir nirgends anders als im Men-
ſchen ſetzen koͤnnen: da vielmehr in Anſehung dieſes, als
einer der vielen Thiergattungen die Natur ſo wenig von
den zerſtoͤhrenden als erzeugenden Kraͤften die min
deſte Ausnahme gemacht hat, alles einem Mechanism
derſelben, ohne einen Zweck zu unterwerfen.

Das erſte, was in einer Anordnung zu einem zweck-
maͤßigen Ganzen der Naturweſen auf der Erde abſicht-
lich eingerichtet ſeyn mußte, wuͤrde wohl ihr Wohnplatz,
der Boden und das Element ſeyn, auf und in welchem
ſie ihr Fortkommen haben ſollten. Allein eine genauere

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0443" n="379"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologi&#x017F;chen Urtheilskraft.</fw><lb/>
und vermindert, ein gewi&#x017F;&#x017F;es Gleichgewicht unter den<lb/>
hervorbringenden und den zer&#x017F;to&#x0364;hrenden Kra&#x0364;ften der<lb/>
Natur ge&#x017F;tiftet werde: Und &#x017F;o wu&#x0364;rde der Men&#x017F;ch, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr er auch in gewi&#x017F;&#x017F;er Beziehung als Zweck gewu&#x0364;rdigt<lb/>
&#x017F;eyn mo&#x0364;chte, doch in anderer wiederum nur den Rang<lb/>
eines Mittels haben.</p><lb/>
              <p>Wenn man &#x017F;ich eine objective Zweckma&#x0364;ßigkeit in der<lb/>
Mannigfaltigkeit der Gattungen der Erdge&#x017F;cho&#x0364;pfe und<lb/>
ihrem a&#x0364;ußern Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e zu einander, als zweckma&#x0364;ßig<lb/>
con&#x017F;truirter We&#x017F;en, zum Princip macht, &#x017F;o i&#x017F;t es der<lb/>
Vernunft gema&#x0364;s &#x017F;ich in die&#x017F;em Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e wiederum<lb/>
eine gewi&#x017F;&#x017F;e Organi&#x017F;ation und ein Sy&#x017F;tem aller Natur-<lb/>
reiche nach Endur&#x017F;achen zu denken; allein hier &#x017F;cheint die<lb/>
Erfahrung der Vernunftmaxime lant zu wider&#x017F;prechen,<lb/>
vornemlich was einen letzten Zweck der Natur betrift,<lb/>
der doch zu der Mo&#x0364;glichkeit eines &#x017F;olchen Sy&#x017F;tems erfor-<lb/>
derlich i&#x017F;t, und den wir nirgends anders als im Men-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;etzen ko&#x0364;nnen: da vielmehr in An&#x017F;ehung die&#x017F;es, als<lb/>
einer der vielen Thiergattungen die Natur &#x017F;o wenig von<lb/>
den zer&#x017F;to&#x0364;hrenden als erzeugenden Kra&#x0364;ften die min<lb/>
de&#x017F;te Ausnahme gemacht hat, alles einem Mechanism<lb/>
der&#x017F;elben, ohne einen Zweck zu unterwerfen.</p><lb/>
              <p>Das er&#x017F;te, was in einer Anordnung zu einem zweck-<lb/>
ma&#x0364;ßigen Ganzen der Naturwe&#x017F;en auf der Erde ab&#x017F;icht-<lb/>
lich eingerichtet &#x017F;eyn mußte, wu&#x0364;rde wohl ihr Wohnplatz,<lb/>
der Boden und das Element &#x017F;eyn, auf und in welchem<lb/>
&#x017F;ie ihr Fortkommen haben &#x017F;ollten. Allein eine genauere<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379/0443] II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft. und vermindert, ein gewiſſes Gleichgewicht unter den hervorbringenden und den zerſtoͤhrenden Kraͤften der Natur geſtiftet werde: Und ſo wuͤrde der Menſch, ſo ſehr er auch in gewiſſer Beziehung als Zweck gewuͤrdigt ſeyn moͤchte, doch in anderer wiederum nur den Rang eines Mittels haben. Wenn man ſich eine objective Zweckmaͤßigkeit in der Mannigfaltigkeit der Gattungen der Erdgeſchoͤpfe und ihrem aͤußern Verhaͤltniſſe zu einander, als zweckmaͤßig conſtruirter Weſen, zum Princip macht, ſo iſt es der Vernunft gemaͤs ſich in dieſem Verhaͤltniſſe wiederum eine gewiſſe Organiſation und ein Syſtem aller Natur- reiche nach Endurſachen zu denken; allein hier ſcheint die Erfahrung der Vernunftmaxime lant zu widerſprechen, vornemlich was einen letzten Zweck der Natur betrift, der doch zu der Moͤglichkeit eines ſolchen Syſtems erfor- derlich iſt, und den wir nirgends anders als im Men- ſchen ſetzen koͤnnen: da vielmehr in Anſehung dieſes, als einer der vielen Thiergattungen die Natur ſo wenig von den zerſtoͤhrenden als erzeugenden Kraͤften die min deſte Ausnahme gemacht hat, alles einem Mechanism derſelben, ohne einen Zweck zu unterwerfen. Das erſte, was in einer Anordnung zu einem zweck- maͤßigen Ganzen der Naturweſen auf der Erde abſicht- lich eingerichtet ſeyn mußte, wuͤrde wohl ihr Wohnplatz, der Boden und das Element ſeyn, auf und in welchem ſie ihr Fortkommen haben ſollten. Allein eine genauere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/443
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/443>, abgerufen am 22.12.2024.