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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

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I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft.
Wohlgefallen vorhergeht, verbunden, sondern was da-
durch allererst bewirkt wird). 3) Die Freyheit der
Einbildungskraft (also der Sinnlichkeit unseres Vermö:
gens) wird in der Beurtheilung des Schönen mit der
Gesetzmäßigkeit des Verstandes als einstimmig vorgestellt
(im moralischen Urtheile wird die Freyheit des Willens
als Zusammenstimmung des letzteren mit sich selbst nach
allgemeinen Vernunftgesetzen gedacht). 4) Das sub-
jective Princip der Beurtheilung des Schönen wird als
allgemein, d. i. für jedermann gültig, aber durch kei-
nen allgemeinen Begrif kenntlich, vorgestellt (das obje-
ctive Princip der Moralität wird auch für allgemein,
d. i. für alle Subjecte, zugleich auch für alle Handlun-
gen desselben Subjects und dabey durch einen allgemei-
nen Begrif kenntlich erklärt). Daher ist das moralische
Urtheil nicht allein bestimmter constitutiver Principien
fähig, sondern ist nur durch Gründung der Maximen
auf dieselbe und ihre Allgemeinheit möglich.

Die Rücksicht auf diese Analogie ist auch dem gemei-
nen Verstande gewöhnlich und wir benennen schöne Ge-
genstände der Natur, oder der Kunst, oft mit Nahmen,
die eine sittliche Beurtheilung zum Grunde zu legen schei-
nen. Wir nennen Gebäude oder Bäume majestätisch
und prächtig, oder Gefilde lachend und fröhlig; selbst
Farben werden unschuldig, bescheiden, zärtlich genannt,
weil sie Empfindungen erregen, die etwas mit dem Be-
wußtseyn eines durch moralische Urtheile bewirkten Ge-

müths-

I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
Wohlgefallen vorhergeht, verbunden, ſondern was da-
durch allererſt bewirkt wird). 3) Die Freyheit der
Einbildungskraft (alſo der Sinnlichkeit unſeres Vermoͤ:
gens) wird in der Beurtheilung des Schoͤnen mit der
Geſetzmaͤßigkeit des Verſtandes als einſtimmig vorgeſtellt
(im moraliſchen Urtheile wird die Freyheit des Willens
als Zuſammenſtimmung des letzteren mit ſich ſelbſt nach
allgemeinen Vernunftgeſetzen gedacht). 4) Das ſub-
jective Princip der Beurtheilung des Schoͤnen wird als
allgemein, d. i. fuͤr jedermann guͤltig, aber durch kei-
nen allgemeinen Begrif kenntlich, vorgeſtellt (das obje-
ctive Princip der Moralitaͤt wird auch fuͤr allgemein,
d. i. fuͤr alle Subjecte, zugleich auch fuͤr alle Handlun-
gen deſſelben Subjects und dabey durch einen allgemei-
nen Begrif kenntlich erklaͤrt). Daher iſt das moraliſche
Urtheil nicht allein beſtimmter conſtitutiver Principien
faͤhig, ſondern iſt nur durch Gruͤndung der Maximen
auf dieſelbe und ihre Allgemeinheit moͤglich.

Die Ruͤckſicht auf dieſe Analogie iſt auch dem gemei-
nen Verſtande gewoͤhnlich und wir benennen ſchoͤne Ge-
genſtaͤnde der Natur, oder der Kunſt, oft mit Nahmen,
die eine ſittliche Beurtheilung zum Grunde zu legen ſchei-
nen. Wir nennen Gebaͤude oder Baͤume majeſtaͤtiſch
und praͤchtig, oder Gefilde lachend und froͤhlig; ſelbſt
Farben werden unſchuldig, beſcheiden, zaͤrtlich genannt,
weil ſie Empfindungen erregen, die etwas mit dem Be-
wußtſeyn eines durch moraliſche Urtheile bewirkten Ge-

muͤths-
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[256/0320] I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. Wohlgefallen vorhergeht, verbunden, ſondern was da- durch allererſt bewirkt wird). 3) Die Freyheit der Einbildungskraft (alſo der Sinnlichkeit unſeres Vermoͤ: gens) wird in der Beurtheilung des Schoͤnen mit der Geſetzmaͤßigkeit des Verſtandes als einſtimmig vorgeſtellt (im moraliſchen Urtheile wird die Freyheit des Willens als Zuſammenſtimmung des letzteren mit ſich ſelbſt nach allgemeinen Vernunftgeſetzen gedacht). 4) Das ſub- jective Princip der Beurtheilung des Schoͤnen wird als allgemein, d. i. fuͤr jedermann guͤltig, aber durch kei- nen allgemeinen Begrif kenntlich, vorgeſtellt (das obje- ctive Princip der Moralitaͤt wird auch fuͤr allgemein, d. i. fuͤr alle Subjecte, zugleich auch fuͤr alle Handlun- gen deſſelben Subjects und dabey durch einen allgemei- nen Begrif kenntlich erklaͤrt). Daher iſt das moraliſche Urtheil nicht allein beſtimmter conſtitutiver Principien faͤhig, ſondern iſt nur durch Gruͤndung der Maximen auf dieſelbe und ihre Allgemeinheit moͤglich. Die Ruͤckſicht auf dieſe Analogie iſt auch dem gemei- nen Verſtande gewoͤhnlich und wir benennen ſchoͤne Ge- genſtaͤnde der Natur, oder der Kunſt, oft mit Nahmen, die eine ſittliche Beurtheilung zum Grunde zu legen ſchei- nen. Wir nennen Gebaͤude oder Baͤume majeſtaͤtiſch und praͤchtig, oder Gefilde lachend und froͤhlig; ſelbſt Farben werden unſchuldig, beſcheiden, zaͤrtlich genannt, weil ſie Empfindungen erregen, die etwas mit dem Be- wußtſeyn eines durch moraliſche Urtheile bewirkten Ge- muͤths-

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/320>, abgerufen am 25.11.2024.