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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

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I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft.
den Ausdruck derselben ausmacht, (Ectypon, Nachbild)
wird entweder in ihrer körperlichen Ausdehnung (wie
der Gegenstand selbst existirt) oder nach der Art, wie
diese sich im Auge mahlt (nach ihrer Apparenz in einer
Fläche) gegeben: oder, wenn auch das erstere ist, entwe-
der die Beziehung auf einen wirklichen Zweck, oder nur
der Anschein desselben der Reflexion zur Bedingung
gemacht.

Zur Plastik, als der ersten Art schöner bildender
Künste, gehört die Bildhauerkunst und Baukunst.
Die erste ist diejenige, welche Begriffe von Dingen, so
wie sie in der Natur existiren könnten, körperlich
darstellt, (doch als schöne Kunst mit Rücksicht auf ästhe-
tische Zweckmäßigkeit) die zweyte ist die Kunst, Be-
griffe von Dingen, die nur durch Kunst möglich sind
und deren Form nicht die Natur, sondern einen willkühr-
lichen Zweck zum Bestimmungsgrunde hat, zu dieser
Absicht, doch auch zugleich ästhetisch-zweckmäßig, dar-
zustellen. Bey der letzteren ist ein gewisser Gebrauch
des künstlichen Gegenstandes die Hauptsache, worauf
als Bedingung, die ästhetischen Jdeen eingeschränkt wer-
den. Bey der ersteren ist der bloße Ausdruck ästheti-
scher Jdeen die Hauptabsicht. So sind Bildsäulen von
Menschen, Göttern, Thieren u. d. g. von der erstern Art;
aber Tempel, oder Prachtgebäude zum Behuf öffentlicher
Versammlungen, oder auch Wohnungen, Ehrenbogen,
Säulen, Cenotaphien u. d. g. zum Ehrengedächtnis er-

I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
den Ausdruck derſelben ausmacht, (Ectypon, Nachbild)
wird entweder in ihrer koͤrperlichen Ausdehnung (wie
der Gegenſtand ſelbſt exiſtirt) oder nach der Art, wie
dieſe ſich im Auge mahlt (nach ihrer Apparenz in einer
Flaͤche) gegeben: oder, wenn auch das erſtere iſt, entwe-
der die Beziehung auf einen wirklichen Zweck, oder nur
der Anſchein deſſelben der Reflexion zur Bedingung
gemacht.

Zur Plaſtik, als der erſten Art ſchoͤner bildender
Kuͤnſte, gehoͤrt die Bildhauerkunſt und Baukunſt.
Die erſte iſt diejenige, welche Begriffe von Dingen, ſo
wie ſie in der Natur exiſtiren koͤnnten, koͤrperlich
darſtellt, (doch als ſchoͤne Kunſt mit Ruͤckſicht auf aͤſthe-
tiſche Zweckmaͤßigkeit) die zweyte iſt die Kunſt, Be-
griffe von Dingen, die nur durch Kunſt moͤglich ſind
und deren Form nicht die Natur, ſondern einen willkuͤhr-
lichen Zweck zum Beſtimmungsgrunde hat, zu dieſer
Abſicht, doch auch zugleich aͤſthetiſch-zweckmaͤßig, dar-
zuſtellen. Bey der letzteren iſt ein gewiſſer Gebrauch
des kuͤnſtlichen Gegenſtandes die Hauptſache, worauf
als Bedingung, die aͤſthetiſchen Jdeen eingeſchraͤnkt wer-
den. Bey der erſteren iſt der bloße Ausdruck aͤſtheti-
ſcher Jdeen die Hauptabſicht. So ſind Bildſaͤulen von
Menſchen, Goͤttern, Thieren u. d. g. von der erſtern Art;
aber Tempel, oder Prachtgebaͤude zum Behuf oͤffentlicher
Verſammlungen, oder auch Wohnungen, Ehrenbogen,
Saͤulen, Cenotaphien u. d. g. zum Ehrengedaͤchtnis er-

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[205/0269] I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. den Ausdruck derſelben ausmacht, (Ectypon, Nachbild) wird entweder in ihrer koͤrperlichen Ausdehnung (wie der Gegenſtand ſelbſt exiſtirt) oder nach der Art, wie dieſe ſich im Auge mahlt (nach ihrer Apparenz in einer Flaͤche) gegeben: oder, wenn auch das erſtere iſt, entwe- der die Beziehung auf einen wirklichen Zweck, oder nur der Anſchein deſſelben der Reflexion zur Bedingung gemacht. Zur Plaſtik, als der erſten Art ſchoͤner bildender Kuͤnſte, gehoͤrt die Bildhauerkunſt und Baukunſt. Die erſte iſt diejenige, welche Begriffe von Dingen, ſo wie ſie in der Natur exiſtiren koͤnnten, koͤrperlich darſtellt, (doch als ſchoͤne Kunſt mit Ruͤckſicht auf aͤſthe- tiſche Zweckmaͤßigkeit) die zweyte iſt die Kunſt, Be- griffe von Dingen, die nur durch Kunſt moͤglich ſind und deren Form nicht die Natur, ſondern einen willkuͤhr- lichen Zweck zum Beſtimmungsgrunde hat, zu dieſer Abſicht, doch auch zugleich aͤſthetiſch-zweckmaͤßig, dar- zuſtellen. Bey der letzteren iſt ein gewiſſer Gebrauch des kuͤnſtlichen Gegenſtandes die Hauptſache, worauf als Bedingung, die aͤſthetiſchen Jdeen eingeſchraͤnkt wer- den. Bey der erſteren iſt der bloße Ausdruck aͤſtheti- ſcher Jdeen die Hauptabſicht. So ſind Bildſaͤulen von Menſchen, Goͤttern, Thieren u. d. g. von der erſtern Art; aber Tempel, oder Prachtgebaͤude zum Behuf oͤffentlicher Verſammlungen, oder auch Wohnungen, Ehrenbogen, Saͤulen, Cenotaphien u. d. g. zum Ehrengedaͤchtnis er-

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/269>, abgerufen am 22.12.2024.