gehört und das Wohlgefallen des Geschmacks vergrößert, thut dieses doch auch nur durch seine Form wie Gewän- der an Statuen oder Säulengänge um Prachtgebäude. Besteht aber der Zierrath nicht selbst in der schönen Form, ist er wie der goldene Rahmen blos um durch seinen Reiz das Gemälde dem Beyfall zu empfehlen angebracht, so heißt er alsdenn Schmuck und thut der ächten Schön- heit Abbruch.
Rührung, eine Empfindung, da Annehmlichkeit nur vermittelst augenblicklicher Hemmung und darauf erfolgender stärkerer Ergießung der Lebenskraft gewirkt wird, gehört gar nicht zur Schönheit. Erhabenheit aber erfordert einen andern Maasstab der Beurtheilung als der Geschmack sich zum Grunde legt, und so hat ein rei- nes Geschmacksurtheil weder Reiz noch Rührung, mit einem Worte keine Empfindung, als Materie des ästhe- tischen Urtheils, zum Bestimmungsgrunde.
§. 15. Das Geschmacksurtheil ist von dem Begriffe der Vollkommenheit gänzlich unabhängig.
Die objective Zweckmäßigkeit kann nur vermittelst der Beziehung des Mannigfaltigen auf einen bestimmten Zweck, also nur durch einen Begrif erkannt werden. Hieraus allein schon erhellet: daß das Schöne, dessen Beurtheilung eine blos formale Zweckmäßigkeit, d. i. eine Zweckmäßigkeit ohne Zweck zum Grunde hat, von
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
gehoͤrt und das Wohlgefallen des Geſchmacks vergroͤßert, thut dieſes doch auch nur durch ſeine Form wie Gewaͤn- der an Statuen oder Saͤulengaͤnge um Prachtgebaͤude. Beſteht aber der Zierrath nicht ſelbſt in der ſchoͤnen Form, iſt er wie der goldene Rahmen blos um durch ſeinen Reiz das Gemaͤlde dem Beyfall zu empfehlen angebracht, ſo heißt er alsdenn Schmuck und thut der aͤchten Schoͤn- heit Abbruch.
Ruͤhrung, eine Empfindung, da Annehmlichkeit nur vermittelſt augenblicklicher Hemmung und darauf erfolgender ſtaͤrkerer Ergießung der Lebenskraft gewirkt wird, gehoͤrt gar nicht zur Schoͤnheit. Erhabenheit aber erfordert einen andern Maasſtab der Beurtheilung als der Geſchmack ſich zum Grunde legt, und ſo hat ein rei- nes Geſchmacksurtheil weder Reiz noch Ruͤhrung, mit einem Worte keine Empfindung, als Materie des aͤſthe- tiſchen Urtheils, zum Beſtimmungsgrunde.
§. 15. Das Geſchmacksurtheil iſt von dem Begriffe der Vollkommenheit gaͤnzlich unabhaͤngig.
Die objective Zweckmaͤßigkeit kann nur vermittelſt der Beziehung des Mannigfaltigen auf einen beſtimmten Zweck, alſo nur durch einen Begrif erkannt werden. Hieraus allein ſchon erhellet: daß das Schoͤne, deſſen Beurtheilung eine blos formale Zweckmaͤßigkeit, d. i. eine Zweckmaͤßigkeit ohne Zweck zum Grunde hat, von
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I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
gehoͤrt und das Wohlgefallen des Geſchmacks vergroͤßert,
thut dieſes doch auch nur durch ſeine Form wie Gewaͤn-
der an Statuen oder Saͤulengaͤnge um Prachtgebaͤude.
Beſteht aber der Zierrath nicht ſelbſt in der ſchoͤnen Form,
iſt er wie der goldene Rahmen blos um durch ſeinen Reiz
das Gemaͤlde dem Beyfall zu empfehlen angebracht,
ſo heißt er alsdenn Schmuck und thut der aͤchten Schoͤn-
heit Abbruch.
Ruͤhrung, eine Empfindung, da Annehmlichkeit
nur vermittelſt augenblicklicher Hemmung und darauf
erfolgender ſtaͤrkerer Ergießung der Lebenskraft gewirkt
wird, gehoͤrt gar nicht zur Schoͤnheit. Erhabenheit aber
erfordert einen andern Maasſtab der Beurtheilung als
der Geſchmack ſich zum Grunde legt, und ſo hat ein rei-
nes Geſchmacksurtheil weder Reiz noch Ruͤhrung, mit
einem Worte keine Empfindung, als Materie des aͤſthe-
tiſchen Urtheils, zum Beſtimmungsgrunde.
§. 15.
Das Geſchmacksurtheil iſt von dem Begriffe
der Vollkommenheit gaͤnzlich unabhaͤngig.
Die objective Zweckmaͤßigkeit kann nur vermittelſt
der Beziehung des Mannigfaltigen auf einen beſtimmten
Zweck, alſo nur durch einen Begrif erkannt werden.
Hieraus allein ſchon erhellet: daß das Schoͤne, deſſen
Beurtheilung eine blos formale Zweckmaͤßigkeit, d. i.
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/107>, abgerufen am 26.11.2024.
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