Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. I. Hauptst.
daß wir sie im Verstande allein, als ihrem Geburtsorte,
aufsuchen und dessen reinen Gebrauch überhaupt analysiren;
denn dieses ist das eigenthümliche Geschäfte einer Trans-
scendental-Philosophie; das übrige ist die logische Behand-
lung der Begriffe in der Philosophie überhaupt. Wir werden
also die reine Begriffe bis zu ihren ersten Keimen und An-
lagen im menschlichen Verstande verfolgen, in denen sie
vorbereitet liegen, bis sie endlich bey Gelegenheit der Er-
fahrung entwickelt und durch eben denselben Verstand, von
denen ihnen anhängenden empirischen Bedingungen be-
freyet, in ihrer Lauterkeit dargestellt werden.

Der
Analytik der Begriffe

Erstes Hauptstück.
Von dem
Leitfaden der Entdeckung aller reinen
Verstandesbegriffe.

Wenn man ein Erkentnißvermögen ins Spiel sezt, so
thun sich, nach den mancherley Anlässen, verschiedene
Begriffe hervor, die dieses Vermögen kennbar machen und
sich in einem mehr, oder weniger ausführlichen Aufsatz
sammeln lassen, nachdem die Beobachtung derselben länge-
re Zeit, oder mit grösserer Scharfsichtigkeit angestellt wor-
den. Wo diese Untersuchung werde vollendet seyn, läßt
sich, nach diesem gleichsam mechanischen Verfahren, nie-
mals mit Sicherheit bestimmen. Auch entdecken sich die

Be-

Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. I. Hauptſt.
daß wir ſie im Verſtande allein, als ihrem Geburtsorte,
aufſuchen und deſſen reinen Gebrauch uͤberhaupt analyſiren;
denn dieſes iſt das eigenthuͤmliche Geſchaͤfte einer Trans-
ſcendental-Philoſophie; das uͤbrige iſt die logiſche Behand-
lung der Begriffe in der Philoſophie uͤberhaupt. Wir werden
alſo die reine Begriffe bis zu ihren erſten Keimen und An-
lagen im menſchlichen Verſtande verfolgen, in denen ſie
vorbereitet liegen, bis ſie endlich bey Gelegenheit der Er-
fahrung entwickelt und durch eben denſelben Verſtand, von
denen ihnen anhaͤngenden empiriſchen Bedingungen be-
freyet, in ihrer Lauterkeit dargeſtellt werden.

Der
Analytik der Begriffe

Erſtes Hauptſtuͤck.
Von dem
Leitfaden der Entdeckung aller reinen
Verſtandesbegriffe.

Wenn man ein Erkentnißvermoͤgen ins Spiel ſezt, ſo
thun ſich, nach den mancherley Anlaͤſſen, verſchiedene
Begriffe hervor, die dieſes Vermoͤgen kennbar machen und
ſich in einem mehr, oder weniger ausfuͤhrlichen Aufſatz
ſammeln laſſen, nachdem die Beobachtung derſelben laͤnge-
re Zeit, oder mit groͤſſerer Scharfſichtigkeit angeſtellt wor-
den. Wo dieſe Unterſuchung werde vollendet ſeyn, laͤßt
ſich, nach dieſem gleichſam mechaniſchen Verfahren, nie-
mals mit Sicherheit beſtimmen. Auch entdecken ſich die

Be-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0096" n="66"/><fw place="top" type="header">Elementarl. <hi rendition="#aq">II.</hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">I.</hi> Buch. <hi rendition="#aq">I.</hi> Haupt&#x017F;t.</fw><lb/>
daß wir &#x017F;ie im Ver&#x017F;tande allein, als ihrem Geburtsorte,<lb/>
auf&#x017F;uchen und de&#x017F;&#x017F;en reinen Gebrauch u&#x0364;berhaupt analy&#x017F;iren;<lb/>
denn die&#x017F;es i&#x017F;t das eigenthu&#x0364;mliche Ge&#x017F;cha&#x0364;fte einer Trans-<lb/>
&#x017F;cendental-Philo&#x017F;ophie; das u&#x0364;brige i&#x017F;t die logi&#x017F;che Behand-<lb/>
lung der Begriffe in der Philo&#x017F;ophie u&#x0364;berhaupt. Wir werden<lb/>
al&#x017F;o die reine Begriffe bis zu ihren er&#x017F;ten Keimen und An-<lb/>
lagen im men&#x017F;chlichen Ver&#x017F;tande verfolgen, in denen &#x017F;ie<lb/>
vorbereitet liegen, bis &#x017F;ie endlich bey Gelegenheit der Er-<lb/>
fahrung entwickelt und durch eben den&#x017F;elben Ver&#x017F;tand, von<lb/>
denen ihnen anha&#x0364;ngenden empiri&#x017F;chen Bedingungen be-<lb/>
freyet, in ihrer Lauterkeit darge&#x017F;tellt werden.</p><lb/>
              <div n="5">
                <head> <hi rendition="#g">Der<lb/><hi rendition="#b">Analytik der Begriffe</hi></hi><lb/> <hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi><lb/> <hi rendition="#g">Von dem</hi><lb/> <hi rendition="#b">Leitfaden der Entdeckung aller reinen<lb/>
Ver&#x017F;tandesbegriffe.</hi> </head><lb/>
                <p><hi rendition="#in">W</hi>enn man ein Erkentnißvermo&#x0364;gen ins Spiel &#x017F;ezt, &#x017F;o<lb/>
thun &#x017F;ich, nach den mancherley Anla&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, ver&#x017F;chiedene<lb/>
Begriffe hervor, die die&#x017F;es Vermo&#x0364;gen kennbar machen und<lb/>
&#x017F;ich in einem mehr, oder weniger ausfu&#x0364;hrlichen Auf&#x017F;atz<lb/>
&#x017F;ammeln la&#x017F;&#x017F;en, nachdem die Beobachtung der&#x017F;elben la&#x0364;nge-<lb/>
re Zeit, oder mit gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erer Scharf&#x017F;ichtigkeit ange&#x017F;tellt wor-<lb/>
den. Wo die&#x017F;e Unter&#x017F;uchung werde vollendet &#x017F;eyn, la&#x0364;ßt<lb/>
&#x017F;ich, nach die&#x017F;em gleich&#x017F;am mechani&#x017F;chen Verfahren, nie-<lb/>
mals mit Sicherheit be&#x017F;timmen. Auch entdecken &#x017F;ich die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Be-</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0096] Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. I. Hauptſt. daß wir ſie im Verſtande allein, als ihrem Geburtsorte, aufſuchen und deſſen reinen Gebrauch uͤberhaupt analyſiren; denn dieſes iſt das eigenthuͤmliche Geſchaͤfte einer Trans- ſcendental-Philoſophie; das uͤbrige iſt die logiſche Behand- lung der Begriffe in der Philoſophie uͤberhaupt. Wir werden alſo die reine Begriffe bis zu ihren erſten Keimen und An- lagen im menſchlichen Verſtande verfolgen, in denen ſie vorbereitet liegen, bis ſie endlich bey Gelegenheit der Er- fahrung entwickelt und durch eben denſelben Verſtand, von denen ihnen anhaͤngenden empiriſchen Bedingungen be- freyet, in ihrer Lauterkeit dargeſtellt werden. Der Analytik der Begriffe Erſtes Hauptſtuͤck. Von dem Leitfaden der Entdeckung aller reinen Verſtandesbegriffe. Wenn man ein Erkentnißvermoͤgen ins Spiel ſezt, ſo thun ſich, nach den mancherley Anlaͤſſen, verſchiedene Begriffe hervor, die dieſes Vermoͤgen kennbar machen und ſich in einem mehr, oder weniger ausfuͤhrlichen Aufſatz ſammeln laſſen, nachdem die Beobachtung derſelben laͤnge- re Zeit, oder mit groͤſſerer Scharfſichtigkeit angeſtellt wor- den. Wo dieſe Unterſuchung werde vollendet ſeyn, laͤßt ſich, nach dieſem gleichſam mechaniſchen Verfahren, nie- mals mit Sicherheit beſtimmen. Auch entdecken ſich die Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/96
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/96>, abgerufen am 18.12.2024.