deren Leben, bestimt. Ohne also einen Gott und eine vor uns iezt nicht sichtbare, aber gehoffte Welt, sind die herr- liche Ideen der Sittlichkeit zwar Gegenstände des Beifalls und der Bewunderung, aber nicht Triebfedern des Vor- satzes und der Ausübung, weil sie nicht den ganzen Zweck, der einem ieden vernünftigen Wesen natürlich und durch eben dieselbe reine Vernunft a priori bestimt und noth- wendig ist, erfüllen.
Glückseligkeit allein ist vor unsere Vernunft bey wei- tem nicht das vollständige Gut. Sie billigt solche nicht, (so sehr als auch Neigung dieselbe wünschen mag) wofern sie nicht mit der Würdigkeit, glücklich zu seyn, d. i. dem sittlichen Wolverhalten vereinigt ist. Sittlichkeit allein und, mit ihr, die blosse Würdigkeit, glücklich zu seyn, ist aber auch noch lange nicht das vollständige Gut. Um dieses zu vollenden, muß der, so sich als der Glückseligkeit nicht unwerth verhalten hatte, hoffen können, ihrer theil- haftig zu werden. Selbst die von aller Privatabsicht freie Vernunft, wenn sie, ohne dabey ein eigenes Interesse in Betracht zu ziehen, sich in die Stelle eines Wesens sezte, das alle Glückseligkeit andern auszutheilen hätte, kan nicht anders urtheilen; denn in der practischen Idee sind beide Stücke wesentlich verbunden, obzwar so, daß die moralische Gesinnung, als Bedingung, den Antheil an Glückseligkeit und nicht umgekehrt, die Aussicht auf Glück- seligkeit die moralische Gesinnung zuerst möglich mache. Denn im lezteren Falle wäre sie nicht moralisch und also
auch
Vom Ideal des hoͤchſten Guts.
deren Leben, beſtimt. Ohne alſo einen Gott und eine vor uns iezt nicht ſichtbare, aber gehoffte Welt, ſind die herr- liche Ideen der Sittlichkeit zwar Gegenſtaͤnde des Beifalls und der Bewunderung, aber nicht Triebfedern des Vor- ſatzes und der Ausuͤbung, weil ſie nicht den ganzen Zweck, der einem ieden vernuͤnftigen Weſen natuͤrlich und durch eben dieſelbe reine Vernunft a priori beſtimt und noth- wendig iſt, erfuͤllen.
Gluͤckſeligkeit allein iſt vor unſere Vernunft bey wei- tem nicht das vollſtaͤndige Gut. Sie billigt ſolche nicht, (ſo ſehr als auch Neigung dieſelbe wuͤnſchen mag) wofern ſie nicht mit der Wuͤrdigkeit, gluͤcklich zu ſeyn, d. i. dem ſittlichen Wolverhalten vereinigt iſt. Sittlichkeit allein und, mit ihr, die bloſſe Wuͤrdigkeit, gluͤcklich zu ſeyn, iſt aber auch noch lange nicht das vollſtaͤndige Gut. Um dieſes zu vollenden, muß der, ſo ſich als der Gluͤckſeligkeit nicht unwerth verhalten hatte, hoffen koͤnnen, ihrer theil- haftig zu werden. Selbſt die von aller Privatabſicht freie Vernunft, wenn ſie, ohne dabey ein eigenes Intereſſe in Betracht zu ziehen, ſich in die Stelle eines Weſens ſezte, das alle Gluͤckſeligkeit andern auszutheilen haͤtte, kan nicht anders urtheilen; denn in der practiſchen Idee ſind beide Stuͤcke weſentlich verbunden, obzwar ſo, daß die moraliſche Geſinnung, als Bedingung, den Antheil an Gluͤckſeligkeit und nicht umgekehrt, die Ausſicht auf Gluͤck- ſeligkeit die moraliſche Geſinnung zuerſt moͤglich mache. Denn im lezteren Falle waͤre ſie nicht moraliſch und alſo
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Vom Ideal des hoͤchſten Guts.
deren Leben, beſtimt. Ohne alſo einen Gott und eine vor
uns iezt nicht ſichtbare, aber gehoffte Welt, ſind die herr-
liche Ideen der Sittlichkeit zwar Gegenſtaͤnde des Beifalls
und der Bewunderung, aber nicht Triebfedern des Vor-
ſatzes und der Ausuͤbung, weil ſie nicht den ganzen Zweck,
der einem ieden vernuͤnftigen Weſen natuͤrlich und durch
eben dieſelbe reine Vernunft a priori beſtimt und noth-
wendig iſt, erfuͤllen.
Gluͤckſeligkeit allein iſt vor unſere Vernunft bey wei-
tem nicht das vollſtaͤndige Gut. Sie billigt ſolche nicht,
(ſo ſehr als auch Neigung dieſelbe wuͤnſchen mag) wofern
ſie nicht mit der Wuͤrdigkeit, gluͤcklich zu ſeyn, d. i. dem
ſittlichen Wolverhalten vereinigt iſt. Sittlichkeit allein
und, mit ihr, die bloſſe Wuͤrdigkeit, gluͤcklich zu ſeyn,
iſt aber auch noch lange nicht das vollſtaͤndige Gut. Um
dieſes zu vollenden, muß der, ſo ſich als der Gluͤckſeligkeit
nicht unwerth verhalten hatte, hoffen koͤnnen, ihrer theil-
haftig zu werden. Selbſt die von aller Privatabſicht
freie Vernunft, wenn ſie, ohne dabey ein eigenes Intereſſe
in Betracht zu ziehen, ſich in die Stelle eines Weſens
ſezte, das alle Gluͤckſeligkeit andern auszutheilen haͤtte, kan
nicht anders urtheilen; denn in der practiſchen Idee ſind
beide Stuͤcke weſentlich verbunden, obzwar ſo, daß die
moraliſche Geſinnung, als Bedingung, den Antheil an
Gluͤckſeligkeit und nicht umgekehrt, die Ausſicht auf Gluͤck-
ſeligkeit die moraliſche Geſinnung zuerſt moͤglich mache.
Denn im lezteren Falle waͤre ſie nicht moraliſch und alſo
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 813. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/843>, abgerufen am 23.11.2024.
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