wol zwar durch ihn synthetisch und a priori urtheilen, aber nur discursiv, nach Begriffen, niemals aber intui- tiv durch die Construction des Begriffes.
Nun ist von aller Anschauung keine a priori gege- ben, als die blosse Form der Erscheinungen, Raum und Zeit und ein Begriff von diesen, als Quantis, läßt sich ent- weder zugleich mit der Qualität derselben (ihre Gestalt), oder auch blos ihre Quantität (die blosse Synthesis des Gleichartigmannigfaltigen) durch Zahl a priori in der An- schauung darstellen, d. i. construiren. Die Materie aber der Erscheinungen, wodurch uns Dinge im Raume und der Zeit gegeben werden, kan nur in der Wahrnehmung, mithin a posteriori vorgestellet werden. Der einzige Be- griff, der a priori diesen empirischen Gehalt der Erschei- nungen vorstellt, ist der Begriff des Dinges überhaupt, und die synthetische Erkentniß von demselben a priori kan nichts weiter, als die blosse Regel der Synthesis desieni- gen, was die Wahrnehmung a posteriori geben mag, nie- mals aber die Anschauung des realen Gegenstandes a priori liefern, weil diese nothwendig empirisch seyn muß.
Synthetische Sätze, die auf Dinge überhaupt, de- ren Anschauung sich a priori gar nicht geben läßt, gehen, sind transscendental. Demnach lassen sich transscenden- tale Sätze niemals durch Construction der Begriffe, son- dern nur nach Begriffen a priori geben. Sie enthalten blos die Regel, nach der eine gewisse synthetische Einheit desienigen, was nicht a priori anschaulich vorgestellt wer-
den
Methodenlehre I. Hauptſt. I. Abſch.
wol zwar durch ihn ſynthetiſch und a priori urtheilen, aber nur discurſiv, nach Begriffen, niemals aber intui- tiv durch die Conſtruction des Begriffes.
Nun iſt von aller Anſchauung keine a priori gege- ben, als die bloſſe Form der Erſcheinungen, Raum und Zeit und ein Begriff von dieſen, als Quantis, laͤßt ſich ent- weder zugleich mit der Qualitaͤt derſelben (ihre Geſtalt), oder auch blos ihre Quantitaͤt (die bloſſe Syntheſis des Gleichartigmannigfaltigen) durch Zahl a priori in der An- ſchauung darſtellen, d. i. conſtruiren. Die Materie aber der Erſcheinungen, wodurch uns Dinge im Raume und der Zeit gegeben werden, kan nur in der Wahrnehmung, mithin a poſteriori vorgeſtellet werden. Der einzige Be- griff, der a priori dieſen empiriſchen Gehalt der Erſchei- nungen vorſtellt, iſt der Begriff des Dinges uͤberhaupt, und die ſynthetiſche Erkentniß von demſelben a priori kan nichts weiter, als die bloſſe Regel der Syntheſis desieni- gen, was die Wahrnehmung a poſteriori geben mag, nie- mals aber die Anſchauung des realen Gegenſtandes a priori liefern, weil dieſe nothwendig empiriſch ſeyn muß.
Synthetiſche Saͤtze, die auf Dinge uͤberhaupt, de- ren Anſchauung ſich a priori gar nicht geben laͤßt, gehen, ſind transſcendental. Demnach laſſen ſich transſcenden- tale Saͤtze niemals durch Conſtruction der Begriffe, ſon- dern nur nach Begriffen a priori geben. Sie enthalten blos die Regel, nach der eine gewiſſe ſynthetiſche Einheit desienigen, was nicht a priori anſchaulich vorgeſtellt wer-
den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0750"n="720"/><fwplace="top"type="header">Methodenlehre <hirendition="#aq">I.</hi> Hauptſt. <hirendition="#aq">I.</hi> Abſch.</fw><lb/>
wol zwar durch ihn ſynthetiſch und <hirendition="#aq">a priori</hi> urtheilen,<lb/>
aber nur discurſiv, nach Begriffen, niemals aber intui-<lb/>
tiv durch die Conſtruction des Begriffes.</p><lb/><p>Nun iſt von aller Anſchauung keine <hirendition="#aq">a priori</hi> gege-<lb/>
ben, als die bloſſe Form der Erſcheinungen, Raum und<lb/>
Zeit und ein Begriff von dieſen, als <hirendition="#aq">Quantis,</hi> laͤßt ſich ent-<lb/>
weder zugleich mit der Qualitaͤt derſelben (ihre Geſtalt),<lb/>
oder auch blos ihre Quantitaͤt (die bloſſe Syntheſis des<lb/>
Gleichartigmannigfaltigen) durch Zahl <hirendition="#aq">a priori</hi> in der An-<lb/>ſchauung darſtellen, d. i. conſtruiren. Die Materie aber<lb/>
der Erſcheinungen, wodurch uns <hirendition="#fr">Dinge</hi> im Raume und<lb/>
der Zeit gegeben werden, kan nur in der Wahrnehmung,<lb/>
mithin <hirendition="#aq">a poſteriori</hi> vorgeſtellet werden. Der einzige Be-<lb/>
griff, der <hirendition="#aq">a priori</hi> dieſen empiriſchen Gehalt der Erſchei-<lb/>
nungen vorſtellt, iſt der Begriff des <hirendition="#fr">Dinges</hi> uͤberhaupt,<lb/>
und die ſynthetiſche Erkentniß von demſelben <hirendition="#aq">a priori</hi> kan<lb/>
nichts weiter, als die bloſſe Regel der Syntheſis desieni-<lb/>
gen, was die Wahrnehmung <hirendition="#aq">a poſteriori</hi> geben mag, nie-<lb/>
mals aber die Anſchauung des realen Gegenſtandes <hirendition="#aq">a priori</hi><lb/>
liefern, weil dieſe nothwendig empiriſch ſeyn muß.</p><lb/><p>Synthetiſche Saͤtze, die auf <hirendition="#fr">Dinge</hi> uͤberhaupt, de-<lb/>
ren Anſchauung ſich <hirendition="#aq">a priori</hi> gar nicht geben laͤßt, gehen,<lb/>ſind transſcendental. Demnach laſſen ſich transſcenden-<lb/>
tale Saͤtze niemals durch Conſtruction der Begriffe, ſon-<lb/>
dern nur nach Begriffen <hirendition="#aq">a priori</hi> geben. Sie enthalten<lb/>
blos die Regel, nach der eine gewiſſe ſynthetiſche Einheit<lb/>
desienigen, was nicht <hirendition="#aq">a priori</hi> anſchaulich vorgeſtellt wer-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[720/0750]
Methodenlehre I. Hauptſt. I. Abſch.
wol zwar durch ihn ſynthetiſch und a priori urtheilen,
aber nur discurſiv, nach Begriffen, niemals aber intui-
tiv durch die Conſtruction des Begriffes.
Nun iſt von aller Anſchauung keine a priori gege-
ben, als die bloſſe Form der Erſcheinungen, Raum und
Zeit und ein Begriff von dieſen, als Quantis, laͤßt ſich ent-
weder zugleich mit der Qualitaͤt derſelben (ihre Geſtalt),
oder auch blos ihre Quantitaͤt (die bloſſe Syntheſis des
Gleichartigmannigfaltigen) durch Zahl a priori in der An-
ſchauung darſtellen, d. i. conſtruiren. Die Materie aber
der Erſcheinungen, wodurch uns Dinge im Raume und
der Zeit gegeben werden, kan nur in der Wahrnehmung,
mithin a poſteriori vorgeſtellet werden. Der einzige Be-
griff, der a priori dieſen empiriſchen Gehalt der Erſchei-
nungen vorſtellt, iſt der Begriff des Dinges uͤberhaupt,
und die ſynthetiſche Erkentniß von demſelben a priori kan
nichts weiter, als die bloſſe Regel der Syntheſis desieni-
gen, was die Wahrnehmung a poſteriori geben mag, nie-
mals aber die Anſchauung des realen Gegenſtandes a priori
liefern, weil dieſe nothwendig empiriſch ſeyn muß.
Synthetiſche Saͤtze, die auf Dinge uͤberhaupt, de-
ren Anſchauung ſich a priori gar nicht geben laͤßt, gehen,
ſind transſcendental. Demnach laſſen ſich transſcenden-
tale Saͤtze niemals durch Conſtruction der Begriffe, ſon-
dern nur nach Begriffen a priori geben. Sie enthalten
blos die Regel, nach der eine gewiſſe ſynthetiſche Einheit
desienigen, was nicht a priori anſchaulich vorgeſtellt wer-
den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 720. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/750>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.