enthalte, denn das Recht kan gar nicht erscheinen, son- dern sein Begriff liegt im Verstande, und stellet eine Be- schaffenheit, ([die] moralische) der Handlungen vor, die ihnen an sich selbst zukommt. Dagegen enthält die Vor- stellung eines Cörpers in der Anschauung gar nichts, was einem Gegenstande an sich selbst zukommen könte, sondern blos die Erscheinung von Etwas, und die Art, wie wir dadurch afficirt werden, und diese Receptivität unserer Erkentnißfähigkeit heißt Sinnlichkeit, und bleibt von der Erkentniß des Gegenstandes an sich selbst, ob man iene (die Erscheinung) gleich bis auf den Grund durchschauen möchte, dennoch himmelweit unterschieden.
Die Leibniz-wolfische Philosophie hat daher allen Untersuchungen über die Natur und den Ursprung unserer Erkentnisse einen ganz unrechten Gesichtspunct angewiesen, indem sie den Unterschied der Sinnlichkeit vom Intellectuellen blos als logisch betrachtete, da er offenbar transscendental ist, und nicht blos die Form der Deutlichkeit oder Undeut- lichkeit, sondern den Ursprung und den Inhalt derselben betrift, so daß wir durch die erstere die Beschaffenheit der Dinge an sich selbst nicht blos undeutlich, sondern gar nicht erkennen, und, so bald wir unsre subiective Beschaf- fenheit wegnehmen, das vorgestellte Obiect mit den Ei- genschaften, die ihm die sinnliche Anschauung beylegte, überall nirgend anzutreffen ist, noch angetroffen werden kan, indem eben diese subiective Beschaffenheit die Form desselben, als Erscheinung bestimmt.
Wir
Elementarlehre. I. Th. Transſc. Aeſthetik.
enthalte, denn das Recht kan gar nicht erſcheinen, ſon- dern ſein Begriff liegt im Verſtande, und ſtellet eine Be- ſchaffenheit, ([die] moraliſche) der Handlungen vor, die ihnen an ſich ſelbſt zukommt. Dagegen enthaͤlt die Vor- ſtellung eines Coͤrpers in der Anſchauung gar nichts, was einem Gegenſtande an ſich ſelbſt zukommen koͤnte, ſondern blos die Erſcheinung von Etwas, und die Art, wie wir dadurch afficirt werden, und dieſe Receptivitaͤt unſerer Erkentnißfaͤhigkeit heißt Sinnlichkeit, und bleibt von der Erkentniß des Gegenſtandes an ſich ſelbſt, ob man iene (die Erſcheinung) gleich bis auf den Grund durchſchauen moͤchte, dennoch himmelweit unterſchieden.
Die Leibniz-wolfiſche Philoſophie hat daher allen Unterſuchungen uͤber die Natur und den Urſprung unſerer Erkentniſſe einen ganz unrechten Geſichtspunct angewieſen, indem ſie den Unterſchied der Sinnlichkeit vom Intellectuellen blos als logiſch betrachtete, da er offenbar transſcendental iſt, und nicht blos die Form der Deutlichkeit oder Undeut- lichkeit, ſondern den Urſprung und den Inhalt derſelben betrift, ſo daß wir durch die erſtere die Beſchaffenheit der Dinge an ſich ſelbſt nicht blos undeutlich, ſondern gar nicht erkennen, und, ſo bald wir unſre ſubiective Beſchaf- fenheit wegnehmen, das vorgeſtellte Obiect mit den Ei- genſchaften, die ihm die ſinnliche Anſchauung beylegte, uͤberall nirgend anzutreffen iſt, noch angetroffen werden kan, indem eben dieſe ſubiective Beſchaffenheit die Form deſſelben, als Erſcheinung beſtimmt.
Wir
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0074"n="44"/><fwplace="top"type="header">Elementarlehre. <hirendition="#aq">I.</hi> Th. Transſc. Aeſthetik.</fw><lb/>
enthalte, denn das Recht kan gar nicht erſcheinen, ſon-<lb/>
dern ſein Begriff liegt im Verſtande, und ſtellet eine Be-<lb/>ſchaffenheit, (<supplied>die</supplied> moraliſche) der Handlungen vor, die<lb/>
ihnen an ſich ſelbſt zukommt. Dagegen enthaͤlt die Vor-<lb/>ſtellung eines Coͤrpers in der Anſchauung gar nichts, was<lb/>
einem Gegenſtande an ſich ſelbſt zukommen koͤnte, ſondern<lb/>
blos die Erſcheinung von Etwas, und die Art, wie wir<lb/>
dadurch afficirt werden, und dieſe Receptivitaͤt unſerer<lb/>
Erkentnißfaͤhigkeit heißt Sinnlichkeit, und bleibt von der<lb/>
Erkentniß des Gegenſtandes an ſich ſelbſt, ob man iene<lb/>
(die Erſcheinung) gleich bis auf den Grund durchſchauen<lb/>
moͤchte, dennoch himmelweit unterſchieden.</p><lb/><p>Die Leibniz-wolfiſche Philoſophie hat daher allen<lb/>
Unterſuchungen uͤber die Natur und den Urſprung unſerer<lb/>
Erkentniſſe einen ganz unrechten Geſichtspunct angewieſen,<lb/>
indem ſie den Unterſchied der Sinnlichkeit vom Intellectuellen<lb/>
blos als logiſch betrachtete, da er offenbar transſcendental<lb/>
iſt, und nicht blos die Form der Deutlichkeit oder Undeut-<lb/>
lichkeit, ſondern den Urſprung und den Inhalt derſelben<lb/>
betrift, ſo daß wir durch die erſtere die Beſchaffenheit der<lb/>
Dinge an ſich ſelbſt nicht blos undeutlich, ſondern gar<lb/>
nicht erkennen, und, ſo bald wir unſre ſubiective Beſchaf-<lb/>
fenheit wegnehmen, das vorgeſtellte Obiect mit den Ei-<lb/>
genſchaften, die ihm die ſinnliche Anſchauung beylegte,<lb/>
uͤberall nirgend anzutreffen iſt, noch angetroffen werden<lb/>
kan, indem eben dieſe ſubiective Beſchaffenheit die Form<lb/>
deſſelben, als Erſcheinung beſtimmt.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Wir</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[44/0074]
Elementarlehre. I. Th. Transſc. Aeſthetik.
enthalte, denn das Recht kan gar nicht erſcheinen, ſon-
dern ſein Begriff liegt im Verſtande, und ſtellet eine Be-
ſchaffenheit, (die moraliſche) der Handlungen vor, die
ihnen an ſich ſelbſt zukommt. Dagegen enthaͤlt die Vor-
ſtellung eines Coͤrpers in der Anſchauung gar nichts, was
einem Gegenſtande an ſich ſelbſt zukommen koͤnte, ſondern
blos die Erſcheinung von Etwas, und die Art, wie wir
dadurch afficirt werden, und dieſe Receptivitaͤt unſerer
Erkentnißfaͤhigkeit heißt Sinnlichkeit, und bleibt von der
Erkentniß des Gegenſtandes an ſich ſelbſt, ob man iene
(die Erſcheinung) gleich bis auf den Grund durchſchauen
moͤchte, dennoch himmelweit unterſchieden.
Die Leibniz-wolfiſche Philoſophie hat daher allen
Unterſuchungen uͤber die Natur und den Urſprung unſerer
Erkentniſſe einen ganz unrechten Geſichtspunct angewieſen,
indem ſie den Unterſchied der Sinnlichkeit vom Intellectuellen
blos als logiſch betrachtete, da er offenbar transſcendental
iſt, und nicht blos die Form der Deutlichkeit oder Undeut-
lichkeit, ſondern den Urſprung und den Inhalt derſelben
betrift, ſo daß wir durch die erſtere die Beſchaffenheit der
Dinge an ſich ſelbſt nicht blos undeutlich, ſondern gar
nicht erkennen, und, ſo bald wir unſre ſubiective Beſchaf-
fenheit wegnehmen, das vorgeſtellte Obiect mit den Ei-
genſchaften, die ihm die ſinnliche Anſchauung beylegte,
uͤberall nirgend anzutreffen iſt, noch angetroffen werden
kan, indem eben dieſe ſubiective Beſchaffenheit die Form
deſſelben, als Erſcheinung beſtimmt.
Wir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/74>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.