Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst.
die Zusammenstimmung desselben mit sich selbst durch sy- stematische Einheit zum höchsten Grade bringen, wenn man sie aber mißversteht und sie vor constitutive Princi- pien transscendenter Erkentnisse hält, durch einen zwar glänzenden, aber trüglichen Schein, Ueberredung und ein- gebildetes Wissen, hiemit aber ewige Widersprüche und Streitigkeiten hervorbringen.
So fängt denn alle menschliche Erkentniß mit An- schauungen an, geht von da zu Begriffen und endigt mit Ideen. Ob sie zwar in Ansehung aller dreyen Elemente Erkentnißquellen a priori hat, die beym ersten Anblicke die Gränzen aller Erfahrung zu verschmähen scheinen, so über- zeugt doch eine vollendete Critik, daß alle Vernunft im speculativen Gebrauche mit diesen Elementen niemals über das Feld möglicher Erfahrung hinaus kommen könne, und daß die eigentliche Bestimmung dieses obersten Erkent- nißvermögens sey, sich aller Methoden und der Grundsätze derselben nur zu bedienen, um der Natur nach allen mög- lichen Principien der Einheit, worunter die der Zwecke die vornehmste ist, bis in ihr Innerstes nachzugehen, nie- mals aber ihre Gränze zu überfliegen, ausserhalb welcher vor uns nichts als leerer Raum ist. Zwar hat uns die critische Untersuchung aller Sätze, welche unsere Erkent-
niß
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
die Zuſammenſtimmung deſſelben mit ſich ſelbſt durch ſy- ſtematiſche Einheit zum hoͤchſten Grade bringen, wenn man ſie aber mißverſteht und ſie vor conſtitutive Princi- pien transſcendenter Erkentniſſe haͤlt, durch einen zwar glaͤnzenden, aber truͤglichen Schein, Ueberredung und ein- gebildetes Wiſſen, hiemit aber ewige Widerſpruͤche und Streitigkeiten hervorbringen.
So faͤngt denn alle menſchliche Erkentniß mit An- ſchauungen an, geht von da zu Begriffen und endigt mit Ideen. Ob ſie zwar in Anſehung aller dreyen Elemente Erkentnißquellen a priori hat, die beym erſten Anblicke die Graͤnzen aller Erfahrung zu verſchmaͤhen ſcheinen, ſo uͤber- zeugt doch eine vollendete Critik, daß alle Vernunft im ſpeculativen Gebrauche mit dieſen Elementen niemals uͤber das Feld moͤglicher Erfahrung hinaus kommen koͤnne, und daß die eigentliche Beſtimmung dieſes oberſten Erkent- nißvermoͤgens ſey, ſich aller Methoden und der Grundſaͤtze derſelben nur zu bedienen, um der Natur nach allen moͤg- lichen Principien der Einheit, worunter die der Zwecke die vornehmſte iſt, bis in ihr Innerſtes nachzugehen, nie- mals aber ihre Graͤnze zu uͤberfliegen, auſſerhalb welcher vor uns nichts als leerer Raum iſt. Zwar hat uns die critiſche Unterſuchung aller Saͤtze, welche unſere Erkent-
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
die Zuſammenſtimmung deſſelben mit ſich ſelbſt durch ſy-
ſtematiſche Einheit zum hoͤchſten Grade bringen, wenn
man ſie aber mißverſteht und ſie vor conſtitutive Princi-
pien transſcendenter Erkentniſſe haͤlt, durch einen zwar
glaͤnzenden, aber truͤglichen Schein, Ueberredung und ein-
gebildetes Wiſſen, hiemit aber ewige Widerſpruͤche und
Streitigkeiten hervorbringen.
So faͤngt denn alle menſchliche Erkentniß mit An-
ſchauungen an, geht von da zu Begriffen und endigt mit
Ideen. Ob ſie zwar in Anſehung aller dreyen Elemente
Erkentnißquellen a priori hat, die beym erſten Anblicke die
Graͤnzen aller Erfahrung zu verſchmaͤhen ſcheinen, ſo uͤber-
zeugt doch eine vollendete Critik, daß alle Vernunft im
ſpeculativen Gebrauche mit dieſen Elementen niemals
uͤber das Feld moͤglicher Erfahrung hinaus kommen koͤnne,
und daß die eigentliche Beſtimmung dieſes oberſten Erkent-
nißvermoͤgens ſey, ſich aller Methoden und der Grundſaͤtze
derſelben nur zu bedienen, um der Natur nach allen moͤg-
lichen Principien der Einheit, worunter die der Zwecke
die vornehmſte iſt, bis in ihr Innerſtes nachzugehen, nie-
mals aber ihre Graͤnze zu uͤberfliegen, auſſerhalb welcher
vor uns nichts als leerer Raum iſt. Zwar hat uns die
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 702. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/732>, abgerufen am 23.11.2024.
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