Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst.
nicht vorbey gehen, um diese Zweckmässigkeit der Natur als zufällig und hyperphysisch ihrem Ursprunge nach anzu- sehen, weil wir nicht berechtigt waren, ein Wesen über die Natur von den gedachten Eigenschaften anzunehmen, sondern nur die Idee desselben zum Grunde zu legen, um nach der Analogie einer Caussalbestimmung der Erscheinun- gen als systematisch unter einander verknüpft anzusehen.
Eben daher sind wir auch berechtigt, die Weltursa- che in der Idee nicht allein nach einem subtileren Anthro- pomorphism (ohne welchen sich gar nichts von ihm denken lassen würde), nemlich als ein Wesen, was Verstand, Wolgefallen und Mißfallen, imgleichen eine demselben ge- mässe Begierde und Willen hat etc. zu denken, sondern dem- selben unendliche Vollkommenheit beyzulegen, die also die- ienige weit übersteigt, dazu wir durch empirische Kentniß der Weltordnung berechtigt seyn können. Denn das re- gulative Gesetz der systematischen Einheit will: daß wir die Natur so studiren sollen, als ob allenthalben ins Un- endliche systematische und zweckmässige Einheit, bey der größtmöglichen Mannigfaltigkeit, angetroffen würde. Denn, wiewol wir nur wenig von dieser Weltvollkommenheit aus- spähen, oder erreichen werden, so gehört es doch zur Ge- setzgebung unserer Vernunft, sie allerwerts zu suchen und zu vermuthen und es muß uns iederzeit vortheilhaft seyn, niemals aber kan es nachtheilig werden, nach diesem Prin-
cip
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
nicht vorbey gehen, um dieſe Zweckmaͤſſigkeit der Natur als zufaͤllig und hyperphyſiſch ihrem Urſprunge nach anzu- ſehen, weil wir nicht berechtigt waren, ein Weſen uͤber die Natur von den gedachten Eigenſchaften anzunehmen, ſondern nur die Idee deſſelben zum Grunde zu legen, um nach der Analogie einer Cauſſalbeſtimmung der Erſcheinun- gen als ſyſtematiſch unter einander verknuͤpft anzuſehen.
Eben daher ſind wir auch berechtigt, die Welturſa- che in der Idee nicht allein nach einem ſubtileren Anthro- pomorphism (ohne welchen ſich gar nichts von ihm denken laſſen wuͤrde), nemlich als ein Weſen, was Verſtand, Wolgefallen und Mißfallen, imgleichen eine demſelben ge- maͤſſe Begierde und Willen hat ꝛc. zu denken, ſondern dem- ſelben unendliche Vollkommenheit beyzulegen, die alſo die- ienige weit uͤberſteigt, dazu wir durch empiriſche Kentniß der Weltordnung berechtigt ſeyn koͤnnen. Denn das re- gulative Geſetz der ſyſtematiſchen Einheit will: daß wir die Natur ſo ſtudiren ſollen, als ob allenthalben ins Un- endliche ſyſtematiſche und zweckmaͤſſige Einheit, bey der groͤßtmoͤglichen Mannigfaltigkeit, angetroffen wuͤrde. Denn, wiewol wir nur wenig von dieſer Weltvollkommenheit aus- ſpaͤhen, oder erreichen werden, ſo gehoͤrt es doch zur Ge- ſetzgebung unſerer Vernunft, ſie allerwerts zu ſuchen und zu vermuthen und es muß uns iederzeit vortheilhaft ſeyn, niemals aber kan es nachtheilig werden, nach dieſem Prin-
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
nicht vorbey gehen, um dieſe Zweckmaͤſſigkeit der Natur
als zufaͤllig und hyperphyſiſch ihrem Urſprunge nach anzu-
ſehen, weil wir nicht berechtigt waren, ein Weſen uͤber
die Natur von den gedachten Eigenſchaften anzunehmen,
ſondern nur die Idee deſſelben zum Grunde zu legen, um
nach der Analogie einer Cauſſalbeſtimmung der Erſcheinun-
gen als ſyſtematiſch unter einander verknuͤpft anzuſehen.
Eben daher ſind wir auch berechtigt, die Welturſa-
che in der Idee nicht allein nach einem ſubtileren Anthro-
pomorphism (ohne welchen ſich gar nichts von ihm denken
laſſen wuͤrde), nemlich als ein Weſen, was Verſtand,
Wolgefallen und Mißfallen, imgleichen eine demſelben ge-
maͤſſe Begierde und Willen hat ꝛc. zu denken, ſondern dem-
ſelben unendliche Vollkommenheit beyzulegen, die alſo die-
ienige weit uͤberſteigt, dazu wir durch empiriſche Kentniß
der Weltordnung berechtigt ſeyn koͤnnen. Denn das re-
gulative Geſetz der ſyſtematiſchen Einheit will: daß wir
die Natur ſo ſtudiren ſollen, als ob allenthalben ins Un-
endliche ſyſtematiſche und zweckmaͤſſige Einheit, bey der
groͤßtmoͤglichen Mannigfaltigkeit, angetroffen wuͤrde. Denn,
wiewol wir nur wenig von dieſer Weltvollkommenheit aus-
ſpaͤhen, oder erreichen werden, ſo gehoͤrt es doch zur Ge-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 700. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/730>, abgerufen am 23.11.2024.
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