Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst.
tzen, heißt nur die Vernunft verwirren. Die Naturfor-
schung geht ihren Gang ganz allein an der Kette der Na-
turursachen nach allgemeinen Gesetzen derselben, zwar
nach der Idee eines Urhebers, aber nicht um die Zweck-
mässigkeit, der sie allerwerts nachgeht, von demselben ab-
zuleiten, sondern sein Daseyn aus dieser Zweckmässigkeit,
die in den Wesen der Naturdinge gesucht wird, wo mög-
lich auch in den Wesen aller Dinge überhaupt, mithin als
schlechthin nothwendig zu erkennen. Das leztere mag
nun gelingen oder nicht, so bleibt die Idee immer richtig
und eben sowol auch deren Gebrauch, wenn er auf die
Bedingungen eines blos regulativen Princips restringirt
worden.

Vollständige zweckmässige Einheit ist Vollkommenheit
(schlechthin betrachtet). Wenn wir diese nicht in dem
Wesen der Dinge, welche den ganzen Gegenstand der Er-
fahrung, d. i. aller unserer obiectivgültigen Erkentniß, aus
machen, mithin in allgemeinen und nothwendigen Natur-
gesetzen finden, wie wollen wir daraus gerade auf die Idee
einer höchsten und schlechthin nothwendigen Vollkommen-
heit eines Urwesens schliessen, welches der Ursprung aller
Caussalität ist. Die größte systematische, folglich auch die
zweckmässige Einheit ist die Schule und selbst die Grund-
lage der Möglichkeit des größten Gebrauchs der Menschen-
vernunft. Die Idee derselben ist also mit dem Wesen

unse-

Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
tzen, heißt nur die Vernunft verwirren. Die Naturfor-
ſchung geht ihren Gang ganz allein an der Kette der Na-
tururſachen nach allgemeinen Geſetzen derſelben, zwar
nach der Idee eines Urhebers, aber nicht um die Zweck-
maͤſſigkeit, der ſie allerwerts nachgeht, von demſelben ab-
zuleiten, ſondern ſein Daſeyn aus dieſer Zweckmaͤſſigkeit,
die in den Weſen der Naturdinge geſucht wird, wo moͤg-
lich auch in den Weſen aller Dinge uͤberhaupt, mithin als
ſchlechthin nothwendig zu erkennen. Das leztere mag
nun gelingen oder nicht, ſo bleibt die Idee immer richtig
und eben ſowol auch deren Gebrauch, wenn er auf die
Bedingungen eines blos regulativen Princips reſtringirt
worden.

Vollſtaͤndige zweckmaͤſſige Einheit iſt Vollkommenheit
(ſchlechthin betrachtet). Wenn wir dieſe nicht in dem
Weſen der Dinge, welche den ganzen Gegenſtand der Er-
fahrung, d. i. aller unſerer obiectivguͤltigen Erkentniß, aus
machen, mithin in allgemeinen und nothwendigen Natur-
geſetzen finden, wie wollen wir daraus gerade auf die Idee
einer hoͤchſten und ſchlechthin nothwendigen Vollkommen-
heit eines Urweſens ſchlieſſen, welches der Urſprung aller
Cauſſalitaͤt iſt. Die groͤßte ſyſtematiſche, folglich auch die
zweckmaͤſſige Einheit iſt die Schule und ſelbſt die Grund-
lage der Moͤglichkeit des groͤßten Gebrauchs der Menſchen-
vernunft. Die Idee derſelben iſt alſo mit dem Weſen

unſe-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0724" n="694"/><fw place="top" type="header">Elementarl. <hi rendition="#aq">II.</hi> Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">II.</hi> Buch. <hi rendition="#aq">III.</hi> Haupt&#x017F;t.</fw><lb/>
tzen, heißt nur die Vernunft verwirren. Die Naturfor-<lb/>
&#x017F;chung geht ihren Gang ganz allein an der Kette der Na-<lb/>
turur&#x017F;achen nach allgemeinen Ge&#x017F;etzen der&#x017F;elben, zwar<lb/>
nach der Idee eines Urhebers, aber nicht um die Zweck-<lb/>
ma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit, der &#x017F;ie allerwerts nachgeht, von dem&#x017F;elben ab-<lb/>
zuleiten, &#x017F;ondern &#x017F;ein Da&#x017F;eyn aus die&#x017F;er Zweckma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit,<lb/>
die in den We&#x017F;en der Naturdinge ge&#x017F;ucht wird, wo mo&#x0364;g-<lb/>
lich auch in den We&#x017F;en aller Dinge u&#x0364;berhaupt, mithin als<lb/>
&#x017F;chlechthin nothwendig zu erkennen. Das leztere mag<lb/>
nun gelingen oder nicht, &#x017F;o bleibt die Idee immer richtig<lb/>
und eben &#x017F;owol auch deren Gebrauch, wenn er auf die<lb/>
Bedingungen eines blos regulativen Princips re&#x017F;tringirt<lb/>
worden.</p><lb/>
                        <p>Voll&#x017F;ta&#x0364;ndige zweckma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Einheit i&#x017F;t Vollkommenheit<lb/>
(&#x017F;chlechthin betrachtet). Wenn wir die&#x017F;e nicht in dem<lb/>
We&#x017F;en der Dinge, welche den ganzen Gegen&#x017F;tand der Er-<lb/>
fahrung, d. i. aller un&#x017F;erer obiectivgu&#x0364;ltigen Erkentniß, aus<lb/>
machen, mithin in allgemeinen und nothwendigen Natur-<lb/>
ge&#x017F;etzen finden, wie wollen wir daraus gerade auf die Idee<lb/>
einer ho&#x0364;ch&#x017F;ten und &#x017F;chlechthin nothwendigen Vollkommen-<lb/>
heit eines Urwe&#x017F;ens &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, welches der Ur&#x017F;prung aller<lb/>
Cau&#x017F;&#x017F;alita&#x0364;t i&#x017F;t. Die gro&#x0364;ßte &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;che, folglich auch die<lb/>
zweckma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Einheit i&#x017F;t die Schule und &#x017F;elb&#x017F;t die Grund-<lb/>
lage der Mo&#x0364;glichkeit des gro&#x0364;ßten Gebrauchs der Men&#x017F;chen-<lb/>
vernunft. Die Idee der&#x017F;elben i&#x017F;t al&#x017F;o mit dem We&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">un&#x017F;e-</fw><lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[694/0724] Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt. tzen, heißt nur die Vernunft verwirren. Die Naturfor- ſchung geht ihren Gang ganz allein an der Kette der Na- tururſachen nach allgemeinen Geſetzen derſelben, zwar nach der Idee eines Urhebers, aber nicht um die Zweck- maͤſſigkeit, der ſie allerwerts nachgeht, von demſelben ab- zuleiten, ſondern ſein Daſeyn aus dieſer Zweckmaͤſſigkeit, die in den Weſen der Naturdinge geſucht wird, wo moͤg- lich auch in den Weſen aller Dinge uͤberhaupt, mithin als ſchlechthin nothwendig zu erkennen. Das leztere mag nun gelingen oder nicht, ſo bleibt die Idee immer richtig und eben ſowol auch deren Gebrauch, wenn er auf die Bedingungen eines blos regulativen Princips reſtringirt worden. Vollſtaͤndige zweckmaͤſſige Einheit iſt Vollkommenheit (ſchlechthin betrachtet). Wenn wir dieſe nicht in dem Weſen der Dinge, welche den ganzen Gegenſtand der Er- fahrung, d. i. aller unſerer obiectivguͤltigen Erkentniß, aus machen, mithin in allgemeinen und nothwendigen Natur- geſetzen finden, wie wollen wir daraus gerade auf die Idee einer hoͤchſten und ſchlechthin nothwendigen Vollkommen- heit eines Urweſens ſchlieſſen, welches der Urſprung aller Cauſſalitaͤt iſt. Die groͤßte ſyſtematiſche, folglich auch die zweckmaͤſſige Einheit iſt die Schule und ſelbſt die Grund- lage der Moͤglichkeit des groͤßten Gebrauchs der Menſchen- vernunft. Die Idee derſelben iſt alſo mit dem Weſen unſe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/724
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 694. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/724>, abgerufen am 01.07.2024.