Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst.
als den Verstandesbegriffen im empirischen Gebrauche ana-
logisch sind. Ich werde mir also nach der Analogie der
Realitäten in der Welt, der Substanzen, der Caussalität
und der Nothwendigkeit, ein Wesen denken, das alles
dieses in der höchsten Vollkommenheit besizt und, indem
diese Idee blos auf meiner Vernunft beruht, dieses Wesen
als selbstständige Vernunft, was durch Ideen der größ-
ten Harmonie und Einheit, Ursache vom Weltganzen ist,
denken können, so daß ich alle, die Idee einschränkende,
Bedingungen weglasse, lediglich um, unter dem Schutze
eines solchen Urgrundes, systematische Einheit des Man-
nigfaltigen im Weltganzen und, vermittelst derselben, den
größtmöglichen empirischen Vernunftgebrauch möglich zu
machen, indem ich alle Verbindungen so ansehe, als ob
sie Anordnungen einer höchsten Vernunft wären, von der
die unsrige ein schwaches Nachbild ist. Ich denke mir
alsdenn dieses höchste Wesen durch lauter Begriffe, die
eigentlich nur in der Sinnenwelt ihre Anwendung haben,
da ich aber auch iene transscendentale Voraussetzung zu
keinem anderen als relativen Gebrauch habe, nemlich, daß
sie das Substratum der größtmöglichen Erfahrungseinheit
abgeben solle, so darf ich ein Wesen, das ich von der
Welt unterscheide, ganz wol durch Eigenschaften denken, die
lediglich zur Sinnenwelt gehören. Denn ich verlange
keinesweges und bin auch nicht befugt, es zu verlangen,
diesen Gegenstand meiner Idee, nach dem, was er an
sich seyn mag, zu erkennen; denn dazu habe ich keine Be-

griffe

Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
als den Verſtandesbegriffen im empiriſchen Gebrauche ana-
logiſch ſind. Ich werde mir alſo nach der Analogie der
Realitaͤten in der Welt, der Subſtanzen, der Cauſſalitaͤt
und der Nothwendigkeit, ein Weſen denken, das alles
dieſes in der hoͤchſten Vollkommenheit beſizt und, indem
dieſe Idee blos auf meiner Vernunft beruht, dieſes Weſen
als ſelbſtſtaͤndige Vernunft, was durch Ideen der groͤß-
ten Harmonie und Einheit, Urſache vom Weltganzen iſt,
denken koͤnnen, ſo daß ich alle, die Idee einſchraͤnkende,
Bedingungen weglaſſe, lediglich um, unter dem Schutze
eines ſolchen Urgrundes, ſyſtematiſche Einheit des Man-
nigfaltigen im Weltganzen und, vermittelſt derſelben, den
groͤßtmoͤglichen empiriſchen Vernunftgebrauch moͤglich zu
machen, indem ich alle Verbindungen ſo anſehe, als ob
ſie Anordnungen einer hoͤchſten Vernunft waͤren, von der
die unſrige ein ſchwaches Nachbild iſt. Ich denke mir
alsdenn dieſes hoͤchſte Weſen durch lauter Begriffe, die
eigentlich nur in der Sinnenwelt ihre Anwendung haben,
da ich aber auch iene transſcendentale Vorausſetzung zu
keinem anderen als relativen Gebrauch habe, nemlich, daß
ſie das Subſtratum der groͤßtmoͤglichen Erfahrungseinheit
abgeben ſolle, ſo darf ich ein Weſen, das ich von der
Welt unterſcheide, ganz wol durch Eigenſchaften denken, die
lediglich zur Sinnenwelt gehoͤren. Denn ich verlange
keinesweges und bin auch nicht befugt, es zu verlangen,
dieſen Gegenſtand meiner Idee, nach dem, was er an
ſich ſeyn mag, zu erkennen; denn dazu habe ich keine Be-

griffe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0708" n="678"/><fw place="top" type="header">Elementarl. <hi rendition="#aq">II.</hi> Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">II.</hi> Buch. <hi rendition="#aq">III.</hi> Haupt&#x017F;t.</fw><lb/>
als den Ver&#x017F;tandesbegriffen im empiri&#x017F;chen Gebrauche ana-<lb/>
logi&#x017F;ch &#x017F;ind. Ich werde mir al&#x017F;o nach der Analogie der<lb/>
Realita&#x0364;ten in der Welt, der Sub&#x017F;tanzen, der Cau&#x017F;&#x017F;alita&#x0364;t<lb/>
und der Nothwendigkeit, ein We&#x017F;en denken, das alles<lb/>
die&#x017F;es in der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Vollkommenheit be&#x017F;izt und, indem<lb/>
die&#x017F;e Idee blos auf meiner Vernunft beruht, die&#x017F;es We&#x017F;en<lb/>
als <hi rendition="#fr">&#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndige Vernunft,</hi> was durch Ideen der gro&#x0364;ß-<lb/>
ten Harmonie und Einheit, Ur&#x017F;ache vom Weltganzen i&#x017F;t,<lb/>
denken ko&#x0364;nnen, &#x017F;o daß ich alle, die Idee ein&#x017F;chra&#x0364;nkende,<lb/>
Bedingungen wegla&#x017F;&#x017F;e, lediglich um, unter dem Schutze<lb/>
eines &#x017F;olchen Urgrundes, &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;che Einheit des Man-<lb/>
nigfaltigen im Weltganzen und, vermittel&#x017F;t der&#x017F;elben, den<lb/>
gro&#x0364;ßtmo&#x0364;glichen empiri&#x017F;chen Vernunftgebrauch mo&#x0364;glich zu<lb/>
machen, indem ich alle Verbindungen &#x017F;o an&#x017F;ehe, als ob<lb/>
&#x017F;ie Anordnungen einer ho&#x0364;ch&#x017F;ten Vernunft wa&#x0364;ren, von der<lb/>
die un&#x017F;rige ein &#x017F;chwaches Nachbild i&#x017F;t. Ich denke mir<lb/>
alsdenn die&#x017F;es ho&#x0364;ch&#x017F;te We&#x017F;en durch lauter Begriffe, die<lb/>
eigentlich nur in der Sinnenwelt ihre Anwendung haben,<lb/>
da ich aber auch iene trans&#x017F;cendentale Voraus&#x017F;etzung zu<lb/>
keinem anderen als relativen Gebrauch habe, nemlich, daß<lb/>
&#x017F;ie das Sub&#x017F;tratum der gro&#x0364;ßtmo&#x0364;glichen Erfahrungseinheit<lb/>
abgeben &#x017F;olle, &#x017F;o darf ich ein We&#x017F;en, das ich von der<lb/>
Welt unter&#x017F;cheide, ganz wol durch Eigen&#x017F;chaften denken, die<lb/>
lediglich zur Sinnenwelt geho&#x0364;ren. Denn ich verlange<lb/>
keinesweges und bin auch nicht befugt, es zu verlangen,<lb/>
die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand meiner Idee, nach dem, was er an<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;eyn mag, zu erkennen; denn dazu habe ich keine Be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">griffe</fw><lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[678/0708] Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt. als den Verſtandesbegriffen im empiriſchen Gebrauche ana- logiſch ſind. Ich werde mir alſo nach der Analogie der Realitaͤten in der Welt, der Subſtanzen, der Cauſſalitaͤt und der Nothwendigkeit, ein Weſen denken, das alles dieſes in der hoͤchſten Vollkommenheit beſizt und, indem dieſe Idee blos auf meiner Vernunft beruht, dieſes Weſen als ſelbſtſtaͤndige Vernunft, was durch Ideen der groͤß- ten Harmonie und Einheit, Urſache vom Weltganzen iſt, denken koͤnnen, ſo daß ich alle, die Idee einſchraͤnkende, Bedingungen weglaſſe, lediglich um, unter dem Schutze eines ſolchen Urgrundes, ſyſtematiſche Einheit des Man- nigfaltigen im Weltganzen und, vermittelſt derſelben, den groͤßtmoͤglichen empiriſchen Vernunftgebrauch moͤglich zu machen, indem ich alle Verbindungen ſo anſehe, als ob ſie Anordnungen einer hoͤchſten Vernunft waͤren, von der die unſrige ein ſchwaches Nachbild iſt. Ich denke mir alsdenn dieſes hoͤchſte Weſen durch lauter Begriffe, die eigentlich nur in der Sinnenwelt ihre Anwendung haben, da ich aber auch iene transſcendentale Vorausſetzung zu keinem anderen als relativen Gebrauch habe, nemlich, daß ſie das Subſtratum der groͤßtmoͤglichen Erfahrungseinheit abgeben ſolle, ſo darf ich ein Weſen, das ich von der Welt unterſcheide, ganz wol durch Eigenſchaften denken, die lediglich zur Sinnenwelt gehoͤren. Denn ich verlange keinesweges und bin auch nicht befugt, es zu verlangen, dieſen Gegenſtand meiner Idee, nach dem, was er an ſich ſeyn mag, zu erkennen; denn dazu habe ich keine Be- griffe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/708
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 678. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/708>, abgerufen am 23.11.2024.