so betrachtet werden, als ob sie von einer höchsten Intelli- genz ihr Daseyn hätten. Auf solche Weise ist die Idee ei- gentlich nur ein hevristischer und nicht ostensiver Begriff und zeigt an, nicht wie ein Gegenstand beschaffen ist, son- dern wie wir, unter der Leitung desselben, die Beschaffen- heit und Verknüpfung der Gegenstände der Erfahrung überhaupt suchen sollen. Wenn man nun zeigen kan, daß ob- gleich die dreierley transscendentale Ideen (die psychologi- sche, cosmologische, und theologische) direct auf keinen ihnen correspondirenden Gegenstand und dessen Bestim- mung bezogen werden, dennoch alle Regeln des empiri- schen Gebrauchs der Vernunft unter Voraussetzung eines solchen Gegenstandes in der Idee auf systematische Ein- heit führen und die Erfahrungserkentniß iederzeit erweitern, niemals aber derselben zuwider seyn können: so ist es eine nothwendige Maxime der Vernunft, nach dergleichen Ideen zu verfahren. Und dieses ist die transscendentale Deduction aller Ideen der speculativen Vernunft, nicht als constitutiver Principien der Erweiterung unserer Er- kentniß über mehr Gegenstände, als Erfahrung geben kan, sondern als regulativer Principien der systematischen Einheit des Mannigfaltigen der empirischen Erkentniß über- haupt, welche dadurch in ihren eigenen Gränzen mehr an- gebauet und berichtigt wird, als es ohne solche Ideen durch den blossen Gebrauch der Verstandesgrundsätze gesche- hen könte.
Ich
VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie.
ſo betrachtet werden, als ob ſie von einer hoͤchſten Intelli- genz ihr Daſeyn haͤtten. Auf ſolche Weiſe iſt die Idee ei- gentlich nur ein hevriſtiſcher und nicht oſtenſiver Begriff und zeigt an, nicht wie ein Gegenſtand beſchaffen iſt, ſon- dern wie wir, unter der Leitung deſſelben, die Beſchaffen- heit und Verknuͤpfung der Gegenſtaͤnde der Erfahrung uͤberhaupt ſuchen ſollen. Wenn man nun zeigen kan, daß ob- gleich die dreierley transſcendentale Ideen (die pſychologi- ſche, cosmologiſche, und theologiſche) direct auf keinen ihnen correſpondirenden Gegenſtand und deſſen Beſtim- mung bezogen werden, dennoch alle Regeln des empiri- ſchen Gebrauchs der Vernunft unter Vorausſetzung eines ſolchen Gegenſtandes in der Idee auf ſyſtematiſche Ein- heit fuͤhren und die Erfahrungserkentniß iederzeit erweitern, niemals aber derſelben zuwider ſeyn koͤnnen: ſo iſt es eine nothwendige Maxime der Vernunft, nach dergleichen Ideen zu verfahren. Und dieſes iſt die transſcendentale Deduction aller Ideen der ſpeculativen Vernunft, nicht als conſtitutiver Principien der Erweiterung unſerer Er- kentniß uͤber mehr Gegenſtaͤnde, als Erfahrung geben kan, ſondern als regulativer Principien der ſyſtematiſchen Einheit des Mannigfaltigen der empiriſchen Erkentniß uͤber- haupt, welche dadurch in ihren eigenen Graͤnzen mehr an- gebauet und berichtigt wird, als es ohne ſolche Ideen durch den bloſſen Gebrauch der Verſtandesgrundſaͤtze geſche- hen koͤnte.
Ich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><p><pbfacs="#f0701"n="671"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">VII.</hi> Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie.</fw><lb/>ſo betrachtet werden, als ob ſie von einer hoͤchſten Intelli-<lb/>
genz ihr Daſeyn haͤtten. Auf ſolche Weiſe iſt die Idee ei-<lb/>
gentlich nur ein hevriſtiſcher und nicht oſtenſiver Begriff<lb/>
und zeigt an, nicht wie ein Gegenſtand beſchaffen iſt, ſon-<lb/>
dern wie wir, unter der Leitung deſſelben, die Beſchaffen-<lb/>
heit und Verknuͤpfung der Gegenſtaͤnde der Erfahrung<lb/>
uͤberhaupt <hirendition="#fr">ſuchen</hi>ſollen. Wenn man nun zeigen kan, daß ob-<lb/>
gleich die dreierley transſcendentale Ideen (die <hirendition="#fr">pſychologi-<lb/>ſche, cosmologiſche,</hi> und <hirendition="#fr">theologiſche</hi>) direct auf keinen<lb/>
ihnen correſpondirenden Gegenſtand und deſſen <hirendition="#fr">Beſtim-<lb/>
mung</hi> bezogen werden, dennoch alle Regeln des empiri-<lb/>ſchen Gebrauchs der Vernunft unter Vorausſetzung eines<lb/>ſolchen <hirendition="#fr">Gegenſtandes in der Idee</hi> auf ſyſtematiſche Ein-<lb/>
heit fuͤhren und die Erfahrungserkentniß iederzeit erweitern,<lb/>
niemals aber derſelben zuwider ſeyn koͤnnen: ſo iſt es eine<lb/>
nothwendige <hirendition="#fr">Maxime</hi> der Vernunft, nach dergleichen<lb/>
Ideen zu verfahren. Und dieſes iſt die transſcendentale<lb/>
Deduction aller Ideen der ſpeculativen Vernunft, nicht<lb/>
als <hirendition="#fr">conſtitutiver</hi> Principien der Erweiterung unſerer Er-<lb/>
kentniß uͤber mehr Gegenſtaͤnde, als Erfahrung geben<lb/>
kan, ſondern als <hirendition="#fr">regulativer</hi> Principien der ſyſtematiſchen<lb/>
Einheit des Mannigfaltigen der empiriſchen Erkentniß uͤber-<lb/>
haupt, welche dadurch in ihren eigenen Graͤnzen mehr an-<lb/>
gebauet und berichtigt wird, als es ohne ſolche Ideen<lb/>
durch den bloſſen Gebrauch der Verſtandesgrundſaͤtze geſche-<lb/>
hen koͤnte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ich</fw><lb/></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[671/0701]
VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie.
ſo betrachtet werden, als ob ſie von einer hoͤchſten Intelli-
genz ihr Daſeyn haͤtten. Auf ſolche Weiſe iſt die Idee ei-
gentlich nur ein hevriſtiſcher und nicht oſtenſiver Begriff
und zeigt an, nicht wie ein Gegenſtand beſchaffen iſt, ſon-
dern wie wir, unter der Leitung deſſelben, die Beſchaffen-
heit und Verknuͤpfung der Gegenſtaͤnde der Erfahrung
uͤberhaupt ſuchen ſollen. Wenn man nun zeigen kan, daß ob-
gleich die dreierley transſcendentale Ideen (die pſychologi-
ſche, cosmologiſche, und theologiſche) direct auf keinen
ihnen correſpondirenden Gegenſtand und deſſen Beſtim-
mung bezogen werden, dennoch alle Regeln des empiri-
ſchen Gebrauchs der Vernunft unter Vorausſetzung eines
ſolchen Gegenſtandes in der Idee auf ſyſtematiſche Ein-
heit fuͤhren und die Erfahrungserkentniß iederzeit erweitern,
niemals aber derſelben zuwider ſeyn koͤnnen: ſo iſt es eine
nothwendige Maxime der Vernunft, nach dergleichen
Ideen zu verfahren. Und dieſes iſt die transſcendentale
Deduction aller Ideen der ſpeculativen Vernunft, nicht
als conſtitutiver Principien der Erweiterung unſerer Er-
kentniß uͤber mehr Gegenſtaͤnde, als Erfahrung geben
kan, ſondern als regulativer Principien der ſyſtematiſchen
Einheit des Mannigfaltigen der empiriſchen Erkentniß uͤber-
haupt, welche dadurch in ihren eigenen Graͤnzen mehr an-
gebauet und berichtigt wird, als es ohne ſolche Ideen
durch den bloſſen Gebrauch der Verſtandesgrundſaͤtze geſche-
hen koͤnte.
Ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 671. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/701>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.