und Freiheit der Urheber der Dinge seyn soll, zu ver- stehen gewohnt ist, und auch dieser Begriff allein uns in- teressirt, so könte man, nach der Strenge, dem Deisten allen Glauben an Gott absprechen und ihm lediglich die Behauptung eines Urwesens, oder obersten Ursache übrig lassen. Indessen, da niemand darum, weil er etwas sich nicht zu behaupten getraut, beschuldigt werden darf, er wolle es gar läugnen, so ist es gelinder und billiger zu sagen: der Deist glaube einen Gott, der Theist aber einen lebendigen Gott(summam intelligentiam). Jezt wollen wir die mögliche Quellen aller dieser Versuche der Vernunft aufsuchen.
Ich begnüge mich hier, die theoretische Erkentniß durch eine solche zu erklären, wodurch ich erkenne, was da ist, die practische aber, dadurch ich mir vorstelle, was da seyn soll. Diesemnach ist der theoretische Gebrauch der Vernunft derienige, durch den ich a priori (als noth- wendig) erkenne, daß etwas sey, der practische aber, durch den a priori erkant wird, was geschehen solle. Wenn nun entweder, daß etwas sey, oder geschehen solle, un- gezweifelt gewiß, aber doch nur bedingt ist: so kan doch entweder eine gewisse bestimte Bedingung dazu schlechthin nothwendig seyn, oder sie kan nur als beliebig und zufäl- lig vorausgesezt werden. Im ersteren Falle wird die Be- dingung postulirt, (per thesin) im zweiten supponirt, (per hypothesin). Da es practische Gesetze giebt, die schlechthin nothwendig sind (die moralische), so muß,
wenn
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VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie.
und Freiheit der Urheber der Dinge ſeyn ſoll, zu ver- ſtehen gewohnt iſt, und auch dieſer Begriff allein uns in- tereſſirt, ſo koͤnte man, nach der Strenge, dem Deiſten allen Glauben an Gott abſprechen und ihm lediglich die Behauptung eines Urweſens, oder oberſten Urſache uͤbrig laſſen. Indeſſen, da niemand darum, weil er etwas ſich nicht zu behaupten getraut, beſchuldigt werden darf, er wolle es gar laͤugnen, ſo iſt es gelinder und billiger zu ſagen: der Deiſt glaube einen Gott, der Theiſt aber einen lebendigen Gott(ſummam intelligentiam). Jezt wollen wir die moͤgliche Quellen aller dieſer Verſuche der Vernunft aufſuchen.
Ich begnuͤge mich hier, die theoretiſche Erkentniß durch eine ſolche zu erklaͤren, wodurch ich erkenne, was da iſt, die practiſche aber, dadurch ich mir vorſtelle, was da ſeyn ſoll. Dieſemnach iſt der theoretiſche Gebrauch der Vernunft derienige, durch den ich a priori (als noth- wendig) erkenne, daß etwas ſey, der practiſche aber, durch den a priori erkant wird, was geſchehen ſolle. Wenn nun entweder, daß etwas ſey, oder geſchehen ſolle, un- gezweifelt gewiß, aber doch nur bedingt iſt: ſo kan doch entweder eine gewiſſe beſtimte Bedingung dazu ſchlechthin nothwendig ſeyn, oder ſie kan nur als beliebig und zufaͤl- lig vorausgeſezt werden. Im erſteren Falle wird die Be- dingung poſtulirt, (per theſin) im zweiten ſupponirt, (per hypotheſin). Da es practiſche Geſetze giebt, die ſchlechthin nothwendig ſind (die moraliſche), ſo muß,
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VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie.
und Freiheit der Urheber der Dinge ſeyn ſoll, zu ver-
ſtehen gewohnt iſt, und auch dieſer Begriff allein uns in-
tereſſirt, ſo koͤnte man, nach der Strenge, dem Deiſten
allen Glauben an Gott abſprechen und ihm lediglich die
Behauptung eines Urweſens, oder oberſten Urſache uͤbrig
laſſen. Indeſſen, da niemand darum, weil er etwas ſich
nicht zu behaupten getraut, beſchuldigt werden darf, er
wolle es gar laͤugnen, ſo iſt es gelinder und billiger zu
ſagen: der Deiſt glaube einen Gott, der Theiſt aber
einen lebendigen Gott (ſummam intelligentiam). Jezt
wollen wir die moͤgliche Quellen aller dieſer Verſuche der
Vernunft aufſuchen.
Ich begnuͤge mich hier, die theoretiſche Erkentniß
durch eine ſolche zu erklaͤren, wodurch ich erkenne, was
da iſt, die practiſche aber, dadurch ich mir vorſtelle, was
da ſeyn ſoll. Dieſemnach iſt der theoretiſche Gebrauch
der Vernunft derienige, durch den ich a priori (als noth-
wendig) erkenne, daß etwas ſey, der practiſche aber, durch
den a priori erkant wird, was geſchehen ſolle. Wenn
nun entweder, daß etwas ſey, oder geſchehen ſolle, un-
gezweifelt gewiß, aber doch nur bedingt iſt: ſo kan doch
entweder eine gewiſſe beſtimte Bedingung dazu ſchlechthin
nothwendig ſeyn, oder ſie kan nur als beliebig und zufaͤl-
lig vorausgeſezt werden. Im erſteren Falle wird die Be-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/663>, abgerufen am 23.11.2024.
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