Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst.
Gegenstände der Sinnenwelt gestellt seyn und nur in Anse- hung ihrer eine Bedeutung haben können.
Die gegenwärtige Welt eröfnet uns einen so uner- meßlichen Schauplatz von Mannigfaltigkeit, Ordnung, Zweckmässigkeit und Schönheit, man mag diese nun in der Unendlichkeit des Raumes, oder in der unbegränzten Theilung desselben verfolgen, daß selbst nach den Kentnissen, welche unser schwache Verstand davon hat erwerben kön- nen, alle Sprache, über so viele und unabsehlichgrosse Wunder, ihren Nachdruck, alle Zahlen ihre Kraft zu messen und selbst unsere Gedanken alle Begränzung ver- missen, so, daß sich unser Urtheil vom Ganzen in ein sprach- loses, aber desto beredteres Erstaunen auflösen muß. Aller- werts sehen wir eine Kette der Wirkungen und Ursachen, von Zwecken und den Mitteln, Regelmässigkeit im Ent- stehen oder Vergehen, und, indem nichts von selbst in den Zustand getreten ist, darin es sich befindet, so weiset er immer weiter hin nach einem anderen Dinge, als seiner Ursache, welche gerade eben dieselbe weitere Nachfrage nothwendig macht, so, daß auf solche Weise das ganze All im Abgrunde des Nichts versinken müßte, nähme man nicht etwas an, das ausserhalb diesem unendlichen Zufälli- gen, vor sich selbst ursprünglich und unabhängig bestehend, dasselbe hielte und, als die Ursache seines Ursprungs, ihm zugieich seine Fortdauer sicherte. Diese höchste Ursache (in Ansehung aller Dinge der Welt) wie groß soll man sie sich denken? Die Welt kennen wir nicht ihrem ganzen In-
halte
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
Gegenſtaͤnde der Sinnenwelt geſtellt ſeyn und nur in Anſe- hung ihrer eine Bedeutung haben koͤnnen.
Die gegenwaͤrtige Welt eroͤfnet uns einen ſo uner- meßlichen Schauplatz von Mannigfaltigkeit, Ordnung, Zweckmaͤſſigkeit und Schoͤnheit, man mag dieſe nun in der Unendlichkeit des Raumes, oder in der unbegraͤnzten Theilung deſſelben verfolgen, daß ſelbſt nach den Kentniſſen, welche unſer ſchwache Verſtand davon hat erwerben koͤn- nen, alle Sprache, uͤber ſo viele und unabſehlichgroſſe Wunder, ihren Nachdruck, alle Zahlen ihre Kraft zu meſſen und ſelbſt unſere Gedanken alle Begraͤnzung ver- miſſen, ſo, daß ſich unſer Urtheil vom Ganzen in ein ſprach- loſes, aber deſto beredteres Erſtaunen aufloͤſen muß. Aller- werts ſehen wir eine Kette der Wirkungen und Urſachen, von Zwecken und den Mitteln, Regelmaͤſſigkeit im Ent- ſtehen oder Vergehen, und, indem nichts von ſelbſt in den Zuſtand getreten iſt, darin es ſich befindet, ſo weiſet er immer weiter hin nach einem anderen Dinge, als ſeiner Urſache, welche gerade eben dieſelbe weitere Nachfrage nothwendig macht, ſo, daß auf ſolche Weiſe das ganze All im Abgrunde des Nichts verſinken muͤßte, naͤhme man nicht etwas an, das auſſerhalb dieſem unendlichen Zufaͤlli- gen, vor ſich ſelbſt urſpruͤnglich und unabhaͤngig beſtehend, daſſelbe hielte und, als die Urſache ſeines Urſprungs, ihm zugieich ſeine Fortdauer ſicherte. Dieſe hoͤchſte Urſache (in Anſehung aller Dinge der Welt) wie groß ſoll man ſie ſich denken? Die Welt kennen wir nicht ihrem ganzen In-
halte
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
Gegenſtaͤnde der Sinnenwelt geſtellt ſeyn und nur in Anſe-
hung ihrer eine Bedeutung haben koͤnnen.
Die gegenwaͤrtige Welt eroͤfnet uns einen ſo uner-
meßlichen Schauplatz von Mannigfaltigkeit, Ordnung,
Zweckmaͤſſigkeit und Schoͤnheit, man mag dieſe nun in
der Unendlichkeit des Raumes, oder in der unbegraͤnzten
Theilung deſſelben verfolgen, daß ſelbſt nach den Kentniſſen,
welche unſer ſchwache Verſtand davon hat erwerben koͤn-
nen, alle Sprache, uͤber ſo viele und unabſehlichgroſſe
Wunder, ihren Nachdruck, alle Zahlen ihre Kraft zu
meſſen und ſelbſt unſere Gedanken alle Begraͤnzung ver-
miſſen, ſo, daß ſich unſer Urtheil vom Ganzen in ein ſprach-
loſes, aber deſto beredteres Erſtaunen aufloͤſen muß. Aller-
werts ſehen wir eine Kette der Wirkungen und Urſachen,
von Zwecken und den Mitteln, Regelmaͤſſigkeit im Ent-
ſtehen oder Vergehen, und, indem nichts von ſelbſt in
den Zuſtand getreten iſt, darin es ſich befindet, ſo weiſet
er immer weiter hin nach einem anderen Dinge, als ſeiner
Urſache, welche gerade eben dieſelbe weitere Nachfrage
nothwendig macht, ſo, daß auf ſolche Weiſe das ganze
All im Abgrunde des Nichts verſinken muͤßte, naͤhme man
nicht etwas an, das auſſerhalb dieſem unendlichen Zufaͤlli-
gen, vor ſich ſelbſt urſpruͤnglich und unabhaͤngig beſtehend,
daſſelbe hielte und, als die Urſache ſeines Urſprungs, ihm
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 622. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/652>, abgerufen am 23.11.2024.
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