Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst.
Es mußte also bey dieser Ueberredung ein ge- wisses regulative Princip zum Grunde liegen. In der That ist auch Ausdehnung und Undurchdringlichkeit (die zusammen den Begriff von Materie ausmachen) das oberste empirische Principium der Einheit der Erscheinun- gen und hat, so fern als es empirisch unbedingt ist, eine Eigenschaft des regulativen Princips an sich. Gleichwol, da iede Bestimmung der Materie, welche das Reale der- selben ausmacht, mithin auch die Undurchdringlichkeit, ei- ne Wirkung (Handlung) ist, die ihre Ursache haben muß und daher immer noch abgeleitet ist, so schickt sich die Materie doch nicht zur Idee eines nothwendigen Wesens, als eines Princips aller abgeleiteten Einheit; weil iede ihrer realen Eigenschaften, als abgeleitet, nur bedingt nothwendig ist und also an sich aufgehoben werden kan, hiemit aber das ganze Daseyn der Materie aufgehoben wer- den würde, wenn dieses aber nicht geschähe, wir den höch- sten Grund der Einheit empirisch erreicht haben würden, welches durch das zweite regulative Princip verboten wird, so folgt: daß die Materie, und überhaupt, was zur Welt gehörig ist, zu der Idee eines nothwendigen Urwesens, als eines blossen Princips der größten empirischen Einheit, nicht schicklich sey, sondern daß es ausserhalb der Welt gesezt werden müsse, da wir denn die Erscheinungen der Welt und ihr Daseyn immer getrost von anderen ableiten können, als ob es kein nothwendig Wesen gäbe und dennoch zu der Bollständigkeit der Ableitung unaufhörlich streben kön-
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
Es mußte alſo bey dieſer Ueberredung ein ge- wiſſes regulative Princip zum Grunde liegen. In der That iſt auch Ausdehnung und Undurchdringlichkeit (die zuſammen den Begriff von Materie ausmachen) das oberſte empiriſche Principium der Einheit der Erſcheinun- gen und hat, ſo fern als es empiriſch unbedingt iſt, eine Eigenſchaft des regulativen Princips an ſich. Gleichwol, da iede Beſtimmung der Materie, welche das Reale der- ſelben ausmacht, mithin auch die Undurchdringlichkeit, ei- ne Wirkung (Handlung) iſt, die ihre Urſache haben muß und daher immer noch abgeleitet iſt, ſo ſchickt ſich die Materie doch nicht zur Idee eines nothwendigen Weſens, als eines Princips aller abgeleiteten Einheit; weil iede ihrer realen Eigenſchaften, als abgeleitet, nur bedingt nothwendig iſt und alſo an ſich aufgehoben werden kan, hiemit aber das ganze Daſeyn der Materie aufgehoben wer- den wuͤrde, wenn dieſes aber nicht geſchaͤhe, wir den hoͤch- ſten Grund der Einheit empiriſch erreicht haben wuͤrden, welches durch das zweite regulative Princip verboten wird, ſo folgt: daß die Materie, und uͤberhaupt, was zur Welt gehoͤrig iſt, zu der Idee eines nothwendigen Urweſens, als eines bloſſen Princips der groͤßten empiriſchen Einheit, nicht ſchicklich ſey, ſondern daß es auſſerhalb der Welt geſezt werden muͤſſe, da wir denn die Erſcheinungen der Welt und ihr Daſeyn immer getroſt von anderen ableiten koͤnnen, als ob es kein nothwendig Weſen gaͤbe und dennoch zu der Bollſtaͤndigkeit der Ableitung unaufhoͤrlich ſtreben koͤn-
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
Es mußte alſo bey dieſer Ueberredung ein ge-
wiſſes regulative Princip zum Grunde liegen. In
der That iſt auch Ausdehnung und Undurchdringlichkeit
(die zuſammen den Begriff von Materie ausmachen) das
oberſte empiriſche Principium der Einheit der Erſcheinun-
gen und hat, ſo fern als es empiriſch unbedingt iſt, eine
Eigenſchaft des regulativen Princips an ſich. Gleichwol,
da iede Beſtimmung der Materie, welche das Reale der-
ſelben ausmacht, mithin auch die Undurchdringlichkeit, ei-
ne Wirkung (Handlung) iſt, die ihre Urſache haben muß
und daher immer noch abgeleitet iſt, ſo ſchickt ſich die
Materie doch nicht zur Idee eines nothwendigen Weſens,
als eines Princips aller abgeleiteten Einheit; weil iede
ihrer realen Eigenſchaften, als abgeleitet, nur bedingt
nothwendig iſt und alſo an ſich aufgehoben werden kan,
hiemit aber das ganze Daſeyn der Materie aufgehoben wer-
den wuͤrde, wenn dieſes aber nicht geſchaͤhe, wir den hoͤch-
ſten Grund der Einheit empiriſch erreicht haben wuͤrden,
welches durch das zweite regulative Princip verboten wird,
ſo folgt: daß die Materie, und uͤberhaupt, was zur Welt
gehoͤrig iſt, zu der Idee eines nothwendigen Urweſens, als
eines bloſſen Princips der groͤßten empiriſchen Einheit, nicht
ſchicklich ſey, ſondern daß es auſſerhalb der Welt geſezt
werden muͤſſe, da wir denn die Erſcheinungen der Welt
und ihr Daſeyn immer getroſt von anderen ableiten koͤnnen,
als ob es kein nothwendig Weſen gaͤbe und dennoch zu
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/648>, abgerufen am 23.11.2024.
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